Commerzialbank, Krensdorf
ORF/Knotzer
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Wirtschaft

Commerzialbank: Die Rolle der Aufsichtsräte

Die Aufsichtsräte der Commerzialbank Mattersburg wehren sich gegen die Vorwürfe des Präsidenten der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, in kriminelle Machenschaften verstrickt zu sein. Eine Expertin betonte am Mittwoch im Ö1-Journal die Kontrollpflicht der Aufsichtsräte. Was macht ein Aufsichtsrat genau? Ein Überblick.

Oberste Pflicht eines Mitglieds im Aufsichtsrat ist es die Geschäftsführung zu überwachen und zu kontrollieren. Das Gremium, egal ob Kapital- oder Arbeitnehmervertreter, hat den Jahresabschluss ebenso zu prüfen wie den Geschäftsbericht. Im Zweifel sind die Frauen und Männer angehalten, juristische oder wirtschaftliche Sachverständige zu Rate zu ziehen. Verstößt das Mitglied grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gegen die Sorgfaltspflicht ist es haftbar zu machen. In den meisten Fällen gibt es daher eine Haftpflichtversicherung.

Aufsichtsrat bestimmt Vorstand

Vornehmstes Recht des Aufsichtsrates ist es den Vorstand zu bestimmen. Ihm gegenüber besteht ein Fragerecht, dieser wiederum hat eine Beantwortungspflicht. Im Idealfall agiert eine Aufsichtsrätin bzw. ein Aufsichtsrat als kritisch konstruktiver Sparringpartner der Geschäftsführung, wenn es etwa um die Firmenstrategie, um die Finanzierung, um Betriebsschließungen oder um Zu- und Verkäufe geht. Zu begründen ist ebenso, ob und in welchem Ausmaß eine Dividende gezahlt wird.

Keine spezielle Qualifikation nötig

Grundsätzlich braucht es für ein Aufsichtsratsmandat keine spezielle Qualifikation. Lediglich Kontrolleure von Finanzinstituten müssen sich mittlerweile dem sogenannten "Fit & Proper“- Eignungstest der Finanzmarktaufsicht stellen. Es gibt auch keine Beschränkungen, wie viele Mandate man parallel annehmen darf. Dass eine oder einer gleich in Gremien mehrerer großer Firmen sitzt, ist inzwischen deutlich mehr Ausnahme denn Regel, schon alleine, weil Anforderungen, Haftungsrisken und Zeitaufwand gestiegen sind. Auch setzen Aktionäre bei der Entsendung von Aufsichtsräten auf mehr Diversität, also unterschiedliche Berufserfahrungen, Alt und Jung sowie Frau und Mann. Der Anteil der Aufsichtsrätinnen ist zwar im Steigen, aber er liegt im Schnitt in Österreich weiterhin unter 25 Prozent.

Kalss: „Keine gute Selbsteinschätzung“

Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, nahm am Dienstag gleich mehrere Institutionen in Pflicht und ortete eine Mitverantwortung der Aufsichtsräte – mehr dazu in Commerzialbank: Republik rechnet mit langwierigen Verfahren. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Wilhelm Grafl sagte am Dienstag: "Warum soll uns etwas auffallen, wenn nicht einmal Profis draufkommen, dass hier kriminelle Machenschaften dahinter sind?“ – mehr dazu in Commerzialbank: Aufsichtsrat weist Vorwürfe zurück.

Dazu sagte die WU-Professorin und Expertin für Aufsichtsräte Susanne Kalss im Ö1-Mittagsjournal am Mittwoch, das sei keine gute Selbsteinschätzung. Ein Aufsichtsrat habe viele Aufgaben. „Einerseits hat er die Personalkompetenz, das heißt, einen geeigneten Vorstand zu bestellen und auch zeitgerecht abzuberufen. Das Zweite ist die laufende Kontrolle der Geschäftsführung, die strategische Begleitung, die Überwachung und eben die Prüfung und Billigung des Jahresabschlusses. Das heißt, ein Aktienaufsichtsrat hat wirklich ein breites Feld an Aufgaben und hat hier wirklich laufend und ständig den Vorstand zu begleiten“, so Kalss.

„Aufsichtsrat muss Geschäftsführer kontrollieren“

Oliver Scherbaum, der Anwalt des Aufsichtssratsvorsitzenden Josef Giefing, sagte am Dienstag dazu: „Natürlich kann ein Aufsichtsrat nicht immer das operative Geschäft beobachten, wenn er nicht richtig oder vollständig informiert wird oder sich aber auch zurecht auf Experten wie Wirtschaftsprüfer oder Finanzmarktaufsicht verlässt. Dann ist das natürlich etwas, wo man durchaus auch den Aufsichtsrat nicht in die Pflicht nehmen kann“ – mehr dazu in Anwalt: Peschorns Aussagen fast strafbar. Dazu sagte die Expertin: „Der Aufsichtsrat hat natürlich den Geschäftsführer zu beobachten und zu kontrollieren. Er führt die Geschäfte nicht selbst, aber er hat eine Beobachtungs-, eine Prüfungs- und eine Kontrollpflicht. Das ist eine der Kernaufgaben des Aufsichtsrates. In einem Bankaufsichtsrat sagt uns das Gesetz, dass das noch enger und noch genauer gemacht werden muss, als bei sonstigen Aufsichtsräten im sonstigen Industriebereich.“

„Nur Männer mit gleicher Ausbildung und Herkunft ist zu wenig“

Der Aufsichtsrat der Commerzialbank Mattersburg besteht aus zehn Personen – darunter Landwirte und Gewerbetreibende, etwa ein Gastwirt und ein Dachdeckermeister – mehr dazu in Kontrollorgan: Die Aufsichtsräte der Commerzialbank. In den vergangenen Tagen wurde die mangelnde Expertise des Aufsichtsrates kritisiert. Anwalt Scherbaum bezeichnete die Zusammensetzung als „historisch gewachsen“.

Dazu sagte Kalss: „Wenn ein Aufsichtsratsgremium einen Gastwirt hat und alle anderen andere Kompetenzen haben, geht das ohne Weiteres. Aber es geht nicht, dass ein Gremium aus Personen zusammengesetzt ist, wo nur ähnliche Kompetenzen, also kleine Unternehmen oder Funktionäre hier zusammenwirken. Ich brauche einen divers zusammengesetzten Aufsichtsrat. Ich brauche Bankentriebs-Know-How, ich brauche Bilanz-Know-How. Ich brauche rechtliches Know-How. Ich brauche auch unternehmerisches Know-How – was ein Gastwirt von zehn schon einbringen kann, aber nur Männer mit gleicher Ausbildung, mit gleicher Herkunft, gleichen Kenntnisstand, das ist zu wenig. Dann passt die Eignung des Kollektivs nicht mehr.“