Verfassungsgerichtshof in Wien
APA/Herbert Neubauer
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Medien

Zusammensetzung der ORF-Gremien teils rechtswidrig

Die Regelung zur Zusammensetzung des ORF-Stiftungs- und Publikumsrates ist laut Verfassungsgerichtshof (VfGH) teils verfassungswidrig. Der übermäßige Einfluss der Regierung bei der Besetzung der ORF-Gremien wird als problematisch bewertet.

In dem am Dienstag veröffentlichten Erkenntnis ortet das Höchstgericht „Verstöße gegen das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebot“ nach dem Bundesverfassungsgesetz Rundfunk. Das ORF-Gesetz muss bis März 2025 repariert werden. Das Land Burgenland hatte den Anstoß zu der VfGH-Prüfung gegeben, weil es Beschwerde erhoben hatte – mehr dazu in VfGH behandelt Landesbeschwerde zu ORF. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) werte die VfGH-Entscheidung als „großen demokratiepolitischen Erfolg und historische Chance für die Medienlandschaft in Österreich“, betonte er in einer ersten Reaktion.

VfGH: Übergewicht der Regierung bei Nominierung

Im Gegensatz zu den im Parlament vertretenen Parteien und dem Publikumsrat, die je sechs Stiftungsratsmitglieder bestellen, zeichnet die Regierung für die Nominierung von neun Räten verantwortlich. „Bei diesen Mitgliedern handelt es sich um eine relativ große Gruppe, die ein deutliches Übergewicht zu den vom (gesellschaftlich repräsentativ zusammengesetzten und staatsfernen) Publikumsrat bestellten sechs Mitgliedern hat. Das verstößt gegen die Verfassungsgebote der Unabhängigkeit und des Pluralismus bei der Bestellung und Zusammensetzung der Leitungsorgane des ORF“, heißt es in der Erkenntnis.

Ebenso stößt man sich an der vorzeitigen Abberufungsmöglichkeit von Mitgliedern nach Wahlen. Einzig die sechs Parteienvertreter und die fünf Belegschaftsvertreter im Stiftungsrat sind davon ausgenommen.

Publikumsrat: „Gebote der Unabhängigkeit“ verletzt

Auch an den Bestellungsmodalitäten zum Publikumsrat stößt sich der VfGH. Der Gesetzgeber müsse die Regelung so austarieren, „dass die unmittelbar von repräsentativen Einrichtungen bestellten Mitglieder zumindest im selben Ausmaß im Publikumsrat vertreten sind wie die vom Bundeskanzler (bzw. von der Medienministerin) in Auswahl aus Vorschlägen bestellten Mitglieder.“ Durch die aktuellen Bestimmungen sei der Spielraum des Bundeskanzlers bei der Wahl zu weit: Die Bestellung „der 17 Mitglieder des Publikumsrats“ sei „so weitgehend in das Belieben des Bundeskanzlers (bzw. der Medienministerien) gestellt, dass die verfassungsrechtlichen Gebote der Unabhängigkeit und pluralistischen Zusammensetzung dieses Leitungsorgans des ORF verletzt sind“, heißt es.

Da der VfGH dem Gesetzgeber für eine Reparatur der aufgehobenen Regelungen bis 31. März 2025 Zeit gibt, ändert sich in der operativen Tätigkeit der Gremien vorerst nichts. Auch bisherige Entscheidungen der Gremien sind vom VfGH-Erkenntnis nicht betroffen.

Doskozil: Klarer Auftrag zur Entpolitisierung des ORF

Doskozil sieht im VfGH-Entscheid einen klaren Auftrag zu einer Entpolitisierung des ORF. Rund 60 Jahre nach dem von Hugo Portisch initiierten Rundfunkvolksbegehren müsse der Gesetzgeber jetzt für jenes Maß an politischer Unabhängigkeit sorgen, das die Bundesverfassung eigentlich vorsehe. Er erwarte, dass dieser Reformprozess unter größtmöglicher Transparenz und unter Einbindung aller wesentlichen Akteure des gesellschaftlichen Lebens erfolge, sagte Doskozil: „Wir werden der Bundesregierung dabei weiterhin genau auf die Finger schauen.“

Eingebracht hatte die burgenländische Landesregierung die Beschwerde nach dem Bekanntwerden der „Sideletter“ der früheren und gegenwärtigen Koalitionspartner ÖVP und FPÖ beziehungsweise ÖVP und Grüne zu ORF-Personalbesetzungen.