Neusiedler See
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Coronavirus

Verfassungsjurist: „Seeverordnung unzulässig“

Verfassungsrechtler Heinz Mayer hält die aktuellen Zutrittsbeschränkungen in Seebädern am Neusiedler See aufgrund des Coronavirus für unzulässig. Es handle sich dabei um eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Diese sei im Sinne des Gesundheitsschutzes zwar möglich, die Beschränkung nach dem Wohnsitz sei aber „unsachlich“.

Das habe „mit Gesundheitsschutz nichts zu tun“, sagte Verfassungsjurist Mayer am Freitag gegenüber der APA. „Es wäre möglich, die Zahl der Personen, die eingelassen werden, zu beschränken oder die Seebäder ganz zu sperren“, betonte Mayer. Dass nur Menschen, die in einem Umkreis von 15 Kilometern wohnen, die Seebäder betreten dürfen und damit Gruppen aufgrund ihres Wohnsitzes ausgeschlossen werden, halte er allerdings nicht für verfassungskonform.

Das Abstellen auf den Wohnsitz als Kriterium sei unsachlich. „Es könnte immerhin auch sein, dass Ortsansässige nicht in die Seebäder wollen und Menschen, die weiter weg wohnen, wollen, dürfen aber nicht.“

Fürst: Kein Verständnis für Reaktionen

„Wir befinden uns noch immer inmitten der Pandemie. Daher fehlt uns jegliches Verständnis für die überzogenen medialen und politischen Reaktionen auf die Verordnung", so SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst in einer Aussendung Freitagabend. Verwundert zeigte sich Fürst über die Kritik der ÖVP Burgenland: „Wo doch gerade die ÖVP Bürgermeisterin von Podersdorf Michael Wohlfahrt über Probleme mit Besuchern geklagt hat und die Verordnung begrüßt, wie viele andere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von Seegemeinden.“ Die SPÖ gehe davon aus, dass sich die Verordnung mit den Empfehlungen der Bundesregierung decke. Sie sei von Juristen des Landes ausgearbeitet worden.

Als „kurios“ bezeichnete Fürst die Kritik von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und den Grünen, dass die Verordnung „überschießend“ sei: „Die Bundesregierung hat im Stundentakt Verordnungen erlassen, die ganz massiv auf das Leben der Menschen Auswirkungen haben. Und jetzt stößt sich der Vizekanzker an einer temporären Verordnung, die in zwei Wochen wieder ausläuft, das ist scheinheilig und unangebracht.“ Man gehe davon aus, dass sich die Verordnung mit den Empfehlungen der Bundesregierung decke, konkret mit den Empfehlungen des Gesundheitsministers, die eigenen vier Wände nur mit gutem Grund zu verlassen.

Keine Kritik von Ludwig

Kritik aus Wien an der Sperrzone am „Meer der Wiener“ bleibt aus. Für Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist die Verordnung seiner Parteikollegen nur ein kurzfristiges Problem: „Mir ist wichtig, dass das immer temporär ist und beschränkt bleibt auf die Zeit, solange das Coronavirus einzudämmen ist. Aber ich höre aus dem Burgenland, dass es ab Ende April wieder geändert werden soll.“ Für die Wienerinnen und Wiener sei vielmehr wichtig, „dass wir alle Möglichkeiten an Freiflächen in unserer Stadt ausschöpfen“ – mehr dazu in Sperrzone Neusiedler See: Keine Kritik von Ludwig.

Vizekanzler Kogler skeptisch

Skeptisch hatte sich am Freitag auch Vizekanzler Kogler gezeigt: „Es wäre gut, wenn wir bei vergleichbaren Lebensbereichen in Österreich einheitlich vorgehen.“ Schließlich gebe es auch in Kärnten Badeseen: „Und es hat sich mir noch nicht erschlossen, dass sich das Coronavirus in Burgenland anders verhalten sollte als in Kärnten.“ Als überschießend und überhastet bezeichneten die Grünen Burgenland die Maßnahmen. Die vorgeschriebenen Verhaltensregeln der Bundesregierung würden ausreichen.

NEOS forderte Doskozil auf, die Zutrittsbeschränkungen sofort zurückzunehmen. „Diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit ist ganz klar verfassungswidrig“, so der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak. Auch bei NEOS Burgenland stößt die Zugangsbeschränkung auf große Skepsis.

Ulram: Verordnung ist nicht exekutierbar

„Die veröffentlichte Verordnung ist weder praktikabel noch exekutierbar“, kritisierte ÖVP-Klubobmann Markus Ulram am Freitag in einer Aussendung. Die Verordnung müsse rasch überarbeitet werden, so Ulram: „Das ist ein fragwürdiger Vorschlag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und in der Praxis kaum zu kontrollieren. Es braucht jetzt eine rasche Klarstellung und Überarbeitung dieser Verordnung.“

Tourismus Burgenland: Menschenleben schützen

Weniger kritisch sieht man die Maßnahme hingegen bei der Tourismus Burgenland GmbH. Man gehe davon aus, dass die Verordnung sich mit der Empfehlung des Bundesministeriums decke, sagte Geschäftsführer Hannes Anton gegenüber der APA. „Es geht einzig und allein darum, Menschenleben zu schützen und die Ausbreitung des Virus in den Griff zu bekommen. Umso schneller uns das gelingt, umso schneller werden wir auch wieder ein normales Leben führen können“, betonte er.

Podersdorf: Bekämpfung des Coronavirus im Vordergrund

Auch für Michaela Wohlfart, ÖVP-Bürgermeisterin von Podersdorf, steht die Bekämpfung des Coronavirus im Vordergrund – auch wenn man sich als Tourismusgemeinde „grundsätzlich über jeden Gast“ freue, betonte sie gegenüber der APA. Jeder dürfe in seiner näheren Umgebung spazieren gehen und Sport treiben. Sich ins Auto zu setzen und das im Nordburgenland zu tun, sei nicht notwendig. „Niemand soll das persönlich nehmen oder sich ausgegrenzt fühlen“, sagte Wohlfart.

Sommerfest Podersdorf  Sonnenuntergang am Neusiedler See
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Polizei kontrolliert Zutrittsbeschränkungen

Die Einhaltung der Zutrittsbeschränkungen für Seebäder am Neusiedler See wird von der Polizei kontrolliert, teilte Brigitte Novosel vom burgenländischen Koordinationsstab Coronavirus am Freitag auf APA-Anfrage mit. Es seien allerdings keine verstärkten Kontrollen angeordnet. Die Polizei werde die Aufgabe im Rahmen der generellen Überwachung der CoV-Maßnahmen übernehmen. Die 15-Kilometer-Regelung werde von der Stelle aus gemessen, an der die Person angetroffen wurde. Der Wohnsitz oder Nebenwohnsitz dürfe nicht mehr als 15 Kilometer Luftlinie von diesem Standort entfernt sein. Wo eine Person ihren Wohnsitz habe, werde über das Geografische Informationssystem (GIS) kontrolliert. „Man muss natürlich keinen Meldezettel mithaben“, betonte Novosel.

„Kontrollierte Öffnung des Sees“

Generell bitte man die Bevölkerung um Verständnis. Es gehe bei der Verordnung um eine „kontrollierte Öffnung des Sees“. In Zeiten der Coronavirus-Krise solle verhindert werden, dass zu viele Menschen in Seebädern zusammentreffen. In nächsten Schritten werde der Zutritt dann wieder erweitert. Die Verordnung, die den Zutritt zu Seebädern auf Fischer, Seehüttenbesitzer und Menschen, die im Umkreis von 15 Kilometern wohnen, beschränkt, gelte vorerst 14 Tage.