„Burgenland heute Spezial“ mit Martin Ganster und Raffaela Pint
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„Burgenland heute Spezial“

Covid-19-Schutzimpfung im Fakten-Check

Mit einem „Burgenland heute Spezial“ hat der ORF Burgenland versucht, mehr Klarheit im Zusammenhang mit Fragen rund um die Covid-19-Schutzimpfung zu schaffen. Experten beantworteten die Anfragen der Zuseherinnen und Zuseher.

73,44 Prozent der Burgenländerinnen und Burgenländer haben mit Stand 7. Dezember 2021 ein aktives Impfzertifikat. Das ist Platz eins unter allen österreichischen Bundesländern. Rund 30 Prozent haben auch schon die dritte Impfung erhalten.

Grafik Impfstatus
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Dennoch gibt es zum Thema Impfung noch viele Fragen. Antworten darauf gaben in „Burgenland heute Spezial“ der Impfberater des Landes, Herbert Weltler, der medizinische Direktor der KRAGES, Gerhard Puhr und Kinderarzt Günter Ullreich.

Weltler: Impfung bereitet Körper auf Schlacht vor

Die Impfung schütze zu über 95 Prozent vor einem schweren Krankheitsverlauf, betonte Weltler. Impfungen seien prinzipiell nichts anderes als dass man Erreger in den Körper einbringe. Das Immunsystem, das tagtäglich mit Erregern konfrontiert werde, reagiere dann darauf und könne sich darauf einstellen, dass ein Feind komme. Unser ganzes System kämpfe jeden Tag gegen Viren und Bakterien, im Körper spielten sich wirkliche Schlachten ab, so Weltler: „Und eine Impfung ist nichts anderes als das Vorbereiten.“

Auch die jetzigen verwendeten Impfstoffe seien im Prinzip Totimpfstoffe, erklärte Weltler. Das heiße, inaktivierte Bestandteile oder Erreger werden in den Körper eingebracht. Bei Lebendimpfstoffen würden noch aktive, aber abgeschwächte Viren in den Körper eingebracht.

Weltler: Nur auf Immunsystem setzen wie russisches Roulette

Auf die Frage, ob ein gutes Immunsystem vor einem schweren Verlauf einer Covid-19-Infektion schützen könne und ob daher nicht das Risiko von Nebenwirkungen bei der Impfung größer sei als das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung, antwortete Weltler klar: „Nein, das ist eben nicht so.“ Das sei nichts anderes als russisches Roulette. Das habe damit zu tun, dass dieses Virus neu sei. „Kein Immunsystem auf der ganzen Welt – von jedem Menschen – kannte dieses Virus. Das heißt, es dringt in den Körper ein und unser Immunsystem hat sich nicht darauf vorbereiten können. Das heißt, es ist ein ungezielter Angriff und man weiß nie, wie er ausgeht“, erklärte Weltler.

Impfberater Weltler erzählt von Erfahrungen eines Bekannten

Er habe einen Bekannten, der noch 14 Tage vor seiner Covid-19-Erkrankung bei einem Triathlon mitgelaufen sei und dann auf die Intensivstation gekommen sei, erzählte Weltler. Als er ihn danach getroffen habe, sei er froh gewesen, dass er mit seiner Frau 500 Meter zu Fuß gehen konnte.

Covid-19-Genesner berichtet

Ähnliche Erfahrungen machte auch Günther Csiszar. Er hatte heuer im Februar eine Covid-19-Erkrankung mit einem schweren Verlauf, musste auch intensivmedizinisch behandelt werden und danach noch auf Reha. Er habe nach drei Tagen gar keine Luft mehr bekommen und nur mehr 75 Prozent Sauerstoff gehabt – bei voll aufgedrehter Sauerstoffzufuhr. Er sei dann auf die Intensivstation gekommen und sechs Tage mit Atemmaske beatmet worden.

Günther Csiszar erzählt, wie er sich auf Intensivstation fühlte

Er sei nie in Tiefschlaf versetzt worden, habe aber wahnsinnige Angst gehabt, nicht zu überleben. Er sei danach fünf Wochen zu Hause gewesen und dann auf Reha gekommen. Erst nach zwei, drei Wochen Reha habe er die Atemmaske abnehmen können. Dann sei es bei ihm schnell bergauf gegangen, so Csiszar.

Weltler: Kein anerkannter Impfschaden in Österreich

Die Angst vor Impfschäden ist allgemein verbreitet. Doch Impfberater Weltler stellte fest: „Es gibt bis dato noch keinen anerkannten Impfschaden in Österreich bei dieser Impfung.“ Dass Menschen trotz einer Coronavirus-Erkrankung im Spital landen, erklärt Weltler folgendermaßen: Die Impfung wirke zu zirka 95 Prozent. Wenn sich alle Burgenländerinnen und Burgenländer impfen lassen würden und wir eine 100-prozentige Durchimpfung hätten, dann wären fünf Prozent oder 15.000 Menschen im Burgenland dabei, bei denen die Impfung nicht funktioniert hätte. Diese Menschen würden dann Gefahr laufen, trotz Impfung zu erkranken. Man wisse mittlerweile aber, dass alle Menschen, die trotz Impfung auf den Intensivstationen lägen, Vorerkrankungen hätten und die Impfung damit ein bisschen schwächer gewirkt habe.

Weltler: Aller guten Dinge sind drei

Für die Impfung gelte „aller guten Dinge sind drei“, entweder drei Impfungen oder einmal genesen und zwei Impfungen, so Weltler. Niemand werde aber garantieren, dass es beim dritten Stich bleibe. Das sei wie bei einer Grippe, Viren würden ja mutieren und sich an das menschliche Immunsystem anpassen. Man wisse noch nicht, wie lange dieser dritte Impfschutz anhalte, denn das Virus und die Impfung sei neu. Das sei aber bei anderen Impfungen genauso gewesen. Man könne damit rechnen, dass man immer wieder Auffrischungsimpfungen brauchen werde, so Weltler: „Weil eines ist klar, das Virus bleibt.“

Grafik Situation Spitäler 1. September 2021 bis heute
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Aktuelle Lage in den Spitälern

Mit Impfung weniger Intensivpatienten

Dass die Impfung hilft, zeigen auch die Zahlen der Covid-19-Erkrankten in den burgenländischen Spitälern. So hatte man am Höhepunkt der dritten Welle Anfang April 2021 im Burgenland durchschnittlich rund 120 Neuinfektionen pro Tag. Daraufhin stießen die burgenländischen Intensivstationen an ihre Grenzen: Bis zu 27 Covid-19-Patienten mussten damals behandelt werden. Jetzt in der vierten Welle, die das Burgenland bei einer Durchimpfung von rund 70 Prozent erreicht hat, gab es am Höhepunkt vor etwa zwei Wochen bis zu 320 Infektionen pro Tag – also fast dreimal so viele. Dennoch gebe es nur etwa halb so viele Intensivpatienten wie damals.

Puhr: Halbierung bei Zahl der CoV-Intensivpatienten

Man spüre eine deutliche Erleichterung auf den Intensivstationen, sagte KRAGES-Direktor Puhr. Denn wenn bei den derzeitigen Infektionszahlen, so wie bei den letzten Lockdowns ungefähr 30 Prozent auf Intensivstationen landen würden, dann wären die Krankenhäuser überlastet. Man sei derzeit im Schnitt bei einer Rate von 15 Prozent. Es gebe also eine Halbierung der Zahl der Patienten, die auf Intensivstationen landen.

KRAGES-Direktor Puhr über die Covid-19-Krankheitsverläufe

Die Krankheitsverläufe seien in Einzelfällen immer noch so schwer wie in früheren Wellen. Man habe Ungeimpfte – auch sehr junge Patienten, die keinerlei Vorerkrankungen hätten –, die schwerste Verläufe hätten und daran auch gestorben seien, so Puhr. Insgesamt schütze die Impfung aber auch vor schwereren Verläufen. Man sehe auch, dass multimorbide Patienten – bei denen man früher schon bei der Aufnahme ins Krankenhaus gewusst hätte, dass sie dem Tod geweiht seien – wesentlich besser geschützt seien, nicht auf Intensivstationen landeten und das Krankenhaus auch wesentlich früher verlassen könnten.

Leser über den Zustand der Intensivpatienten

Krankenschwester: Patienten haben Panik

Den Patientinnen und Patienten, die auf die Intensivstation kommen, gehe es sehr schlecht, erklärte Krankenschwester Natascha Leser. Diese kämen meistens ansprechbar, sie bekämen aber kaum Luft und hätten Panik. Sie sähen in Mehrbettzimmern auch, was mit anderen Patienten passiere. Viele würden am Anfang auch nicht tolerieren, hauptsächlich am Bauch zu liegen. Man müsse sie dann beruhigen oder ihnen auch Medikamente geben.

Grafik 7 Tage Inzidenz
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Hohe 7-Tage-Inzidenz bei Kindern

Für viele Eltern ist auch die Impfung von Kindern ein großes Thema. Gerade bei ihnen gab es ja in den vergangenen Wochen einen hohen Anstieg bei der 7-Tage-Inzidenz – was auch damit zusammenhängt, dass die Impfrate in der Gruppe der Fünf- bis Elfjährigen vergleichsweise niedrig ist.

Grafik Gültige Impfzertifikate
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Kinderarzt: Zeit ist reif für Kinderimpfungen

Die Unsicherheit bei Eltern ist aber oft noch groß, wenn es um die Impfung ihrer Kinder geht. Die Zeit sei mittlerweile sehr wohl reif auch für Kinderimpfungen, sagte Kinderarzt Günter Ullreich. Das sei die längste Zeit nicht so gewesen, weil die Kinder weniger stark betroffen gewesen seien und es keine Hinweise gegeben hätte, ob der Impfstoff für Kinder gut verträglich sei.

Ullreich empfiehlt Kinder-Impfung

„Das ist nun anders“, so Ullreich. Es gebe inzwischen 3,5 Millionen geimpfte Kinder, man wisse, dass es gut verträglich und die Impfung sicher sei. Außerdem seien die Kinder mit den Mutationen wie der Delta-Variante sehr wohl auch Überträger und sie seien Leidtragende von Lockdowns und Schulschließungen. Es wäre günstig, die Kinder jetzt doch der Reihe nach durchzuimpfen, um die Infektionsketten und das Lockdown-Geschehen zu bremsen, empfahl Ullreich.

Ullreich: Kinder durch Pandemie schwer belastet

Laut Untersuchungen seien 65 Kinder durch die Pandemie und Maßnahmen wie Schulschließungen und Isolation psychisch schwer belastet, so Ullreich: „Es treten Angststörungen auf, es sind Zwangserkrankungen im Fortschreiten, Depressionen, Aggressionen.“ Man befürchte, dass viele Kinder ihren gesunden Lebensrhythmus gar nicht wieder aufnehmen könnten. Eine positive Grundstimmung im Elternhaus und Geborgenheit, seien das Wichtigste, was Eltern ihren Kindern bieten könnten.