Bundeskanzleramt
APA/Herbert Neubauer
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Politik

Kanzleramt wischt Kritik an ORF-Gremien vom Tisch

Vor einem Jahr hat das Land eine Verfassungsbeschwerde gegen Politeinfluss bei der Besetzung von ORF-Stiftungsrat und ORF-Generaldirektion erhoben. Das Bundeskanzleramt hat nun seine Stellungnahme an den Verfassungsgerichtshof formuliert und verteidigt die derzeitige Struktur.

Im Stiftungsrat, dem Aufsichtsgremium des ORF, hat aktuell die ÖVP als Kanzlerpartei die absolute Mehrheit. Die burgenländische Landesregierung hält das für nicht vereinbar mit der Unabhängigkeit des ORF und hat im Vorjahr eine Verfassungsbeschwerde gegen die entsprechenden Passagen im ORF-Gesetz eingebracht – mehr dazu in Doskozil lässt ORF-Gesetz prüfen.

„Keine politische Abhängigkeit“

In einer Stellungnahme, die der Verfassungsdienst des Kanzleramts für ÖVP-Ministerin Edtstadler ausgearbeitet hat, werden alle diese Bedenken vom Tisch gewischt. Grundsätzlich wird die Zulässigkeit der Beschwerde in Abrede gestellt. In der Sache weist das Kanzleramt die Sichtweise zurück, dass die Bestellung von Mitgliedern der ORF-Gremien durch Bundesregierung oder Landesregierungen eine politische Abhängigkeit begründe.

Wäre dem so, dann könnten „nur politisch desinteressierte, vom öffentlichen Leben abgeschottete und daher nicht am demokratischen Leben teilhabende Personen als Mitglieder von unabhängigen Aufsichts- oder Entscheidungsgremien jeglicher Art in Betracht kommen“, heißt es in der Stellungnahme. Selbst wenn man solche „völlig gesinnungslosen Personen finden würde“, wäre wegen der Bestellung durch die Bundesregierung eine Abhängigkeit gegeben, interpretiert der Verfassungsdienst.

Sideletter kein Thema

Auf die dokumentierten Sideletter von ÖVP und FPÖ sowie ÖVP und Grünen zu ORF-Personalfragen wird mit keinem Wort eingegangen. Vielmehr weist das Kanzleramt darauf hin, dass auch Verfassungsrichter von der Bundesregierung vorgeschlagen werden und trotzdem nicht von vornherein als abhängig gelten würden.

Hingewiesen wird auf die Unvereinbarkeitsbestimmungen, die zum Beispiel Politiker bis vier Jahre nach Ausscheiden aus dem Amt und auch Kabinetts-Mitarbeiter im Stiftungsrat ausschließt. Dass es dort aber sehr viele solche Ex-Mitarbeiter mit Partei-Zuordnung gibt, wird nicht erwähnt. Diese leiten die parteinahen Freundeskreise, die der Verfassungsdienst auch als unproblematisch einstuft, es sei „in dem Bestreben, eine möglichst breite Mehrheit in einer Sachfrage für eine anstehende Abstimmung im Stiftungsrat zu finden, jedenfalls keine Verletzung der Unabhängigkeit zu erblicken“

Entscheidung könnte sich verzögern

Wie das bei Personalfragen ist, die immer wieder parteipolitisch konzertiert durchgeboxt werden, darauf wird nicht eingegangen. Auch die nicht geheime Abstimmung in solchen Fällen hält das Kanzleramt für unbedenklich, denn ein Stiftungsrat, der etwa gegen die Linie seines Freundeskreises stimmt, habe ja „keine Abberufung zu befürchten.“ Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in der Sache wurde vor dem Sommer erwartet, also in den nächsten zwei Wochen – dem Vernehmen nach könnte es sich aufgrund vieler anstehender Entscheidungen aber bis in den Herbst ziehen.