Familienstudie von Ulrike Zartler
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Familie

Studie: Familien durch Pandemie unter Druck

Die Wissenschaftlerin und gebürtige Südburgenländerin Ulrike Zartler hat erforscht, wie es Familien in der Pandemie geht. Seit dem ersten Lockdown hat sie 98 Familien begleitet. Damit ist die Kemeterin zu einer der gefragtesten Wissenschaftlerinnen Österreichs geworden.

In Kemeten, inmitten der südburgenländischen Idylle, hat Ulrike Zartler ihre Kindheit und Jugend verbracht. Hierher kommt sie nur mehr um ihre Familie zu besuchen. Heute ist die private und berufliche Heimat von Ulrike Zartler Wien. Vor ihrem Bürofenster am Institut für Soziologie liegen die Votivkirche und die Universität Wien.

Ulrike Zartler ist als Universitätsprofessorin und Studienprogrammleiterin Ansprechperson für rund 3.000 Studierende: „Ich wollte als Kind eigentlich immer Kinderpsychologin werden und habe dann Soziologie studiert und war in einer der ersten Lehrveranstaltungen, die es überhaupt zum Thema Familiensoziologie gegeben hat. Ich bin glückselig in der Lehrveranstaltung gesessen und habe mir gedacht, das ist genau das, was ich immer machen wollte.“

Familienstudie von Ulrike Zartler
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Langzeitstudie mit 98 Familien

Seit zwei Jahren ist die studierte Soziologin und Universitätsprofessorin eine gefragte Expertin. In sämtlichen TV-Formaten gibt sie Auskunft über den Zustand der Familien in Zeiten der Pandemie. Ihre Landzeitstudie „Corona und Familienleben“ beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf Familien und hat auch für Zartler und ihr Forschungsteam überraschende Ergebnisse gebracht.

Forscherin Zartler zur Familienstudie

Forscherin Ulrike Zartler spricht über ihre Familienstudie, bei der sie 98 Familien durch die unterschiedlichsten Phasen der Pandemie begleitet hat.

Auf Verzweiflung folgt Hoffnung

„Am Beginn der Pandemie war die Erschöpfung relativ groß – auch wenn es eine kleine Gruppe gegeben hat, die durchaus die Entschleunigung wahrgenommen hat. Wir haben dann in den Lockdowns eine gewisse Resignation erlebt, durchaus auch Verzweiflung, Angst. Mittlerweile taucht doch so ein kleiner Hoffnungsschimmer auf“, beschreibt Zartler die häufigen Phasen der pandemiegebeutelten Familien. „Überraschend ist, dass die Familien nun seit mittlerweile zwei Jahren diese Situation erleben, und in einem großen Teil eigentlich sehr, sehr gut überstanden haben.“

Mütter, die Heldinnen der Pandemie

In den vergangenen zwei Jahren wurden verschiedene Strategien entwickelt, doch die ewige Konstante heißt „Mama“: „Die Strategien waren ganz unterschiedlich und wurden in den einzelnen Familien ganz verschieden gelebt. Vor allem die Mütter haben versucht, einen ganz großen Teil der Aufgaben zu übernehmen. Sie haben hier sehr viel auf Selbst-Management gesetzt. Das hat einen hohen Preis: Selbstfürsorge, Zeit für sich selbst, um mit der Belastungen umzugehen, kamen zu kurz. Das zeigt sich jetzt in einer sehr großen Erschöpfung und teilweise psychischen Problemen.“

Das stille Leid der Kinder

„Die Kinder haben sich bis zu einem gewissen Grad an die Schulsituation gewöhnt. Das ist eine sehr lange Phase jetzt schon: Zwei Jahre im Leben einer Dreijährigen sind ein Drittel ihres gesamten Lebens. Vieles ist schon zur Normalität geworden. Gleichzeitig haben die Kinder aber sehr, sehr viel verpasst“, so die Wissenschaftlerin über ihr Forschungsprojekt.

Soziales Drumherum nachholen

Kinder werden einiges nachholen müssen, nicht nur schulisch. „Sie haben sich auf viele Dinge gefreut, die nicht stattfinden konnten: Feste, Aufführungen, Schulveranstaltungen. Die Kinder denken jetzt schon immer das Scheitern mit – ‚ich möchte meinen Geburtstag feiern, wenn es geht‘. Die Enttäuschung wird schon immer mitgedacht. Ich denke, es wird notwendig sein, dass die Kinder hier vieles Aufholen – nicht nur den Schulstoff, sondern auch ganz viel, was an sozialem Drumherum gefehlt hat“, so Zartler.

Familienstudie von Ulrike Zartler – Trennung Kinder Scheidung
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Kinder sind Experten ihres Lebens

Die zweifache Mutter legt ihren Forschungsschwerpunkt bis heute auf die Themen Familie, Kinder und Jugend. Als Herausgeberin der Zeitschrift „Familienforschung“ erarbeitet sie für Scheidungskinder eine Ratgeberbroschüre. „Sehr lange war es n der Forschung ja so, wenn man über Kinder was wissen wollte, dann hat man die Eltern gefragt, wie es dem Kind geht. Ich finde, wir müssen direkt mit den Kindern sprechen, weil sie die Expertinnen und Experten für ihr eigenes Leben sind“, so Zartler.