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ORF.at/Michael Baldauf
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Wirtschaft

Anwalt: Peschorns Aussagen fast strafbar

Der Anwalt des 76-jährigen Aufsichtssratsvorsitzenden Josef Giefing hat sich am Mittwoch erstmals zur Causa Commerzialbank zu Wort gemeldet. Die Aufsichtsräte wehren sich vehement gegen den Vorwurf des Präsidenten der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, in kriminelle Machenschaften verstrickt zu sein.

Peschorn hatte – als Anwalt der Republik – mehrfach erklärt, er sehe für Amtshaftungsklagen in Sachen Mattersburg keine Basis. Das sei eine Verantwortung, die die Organe der Bank treffe und natürlich den Bankprüfer. „Also die Geschäftsleitung, den Aufsichtsrat, denen hätte das auffallen müssen, was hier passiert. Das ist ihnen wahrscheinlich auch aufgefallen und sie haben hier kriminelle Energie in jahrelange Bilanzfälschungen, so wie es momentan ausschaut, hineingesteckt. Also dort liegt die rechtswidrige und schuldhafte Handlung“, so Peschorn am Dienstag im ORF-Radio – mehr dazu in Commerzialbank: Republik rechnet mit langwierigen Verfahren.

„Peschorn hat keine Anhaltspunkte“

Der Krensdorfer Landwirt Giefing wird vom Wiener Rechtsanwalt Oliver Scherbaum vertreten. „Äußerst befremdlich“ befand es Scherbaum, Anwalt des Aufsichtsratsvorsitzenden Josef Giefing, im Ö1-Interview am Mittwoch, wenn sich der Präsident der Finanzprokurator „zu derart emotionalen Äußerungen hinreißen lässt, ohne auch nur einen Anhaltspunkt für derartige Äußerungen zu haben“. Er gehe davon aus, dass Peschorn keine Anhaltspunkte hat, sagte der Anwalt Ö1-Morgenjournal. „Jedenfalls wenn er solche hat, dürften sie falsch sein, weil der Aufsichtsrat – und da spreche insbesondere auch von meinem Mandanten – keine Kenntnis von irgendwelchen malversiven Vorgängen oder sonstigen kriminellen Machenschaften gehabt hat, die jetzt hier in den Raum gestellt werden von Doktor Peschorn und ich halte das für wirklich befremdlich, wenn man sich zu derartigen Äußerungen, die fast schon selbst strafrechtliche Relevanz haben können, hinreißen lässt“, so Scherbaum.

"Kann nicht immer das operative Geschäft beobachten

Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sein Mandat von den Bankproblemen gewusst habe, so der Anwalt des Commerzialbank-Aufsichtsratsvorsitzenden im Ö1-Interview mit Bernt Koschuh. „Natürlich kann ein Aufsichtsrat nicht immer das operative Geschäft beobachten, wenn er nicht richtig oder vollständig informiert wird oder sich aber auch zurecht auf Experten wie Wirtschaftsprüfer oder Finanzmarktaufsicht verlässt. Dann ist das natürlich etwas, wo man durchaus auch den Aufsichtsrat nicht in die Pflicht nehmen kann“, so Scherbaum.

Die Behauptung, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Giefing finanziell profitiert hätte, könne er zurückweisen. Der Frage, ob Giefing im Rahmen seiner Aufsichtsratsfunktion durch Vergütungen als Aufsichtsrat oder auch durch Kredite ein bisschen profitiert habe, entgegnete der Anwalt: „Der Aufwandersatz für Aufsichtsräte ist gesetzlich normiert und begründet und ich kann Ihnen im gegenständlichen Fall sagen, dass es hier um Summen geht, die wirklich nicht der Rede wert sind, für das was an Verantwortung offensichtlich jetzt auch hier niederprasselt.“

Zusammensetzung des Aufsichtsrats historisch gewachsen

Keinen Kommentar des Anwalts gab es zu den Fragen, ob sein Mandat nun durch den Konkurs der Bank Geld verloren hätte, und ob er Geld in Sicherheit hätte bringen können, wobei der Anwalt zu letzterem hinzufügte: „‚In Sicherheit bringen‘ impliziert schon wieder, dass er von irgendetwas gewusst hätte, was ich zurückweisen kann.“

Zur Kritik an mangelnder Expertise im Aufsichtsrat sagte der Anwalt, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats ist historisch gewachsen und "war immer jedem bekannt und es hat diesbezüglich nie eine Beanstandung gegeben.

Doskozil über belastende Aussagen eines Aufsichtsrates

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) erwähnte am Wochenende in einem „Krone“-Interview in der Causa abermals belastende Aussagen eines Aufsichtsrates. „Wie erklären Sie sich, dass die Wirtschaftsprüfer alles abgenickt haben, dass die Finanzmarktaufsicht nichts bemerkt haben will, obwohl die Oesterreichische Nationalbank schon 2015 Unregelmäßigkeiten aufgezeigt hat? Mir ist es unerklärlich, dass die Staatsanwaltschaft, obwohl es schon 2015 Hinweise gab, keine Ermittlungen eingeleitet hat. Die haben den Akt zurückgelegt und nichts gemacht! Auch 2018 nicht, als der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei einer Finanzprüfung zugegeben hat, Bilanzen frisiert und Kredite erfunden zu haben, und sogar eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat. Da stimmt etwas nicht.“

Natürlich, so Doskozil, habe Martin Pucher ein Verbrechen begangen – es gilt die Unschuldsvermutung –, "aber wenn man sich anschaut, wie leicht es ihm gemacht wurde, dann fragen sich die Menschen zu Recht, warum sie jahrelang gespart haben und jetzt für diese Verantwortungslosigkeit büßen sollen. Da könnte ich platzen vor Wut. Werden die Profiteure je gefunden werden? Das hoffe ich sehr. Höchstwahrscheinlich wird es aber Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis wirklich alles aufgearbeitet ist.

„Das geht entschieden zu weit“

Weitere acht der zehn Aufsichtsräte der Commerzialbank wehrten sich schon am Dienstag gegen Peschorns Behauptungen, sie hätten von den Malversationen gewusst und wären in kriminelle Machenschaften verstrickt gewesen. „Das geht entschieden zu weit“, betonte Anwalt Christoph Leitgeb von der Kanzlei DSC Doralt Seist Csoklich, der die acht vertritt.

Zu behaupten, dass den Aufsichtsräten „wahrscheinlich etwas aufgefallen sei“ und sie „kriminelle Energie hineingesteckt hätten“, das gehe entschieden zu weit, hielt der Rechtsvertreter gegenüber der APA fest. Damit bezieht sich Leitgeb auf Äußerungen des Präsidenten der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, im Ö1-Interview von Dienstag – mehr dazu in Commerzialbank: Republik rechnet mit langwierigen Verfahren. Dort hatte der Chef des „Anwalts der Republik“ erklärt: „Die Geschäftsleitung, dem Aufsichtsrat, denen hätte das auffallen müssen, was hier passiert. Das ist ihnen wahrscheinlich auch aufgefallen, und sie haben hier kriminelle Energie in jahrelange Bilanzfälschungen, so wie es momentan ausschaut, hineingesteckt. Also dort liegt die rechtswidrige und schuldhafte Handlung.“

Dienstagmittag wies der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Wilhelm Grafl aus Schattendorf diese Vorwürfe bereits zurück – mehr dazu in Commerzialbank: Aufsichtsrat weist Vorwürfe zurück.

Anwalt: „Alle“ seien geschickt getäuscht worden

Anwalt Leitgeb kritisierte, dass Peschorn die Aufsichtsräte „in einem Atemzug mit den für die aufgedeckten Malversationen verantwortlichen Vorständen der Bank genannt hatte“. Denn wenn etwas „wahrscheinlich“ sei, dann das, dass „alle“ – nämlich Finanzmarktaufsicht (FMA), Wirtschaftsprüfer und die Aufsichtsräte – äußerst geschickt getäuscht und betrogen worden seien.

Aufsichtsräte hätten keine Millionenkredite erhalten

Die von Leitgeb vertretenen Aufsichtsräte hätten auch keine Millionenkredite erhalten, wie das von der SPÖ Burgenland behauptet worden sei. Die von der Bank ausgewiesenen Kreditvolumina der Aufsichtsräte (2018 rund 2,32 Mio. Euro) „beruhen auf fiktiven negativen Konten, die dem Aufsichtsrat ohne rechtliche Grundlage fälschlich zurechnet wurden“, hielt der Anwalt fest. Dem Grund und der Höhe nach werde das gegenüber der Einlagensicherung und dem Masseverwalter bestritten.

Aufsichtsräte hätten keine Abhebungen getätigt

Auch hätten die Aufsichtsräte nicht unmittelbar vor Schließung der Bank Abhebungen getätigt, um ihre Sparguthaben „zu retten“. Nichts davon entspreche der Wahrheit, hieß es im Statement des Anwalts von acht Aufsichtsräten. Die Aufsichtsratsmitglieder würden vielmehr „selbst zu den Getäuschten und Betrogenen gehören“ – ihr Vertrauen, das auf langjährigen persönlichen Beziehungen, teils seit Jugendtagen, beruhe, sei „von den Bankvorständen auf schändliche Weise missbraucht“ worden.

TPA verteidigt ihre Rolle

Auch die Wirtschaftsprüfungskanzlei TPA wies die Kritik Peschorns am Dienstag zurück. Die TPA, frühere Prüferin der Mattersburger Commerzialbank, will sich nicht Organen der Bank gleichgesetzt wissen, die womöglich mit krimineller Energie handelten. Jedenfalls gehöre man nicht dazu, wenn der Chef der Finanzprokuratur Peschorn rund um die Organe der Bank – Vorstand und Aufsichtsrat – eine mögliche „rechtswidrige und schuldhafte Handlung“ ortete.