Nazi-Aufmarsch
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Chronik

12. März 1938: Zeitzeugen erinnern sich

Am 12. März jährt sich zum 85. Mal der „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland. Unter dem Jubel der österreichischen Bevölkerung marschierten Hitler Truppen ein. Das Ehepaar Pauline und Rudolf Kaiser aus Baumgarten (Bezirk Mattersburg) kann sich noch daran erinnern.

Pauline Kaiser ist 94 Jahre alt, ihr Mann Rudolf 95. Den Einmarsch der Nationalsozialisten erlebten sie als Kinder in Baumgarten und Klingenbach. Beide wuchsen bescheidenen, aber wohlbehütet in einem sozialdemokratischen Umfeld auf. Die burgenländische Bevölkerung begrüßte so wie in ganz Österreich den nationalsozialistischen Umsturz frenetisch.

Rudolf und Pauline Kaiser
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Rudolf und Pauline Kaiser können sich noch gut an die Nazi-Zeit erinnern

Die Nazis setzten gezielt auf eine noch nie da gewesene Propaganda. Vor allem das damals neue Medium Radio spielte eine wichtige Rolle, wie sich Pauline Kaiser erinnert: „Es hat geheißen, Hitler wird sprechen – Hitler wird sprechen, in der Ortschaft wird ein Fenster aufgemacht, dort wird ein Radio hingestellt und die Leute sollen kommen und sollen sich die Hitler-Rede anhören. Meine Eltern, das weiß ich, die waren nicht dort, aber es waren viele. Nicht alle waren dort, aber wirklich viele sind gekommen und haben diese Rede gehört.“

Wirtschaftlichen Aufschwung erhofft

Alte politische Strukturen wurden mit dem Anschluss rasch beseitigt. Vormals illegale Nazis und Opportunisten strebten an die Macht. Oft seien es nicht die hellsten Köpfe im Land gewesen, die Führungspositionen übernahmen, sagt Rudolf Kaiser. Er kann sich an einen Gemeindediener erinnern, der mit der Hakenkreuzfahne durch die Ortschaft marschierte und dann Wirt und Bürgermeister wurde.

Die Menschen erhofften sich 1938 durch die Nationalsozialisten einen wirtschaftlichen Aufschwung. Tatsächlich gelang es, die damals grassierende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Aber der Schein trog. „Mein Vater hat gesagt, niemand hat gewusst, dass wir Brücken bauen, damit er in Polen einmarschieren kann – auf das kann ich mich so gut erinnern“, erzählt Pauline Kaiser. Die Menschen hätten geglaubt, Arbeit zu haben und Geld zu verdienen. 1938 wurde noch gejubelt. Ein Jahr später, mit Beginn des Zweiten Weltkriegs, ging es in den Untergang.

Historiker Achenbach: Österreich machte viele Fehler

Warum in Österreich, die Begeisterung für den Nationalsozialismus von Anfang an so groß war, darauf sagte der Historiker Michael Achenbach am Samstag in „Burgenland heute“, dass der Ständestaat in Österreich nie so wirklich Anerkennung gefunden habe und dass er im Grunde genommen auch eine autoritäre Diktatur gewesen sei. „Eine Regierungsform, die von oben verordnet war und eigentlich auch wirtschaftspolitisch sehr viele Fehler gemacht hat, die dazu geführt haben, dass Österreich wirtschaftlich nie wieder hochgekommen ist in diesem Zeitraum“, so Achenbach im Gespräch mit „Burgenland heute“-Moderator Hannes Auer.

„Es sind sehr viele Österreicher, auch Burgenländer, nach Deutschland gegangen. Dort wurden Arbeitskräfte gesucht und das hieß, die sind dann mit positiven Erfahrungen auch wieder zurückgekommen, haben also praktisch Werbung machen können für den Nationalsozialismus, weil sie gesehen haben, es gibt dort Vollbeschäftigung und ja, es geht ihnen dort besser“. Deutschland habe sehr in die Wirtschaft investiert und es sei auch offensichtlich gewesen, dass es die Kriegswirtschaft war.

Zustimmung im Burgenland war groß

Ob die Zustimmung zum Nationalsozialismus im Burgenland größer oder weniger groß als im übrigen Österreich war, darauf sagte Achenbach: „Da würde ich jetzt eine Hitliste nicht unbedingt aufstellen wollen. Es gibt aber ein interessantes Dokument aus Anfang des Jahres 1938 und aus dem – das ist ein Rundschreiben der burgenländischen Sicherheitsdirektion – aus dem geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt zumindest das Burgenland das nationalsozialistisch politisch aktivste Bundesland ist, dass die meisten Vorfälle dort stattfinden.“

Historiker Michael Achenbach in „Burgenland heute“

Dunst: „So etwas darf nie wieder passieren“

„Heute, in einer Zeit, die vor völlig neuartigen Krisenherausforderungen steht, gilt es nach wie vor, den Anfängen zu wehren“, sagte Landtagspräsidentin Verena Dunst. Mit der Europäischen Union sei eine bewusste Antithese zu Nationalismus, Krieg und Faschismus geschaffen worden, so Dunst.