Reingard Gager
ORF/Martin Ganster
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Chronik

Perfider Telefonbetrug mit KI

Eine Pensionistin aus Lockenhaus ist vor einer Woche Opfer einer perfiden Form des „Neffentricks“ geworden. Sie ist sich sicher, am Telefon die Stimme ihrer Tochter gehört zu haben und übergab deswegen eine vermeintliche Kaution. Die Frau glaubt, dass künstliche Intelligenz im Spiel war.

„Ich kenne das Weinen meiner Tochter und ich kenne die Emotionen meiner Tochter und das war für mich meine Tochter“, sagte Reingard Gager über den Telefonanruf, den sie vergangene Woche erhielt, als sie alleine in ihrem Haus in Lockenhaus war. „Es war die Stimme meiner Tochter, bitterlich weinend: ’Mama, Mama, ich habe einen Autounfall“, erzählte Gager. Gleich darauf sei eine angebliche Polizistin am Apparat gewesen, die ihr gesagt habe, dass ein Autounfall passiert sei. Ihre Tochter sei zwar nicht verletzt, habe aber eine Fußgängerin getötet und den Unfallort verlassen.

Neffentrick-Opfer aus Lockenhaus berichtet

Geld für vermeintliche Kaution für Tochter verlangt

Deshalb sei Untersuchungshaft verhängt worden, so die vermeintliche Polizistin, die Gager dann an die vermeintliche Staatsanwaltschaft weiterverband. Um ihre Tochter aus der U-Haft zu bekommen, solle sie in Wien Geld als Kaution hinterlegen. Als die Pensionistin sagte, nicht so viel Bargeld zu haben, hieß es, es würden auch Wertgegenstände akzeptiert.

Reingard Gager
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Reingard Gager wurde unter Druck gesetzt, am Handy zu bleiben

Gager: „1.000-prozentig die Stimme meiner Tochter“

In Wien angekommen, plagten sie Zweifel und sie habe ihrer Gesprächspartnerin gesagt, dass sie in Wien keinem Fremden auf der Straße ihre Wertgegenstände gebe, bevor sie nicht mit ihrer Tochter telefoniert habe. „Kurz darauf war wieder meine Tochter am Apparat, bitterlichst weinend, und hat gesagt: ‚Mama, Mama, ich halte es nicht mehr aus, bitte hol mich da raus. Ich will nichts ins Gefängnis, zahl‘ die Kaution“, erzählte Gager. Es sei 1.000-prozentig die Stimme ihrer Tochter gewesen und dann habe sie sich bestätigt gefühlt, dass tatsächlich ein Unfall passiert sei.

Gager übergab die Wertgegenstände. Bis zuletzt wurde sie unter Druck gesetzt, am Handy zu bleiben und nicht aufzulegen. Der perfide Betrug gelang.

Gerhard Braunschmidt
ORF
Gerhard Braunschmidt leitet das Landeskriminalamt

Polizei: KI-generierte Stimme wäre neu

Im Landeskriminalamt in Eisenstadt kennt man den Fall von Frau Gager. Sollte die Stimme ihrer Tochter tatsächlich über künstliche Intelligenz generiert worden sein, wäre das neu, sagte der Leiter des Landeskriminalamtes, Gerhard Braunschmidt: „Aus unserer Sicht gibt es solche Fälle noch nicht.“ Er habe das auch über das Bundeskriminalamt recherchiert und solche Fälle seien österreichweit noch nicht bekannt, doch die Täter würden laufend ihre Vorgangsweisen ändern und es wäre schon denkbar. Erst kürzlich wies auch das Europäische Verbraucherzentrum darauf hin, dass der Betrug mittels Voice-Cloning zunehme – mehr dazu in science.ORF.at.

Polizei: Rückrufnummer verlangen

Sollte man selbst einen Anruf wie Frau Gager erhalten, sollte man wissen: Polizei und Staatsanwaltschaft würden niemals verbieten, aufzulegen. Auch wenn man verängstigt ist, sollte man eine Rückrufnummer verlangen, riet Braunschmidt. Dann werde man mit großer Wahrscheinlichkeit von den Personen nichts mehr hören. Die Polizei würde in so einem Fall einem Rückruf zustimmen.

Gager will andere warnen

Für Reingard Gager waren die Erlebnisse vor traumatisch. Die Momente der Angst und der Hilflosigkeit kommen auch eine Woche später immer wieder in ihr hoch. Das ist auch der Grund, warum sie sich mit ihrer Geschichte an den ORF wandte. Ihr sei es ganz wichtig, den Mitmenschen ihre Geschichte zu erzählen, damit diese nicht in so eine Situation kämen, „weil das wünsche ich niemanden und die Menschen sollen gewarnt sein.“