Politik

Doskozil: Tirol wird unfair behandelt

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) übt in einem Interview mit der Austria Presse Agentur Kritik am Coronavirus-Krisenmanagement des Bundes. Es gebe „zu viele Köche“ und er vermisse „klare Vorgaben“. Wie man Tirol in der Causa Ischgl behandle, findet Doskozil „unfair“.

Seine Kritik untermauerte Doskozil mit einem Beispiel: Anfang März, bevor er zu seiner Stimmband-Operation nach Leipzig ins Spital gefahren sei, habe es eine erste Sitzung im Bundeskanzleramt gegeben mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und den Landeshauptleuten. „Das war ein salopper Meinungsaustausch – keine Vorgaben, keine Einschätzungen, noch nichts wissend über Restriktionen, über den Lockdown.“

„Man hätte klare Vorgaben gebraucht“

„Und gleichzeitig fällt man jetzt über den Landeshauptmann Platter (ÖVP) her und über die Verantwortlichen in Tirol, dass Ischgl viel zu spät reagiert hat“, sagte Doskozil. Schon damals hätte der Gesundheitsminister sagen müssen: „Das und das ist nicht erlaubt. Man hätte klare Vorgaben gebraucht.“ Die habe es aber nicht gegeben. Im Gegenteil, man habe dort diskutiert, ob in Salzburg die Osterfestspiele stattfinden oder nicht.

Hans Peter Doskozil
APA/Robert Jaeger
Hans Peter Doskozil im APA-Interview

Doskozil vermisst klare Parameter

Was in der Folge passiert sei – der Lockdown, „darüber kann man diskutieren, das war sicherlich die richtige Entscheidung“, sagte Doskozil. Jetzt fehlten aber Parameter dafür, wie man koordiniert hochfahre. Als Beispiel nannte der Landeshauptmann den Schulbereich: „Der Gesundheitsminister sagt, die Risikogruppe ist so definiert. Der Unterrichtsminister sagt, die Risikogruppe ist so definiert. Warum dürfen oder sollen beispielsweise über 60-jährige Lehrer nicht unterrichten gehen?“ Jeder 60-jährige Polizist müsse arbeiten, jeder 60-jährige Landesbedienstete, jede 60-jährige Erzieherin und jede 60-jährige Krankenschwester müsse arbeiten, so Doskozil: „Wir gehen jetzt her und sagen: Bei den Landeslehrern gilt diese Grenze nicht.“

Doskozil: Erlässe fünf Minuten vor Redaktionsschluss

Bei den Videokonferenzen des Bundes mit den Ländern oder bei den Pressekonferenzen, die stattfinden, werde nur moderiert, kritisierte Doskozil. Er selbst nehme nicht mehr an der Videokonferenz teil. Denn es würden keine Inhalte transportiert, sondern nur ein PR-Programm abadministriert. Zumindest die SPÖ-Landeshauptleute würden erst aus den Zeitungen erfahren, was gemacht werde. Erlässe und Verordnungen bekomme man „fünf Minuten vor Redaktionsschluss“. Das sei kein fairer Umgang miteinander.

Kritik an Kurz-Auftritt im Kleinwalsertal

Man müsse auch die rechtliche Situation überlegen, sagte Doskozil: „Die wenigsten wissen, dass der Bundeskanzler fachlich null Kompetenz und Zuständigkeit hat. Die hat der Gesundheitsminister in erster Linie, die hat der Unterrichtsminister, wenn es um die Schulen geht, die hat auch nicht der Innenminister. Der ist im Assistenzbereich tätig, sonst nirgends.“ „Da wird aber großartig kommuniziert, da wird eine PR-Performance abgewickelt sondergleichen – und dann passiert so was wie im Kleinwalsertal“, spielte Doskozil auf den Auftritt des Kanzlers mit einer Menschenmenge in Vorarlberg an. Den Leuten werde ein Bild vorgezeichnet, „man muss schauen, dass sie Angst haben. Und selbst als Bundeskanzler trete ich dann so auf? Das ist lächerlich.“

Doskozil verteidigt Seebäder-Betretungsverbot

In dem Interview verteidigte Doskozil erneut das umstrittene Betretungsverbot von Seebädern, das im Burgenland erlassen worden war – mehr dazu in Diskussion über beschränkten Seezugang und Betretungsverbot für Seebäder wird aufgehoben. Er sei selbst Jurist. Unter dem Aspekt der Güterabwägung und der Interessensabwägung sei für ihn Gesundheit „ein viel, viel höheres Gut als das Gut, ob ich spazieren gehen darf. Punkt.“ Das könne man rechtlich immer argumentieren.

Der Bund habe vorher auch „eine Ausgangssperre“ gemacht. Darüber werde noch gestritten werden, ob der Bund überhaupt die Kompetenz dazu gehabt habe. „Plötzlich macht das ein SPÖ-Politiker im Burgenland, ist es das Drama. Wenn das in Niederösterreich passiert am Schotterteich, ist das wurscht“, so Doskozil.

Erst mit Erfolg wieder Ruhe in SPÖ

Angesprochen auf die Lage in der Bundes-SPÖ meinte Doskozil, er erwarte, dass die Turbulenzen erst wirklich überwunden sein würden, wenn sich der Erfolg wieder einstelle. Das sehe man auch bei anderen Parteien. In der FPÖ sei „nicht alles eitel Wonne“ und in der ÖVP habe man sich unter Reinhold Mitterlehner als Parteichef „beflegelt auf menschlich tiefstem Niveau“. So weit sei es in der SPÖ nicht. „Wir diskutieren wenigstens inhaltlich, 30-Stunden-Woche versus Mindestlohn beispielsweise“, betonte Doskozil. Die SPÖ sei eine „stolze Partei“, die Mitglieder hätten einen gewissen Erfolgsanspruch. „Und der Erfolgsanspruch wird mit 17 Prozent in den Umfragen nicht zufriedengestellt.“

In solchen Situationen gelte es, Führungsqualität zu beweisen. In Hinblick auf die von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner angesprochenen „destruktiven Kräfte“ in der SPÖ betonte Doskozil, dass es Strömungen gebe, die andere Meinungen vertreten. „Aber die Unterscheidung zwischen Destruktivität und Unzufriedenheit – berechtigter und unberechtigter Unzufriedenheit – das ist eine schmale Gratwanderung.“ Auch er selbst habe schon viel Kritik hinnehmen müssen. „Aber ich glaube, ich habe noch niemandem, der mich kritisiert, mit Parteiausschluss gedroht“, sagte er.

Wohbaugesellschaften: Doskozil hofft auf Gericht

Laut einem aktuellen Prüfbericht des Landesrechnungshofs soll es beim Verfahren zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei den Wohnbaugesellschaften Pannonia, Riedenhof und Gesfö Unregelmäßigkeiten gegeben haben, weil die Liegenschaften viel zu niedrig bewertet worden waren – mehr dazu in BLRH: Land soll um 120 Mio. Euro umgefallen sein und Tojner sieht sich durch BLRH-Bericht bestätigt.

Doskozil meinte dazu: „Mich persönlich stört das auf jeden Fall, dass so etwas möglich ist, dass das passieren kann.“ Die größtmögliche Aufklärung liefere man derzeit aber mit der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. „Wir sind guter Hoffnung, dass es ehebaldigst zu einer Anklage kommt. Die tatsächliche Aufarbeitung des Falles, die Bereinigung und die Richtigstellung, die Schadenswiedergutmachung, die findet gerichtlich statt.“

50er-Feier „Gott sei Dank abgesagt“

Aufgrund der Coronavirus-Krise muss Doskozil nicht nur seine geplante Hochzeit auf das nächste Jahr verschieben, sondern auch auf eine große Feier zu seinem 50. Geburtstag am 21. Juni verzichten. Über Letzteres ist er gar nicht unglücklich: „Die ist Gott sei Dank abgesagt. Ich bin froh, muss ich ehrlich sagen, weil ich diese persönlichen Feiern nicht mag. Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben Geburtstag gefeiert. Vielleicht als Kind, das weiß ich nicht.“

Schwarz: Doskozil offenbar nur Intrigen im Kopf

Doskozil habe offenbar nur Intrigen gegen die eigene Obfrau und die Bundesregierung im Kopf, sagte die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin, Gaby Schwarz als Reaktion auf das Interview. Das sei der alte Polit-Stil, wo man immer wieder hinhaue, nur um medial aufzufallen. Für die Volkspartei sei ein solches Politikverständnis nicht nachvollziehbar. Doskozil habe anscheinend nicht mit dem positiven Ergebnis für Parteichefin Rendi-Wagner bei der Mitgliederbefragung gerechnet und sei deswegen frustriert, so Schwarz.