Verfassungsgerichtshof in Wien
APA/Herbert Neubauer
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Medien

VfGH behandelt Landesbeschwerde zu ORF

Das ORF-Gesetz ist am Dienstag Thema einer öffentlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH). Es geht darum, ob die ORF-Gremien Stiftungsrat und Publikumsrat zu regierungsnah besetzt sind oder nicht. Das Land Burgenland hatte Beschwerde erhoben und eine VfGH-Prüfung beantragt.

Die Beschwerde des Landes beanstandet die Zusammensetzung des Stiftungsrates und des Publikumsrates im ORF. Im Stiftungsrat, dem Aufsichtsgremium des ORF, hat aktuell die ÖVP als Kanzlerpartei die absolute Mehrheit. Die Bundes- und Landesregierungen hätten großen Einfluss bei der Bestellung der Mitglieder, das stehe im Widerspruch zur gebotenen Unabhängigkeit, so der Vorwurf der Beschwerde.

Fragen zur Repräsentation der Zivilgesellschaft

Die Richterinnen und Richter des VfGH hatten am Dienstag zur Klärung der Rechtssache noch Fragen an die Vertreter des Bundeskanzleramts und der burgenländischen Landesregierung. So interessierte sie etwa, wie sich die Repräsentation der Zivilgesellschaft in einem Kollegialorgan sicherstellen lasse, ob es Mechanismen gebe, die sicherstellen, dass eine Bestellung von Stiftungsratsmitgliedern gewissen Kriterien genügt und nach welchen Kriterien entschieden wird, welcher Vorschlag einer Organisation zur Bestellung von Publikumsräten berücksichtigt wird.

Land Burgenland: ORF unter politischem Einfluss

Zunächst kam Florian Philapitsch, Leiter des burgenländischen Verfassungsdienstes, zu Wort. Er brachte vor, dass der ORF unverzichtbar sei, er aber unter politischem Einfluss stehe. Zuletzt hätten an die Öffentlichkeit gelangten „Sideletter“ der türkis-grünen Regierung, die etwa die ORF-Direktorenposten nach Parteien aufteilten, das verdeutlicht.

Philapitsch brachte für die Burgenländische Landesregierung vor, dass der überwiegende Teil der Mitglieder von Stiftungs- und Publikumsrat von der Regierung bestellt werde und es dafür weder ein öffentliches Auswahl- oder Besetzungsverfahren noch die Möglichkeit gebe, Besetzungen einer unabhängigen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Auch würden Regelungen fehlen, welche die Unabhängigkeit und Qualifikation der Mitglieder ausreichend sicherstellen würden. Er schlug eine Besetzung des obersten ORF-Gremiums mit Expertinnen und Experten vor, wobei aber auf Repräsentativität Wert gelegt werden sollte.

Kritik an offener Abstimmung im Stiftungsrat

Zudem bemängelte Philapitsch, dass im Stiftungsrat offen, anstatt geheim abgestimmt werde und beim Publikumsrat jüngst ein Mitglied auf Vorschlag einer Organisation bestellt wurde, die keinen gesetzlich vorgesehenen Dreiervorschlag einbrachte, während eine andere Organisation für den Vertretungsbereich dies sehr wohl tat. „Wir halten die gegenwärtige gesetzliche Ausgestaltung von Stiftungs- und Publikumsrat für verfassungswidrig“, schloss Philapitsch seine Ausführungen.

Bundeskanzleramt betont Weisungsfreiheit

Matthias Traimer vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts konterte die Bedenken etwa damit, dass die Zusammensetzung der ORF-Gremien ein hohes Maß an Pluralität aufweise. „Das System ist jedenfalls verfassungsrechtlich zulässig.“ Das ORF-Gesetz schütze speziell durch die verankerte Weisungsfreiheit die Unabhängigkeit der einzelnen Mitglieder. Auch existiere eine klare Trennung von ORF-Gremien und den redaktionellen Tätigkeiten von Journalisten, deren Unabhängigkeit sichergestellt sei. Einer externen unabhängigen Regulierungsbehörde kommen Kompetenzen zur Wahrung der Unabhängigkeit zu, führte Traimer zudem aus.

Michael Kogler vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts meinte, demokratisch legitimierte Organe wären in besonderer Weise berufen, an der Bestellung von Gremienmitgliedern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mitzuwirken. Das Bestellungsrecht der Länder sei Ausdruck des föderalistischen Elements. Aber die Landesregierungen würden keine geschlossene Gruppe darstellen und verfolgten auch keine gemeinsamen Interessen, sah Kogler keine Gefahr für die Pluralität gegeben. Bei der Bestellung von Publikumsräten durch das Bundeskanzleramt komme es nicht darauf an, ob eine Einrichtung am repräsentativsten sei. Das sei nämlich schwer festzustellen.

Richter interessiert an „Freundeskreisen“

Die Verfassungsrichter interessierte zudem, warum die Tätigkeit im Stiftungsrat ein Ehrenamt sei. Kogler erklärte dies damit, dass somit ausgeschlossen sei, dass Stiftungsräte die Tätigkeit womöglich aus finanziellen Überlegungen ausüben. Auch zu den parteipolitischen „Freundeskreisen“ im Stiftungsrat zeigten sich die Richter interessiert. Kogler verneinte, dass es gesetzlich vorgesehen sei, dass „Freundeskreise“ existieren. Es erleichtere aber die Beschlussfassung im Gremium. Philapitsch meinte, dass allein die Existenz dieser „Freundeskreise“ zeige, dass der parteipolitische Einfluss auf den ORF viel zu groß sei.

Nach circa zwei Stunden wurde die öffentliche Verhandlung beendet. Die anschließende Beratung der Verfassungsrichterinnen und -richter ist nicht öffentlich. Wann über den Fall entschieden wird und ob dies schriftlich oder mündlich im Rahmen eines weiteren öffentlichen Termins geschieht, ist offen.

Doskozil hofft auf „neues und objektives ORF-Gesetz“

Für ihn wäre die ideale Variante, wenn diese Systematik über den Stiftungsrat und Publikumsrat gesetzlich beseitigt würde und man zumindest einmal darüber diskutiere, wie man den ORF auch in der Besetzung der Positionen unabhängig gestalten könne, sagte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) im Vorfeld der Verhandlung über seine Erwartungen an die Beschwerde. Ziel sei es, ein entsprechendes, neues und objektives ORF-Gesetz zu bekommen.

Doskozil selbst bot sich dem VfGH vor einigen Tagen via Zeitungsinterview als Zeuge an – mehr dazu in Doskozil für Aussage zu ORF-Postenbesetzungen bereit. Doch der Landeshauptmann wird nicht aussagen oder geladen sein. Bei der mündlichen Verhandlung gehe es natürlich sehr intensiv um rechtliche Detailfragen, das sei auch legitim und richtig, so Doskozil dazu. Er habe sich dem VfGH als Zeuge angeboten, um auch dem VfGH zu erläutern, wie diese Gesetze in der Praxis angewandt werden. „Vielleicht weiß er das auch schon, wie das passiert“, meinte der Landeshauptmann.

Doskozil: Politik muss komplett heraus

Die Spekulationen, die vor allem in Zeitungen geäußert wurden, dass die Beschwerde damit zu tun habe, dass Doskozil mit seinem Wunschkandidaten als ORF-Landesdirektor nicht durchgekommen sei, bestritt Doskozil im ORF-Burgenland-Interview: „Das ist überhaupt nicht so.“ Er habe schon lange miterlebt, wie das funktioniere, und sei der Meinung, dass die Politik komplett aus dieser Ebene der Einflussnahme herausmüsse. „Und das ist ja tatsächlich eine Einflussnahme, das hat man gesehen auch durch die Kurz-Protokolle, und daher sind wir diesen Weg gegangen“, sagte Doskozil.

FPÖ ortet „Showpolitik“

FPÖ-Landesparteiobmann Alexander Petschnig sieht die Beschwerde des Landes beim Verfassungsgerichtshof in Sachen ORF als „reine Showpolitik“ von Doskozil und kritisiert die Höhe der ORF-Landesabgabe im Burgenland.