Wirtschaft

Commerzialbank: Republik rechnet mit langwierigen Verfahren

Muss die Republik nach der Pleite der Commerzialbank zahlen? Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, sieht die Republik nicht in der Pflicht, dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage. Dennoch rechnet Peschorn mit vielen Klagen und langwierigen Verfahren.

Der Skandal um gefälschte Bilanzen bei der Commerzialbank Mattersburg bringt den zuständigen Aufsichtsorganen der Bank viel Kritik ein. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) kündigte nach dem Auffliegen des Skandals eine Amtshaftungsklage gegen den Bund an, und eine Grazer Anwaltskanzlei hat ein Amtshaftungsverfahren bereits eingeleitet.

Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur – sozusagen der Anwaltskanzlei des Staates –, beruhigt in dem Zusammenhang am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Zumindest vorerst sieht er keine Rechtsgrundlagen für Klagen gegen die Republik.

Keine Haftung gegenüber Anlegern festgeschrieben

Bezogen auf die Haftung sei im Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz gar keine Haftung gegenüber Anlegern festgeschrieben, sagte Peschorn. „Eine Haftung setzt voraus, dass es ein diesbezügliches Gesetz gibt, die diese vorschreibt.“ Auch in Deutschland gebe es keine Haftung für ein „behauptetes Fehlverhalten“ der Aufsicht. In Österreich sei dafür zuletzt die Einlagensicherung ausgeweitet worden. Diese funktioniere auch perfekt.

„Was es wiegt, das hat’s“

Sehr wohl stellt man sich aber auf viele und lange Verfahren ein, so Peschorn. Er sei guten Mutes, da es nun ein Konkursverfahren gebe, „dass wir einmal die Ursachen für diesen sogenannten Skandal herausfinden“, sagte der Anwalt der Republik. Stehen einmal die Ursachen fest, so Peschorn, dann gelte: „Was es wiegt, das hat’s. Dann muss man sich anschauen, wo Verantwortlichkeiten sind, und letztendlich, ob eine Rechtsgrundlage besteht für Haftungen.“

Schreiben eines Anwalts sei „substanzlos“

Bisher gibt es erst „ein wirkliches Aufforderungsschreiben“ an die Republik, in dem ein Versagen der Aufsicht durch Oesterreichische Nationalbank (OeNB) und Finanzmarktaufsicht (FMA) vorgeworfen wird, sagte Peschorn. „Wir nehmen jedes Schreiben natürlich ernst.“ Ein medial bekanntgewordenes Schreiben eines Anwalts sei hingegen „substanzlos“.

Aufgrund des Aufforderungsschreibens komme es zu einem Aufforderungsverfahren, geregelt im Amtshaftungsgesetz. In weiterer Folge könnte es zu vielen Amtshaftungsklagen kommen. Denn es werde sich immer jemand finden, der die Republik klagen wolle – es gehe um viel Geld, auch für Prozessfinanzierer. „Daher stellen wir uns auf lange Verfahren ein.“ Im Anlegerfall AMIS, erinnerte der Leiter der Finanzprokuratur, habe es mehrere tausend Klagen und Anspruchsschreiben sowie 14.000 Anspruchsberechtigte geben. Am Ende stand ein Generalvergleich.

„Denen hätte das auffallen müssen“

Eine Mitverantwortung an Österreichs jüngstem Bankenskandal ortet Peschorn nicht bei OeNB und FMA, sondern bei den Organen der Bank – also der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsrat sowie dem Bankprüfer TPA: „Denen hätte das auffallen müssen, was hier passiert ist. Es ist ihnen wahrscheinlich auch aufgefallen, und sie haben jahrelang kriminelle Energie in jahrelange Bilanzfälschungen, so wie es momentan ausschaut, hineingesteckt. Also dort liegt die rechtswidrige und schuldhafte Handlung.“

Bilanzfälschung – professionalisiert über Jahrzehnte

Wie die Aufsicht stattfindet, das sei ein Thema, das die Republik schon sehr lange begleitet, sagte Peschorn. „Da gibt es immer die Frage, wer ist zuständig – OeNB, FMA? Jetzt muss man sich auch die Frage stellen, was muss konkret geprüft werden.“ Die in der Kritik stehende Arbeit der Prüfer von FMA und OeNB verteidigte Peschorn damit, dass jahrelange Bilanzfälschung zugegeben worden sei – professionalisiert über Jahrzehnte.

Erträgnisse versprochen, die nicht realistisch sind

Die Frage sei größer als die Frage nach der Aufsicht und was dort faul sei. „Was ist hier faul in Österreich, dass so etwas stattfinden kann? Dass nicht der Aufsichtsrat und Menschen im Umfeld hier draufkommen. Wenn vorgeworfen wird, dass das für FMA oder OeNB erkennbar gewesen sei anhand von Kennzahlen, dann frage ich mich, was war mit den Mitbewerbern, was war mit der Umgebung, was war mit den Menschen, die durchaus professionell veranlagen – 30, 40 Millionen – aber nicht erkennen, dass hier offenbar Erträgnisse versprochen werden, die nicht realistisch sind“, sagt Peschorn in Richtung professioneller Anleger.