Krankenhaus Eisenstadt
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Chronik

Schwere Vorwürfe gegen Krankenhaus Eisenstadt

Gegen das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt werden schwere Vorwürfe erhoben: Zwei Patienten begingen während eines Aufenthalts in der dortigen Psychiatrie Suizid. Laut den Angehörigen hätte man das verhindern können. Das Krankenhaus weist die Anschuldigungen zurück.

Um Bettenkapazitäten für Covid-19-Patienten freizuhalten, ist der Krankenhausbetrieb in Eisenstadt seit Ausbruch der Pandemie reduziert. Als Folge davon ist die Psychiatrie im Erdgeschoß teilweise gesperrt, nur etwa die Hälfte der Betten ist verfügbar.

Christian Hofmann
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ORF-Reporter Christian Hofmann im Gespräch mit der Gattin des 52-Jährigen

Anfang Mai wurde deshalb ein 52-jähriger Burgenländer nicht in der Psychiatrie aufgenommen, sondern in der Chirurgie im obersten Stock des Krankenhauses. Der Akademiker musste während des Coronavirus-„Lock-down“ zu Hause bleiben und bekam psychische Probleme. Seine Ehefrau hatte ihn ins Spital gebracht, nachdem sich sein Zustand zu Hause zunehmend verschlechtert hatte.

„Es hätte gut gehen können“

Im Eingangsbereich sah sie ihren Mann das letzte Mal, weil zum damaligen Zeitpunkt Besuche im Spital aufgrund der Pandemie verboten waren. Nach sechs Tagen im Krankenhaus und einigen Therapiesitzungen beging der Mann Suizid, er sprang aus dem Fenster. Er war im sechsten Stock in der Chirurgie untergebracht und sprang aus dem Fenster des Krankenzimmers.

„Ich glaube, es hätte anders ablaufen können“

„Ich glaub, dass das auch so ein großer Absturz für ihn war, weil er sehr viel allein gelassen war“, so die Frau im Gespräch mit ORF-Reporter Christian Hofmann. In einem Polizeiprotokoll hat ein behandelter Arzt folgende Aussage getätigt: „Die Krankenhausschwester hat mir mitgeteilt, dass der Patient heute noch eine zweite Visite haben möchte. Wegen zahlreicher dringender Aufgaben in der Abteilung konnte ich den Wunsch nicht erfüllen. (…) Im Nachhinein tut es mir sehr leid, dass ich damals keine Zeit gehabt habe.“

Polizeiprotokoll
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Das Polizeiprotokoll zitiert einen behandelten Arzt

Für die Gattin des Mannes sind diese Aussagen ein Zeichen dafür, dass eine hohe Belastung und ein hoher Stressfaktor im Krankenhaus geherrscht haben dürfte. Auf die Frage, ob sie dem Krankenhaus die Schuld am Tod ihres Mannes geben würde, antwortete die Frau: „Ja, muss ich schon sagen. Ich glaube, es hätte anders ablaufen können. Es hätte gut gehen können. Das war vor allem mein Vertrauen, dass es gut gehen hätte können.“

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.

Martin Wehrschütz, Ärztlicher Leiter des Spitals, sieht den Fall anders. „In diesem speziellen Fall können wir in der internen Aufarbeitung feststellen, dass ein effektiver Fehler unsererseits nicht erkennbar ist. Wir dürfen an dieser Stelle festhalten, dass der Patient eine vollumfassende psychiatrische Behandlung bekommen hat und die lege artis (vorschriftsmäßig, Anm.) erfolgt ist“, so Wehrschütz.

Ermittlungen wegen grob fahrlässiger Tötung

Ob diese Tat in der Psychiatrie genauso passieren hätte können? „Ich denke ja, zumal die psychiatrische Einschätzung – und das ist immer das Entscheidende – einer Selbstgefährdung auch in der Verordnung der Psychiatrie gleich gewesen wäre, wie wenn man irgendwo bei uns im Haus als interdisziplinärer Patient, als Gastpatient aufgenommen ist“, so Wehrschütz.

Martin Wehrschütz und Christian Hofmann
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Martin Wehrschütz im Gespräch mit Christian Hofmann

Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt sieht das anders und ermittelt nun wegen grob fahrlässiger Tötung. Es geht um die Frage, ob die Unterbringung in einer ungesicherten Abteilung im sechsten Stock dem psychischen Zustand des Patienten entsprochen hat. Ein Gutachten soll nun Aufschluss geben.

Suizid nach Zwangseinweisung

Dabei hätte das Krankenhaus sensibilisiert sein müssen: Erst drei Tage vor diesem tragischen Ereignis war es in der psychiatrischen Abteilung zu einem weiteren Fall von Suizid gekommen. Anfang Mai wurde die 33-jährige Clara in die Psychiatrie des Eisenstädter Krankenhauses zwangseingeliefert. Am nächsten Tag hätte sie nach Baden in Niederösterreich verlegt werden sollen, es kam jedoch anders. Die Frau konnte noch am selben Tag unbemerkt die Station und schließlich das Krankenhaus verlassen.

Die Mutter von Clara im Gespräch mit Christian Hofmann

Clara hatte zuvor ihrer Mutter Susanne Weiss noch am Telefon geschildert, dass man sich nicht um sie kümmere, dass sie alleine gelassen werde und man sie nicht ernst nehme. „Ich sag einmal, sie war suizidgefährdet zu diesem Zeitpunkt, offensichtlich stark suizidgefährdet – und dann noch viel mehr durch die ganze Situation dort im Krankenhaus. Und natürlich, die hätten auf meine Tochter aufpassen müssen“, so Weiss, Mutter von Clara.

Tochter abgängig: Mutter nicht informiert

Dass ihre Tochter abgängig war, wurde der Mutter vom Spital nicht mitgeteilt. „Ich bin nicht kontaktiert worden, kein einziges Mal. Es ist dann eine Polizeistreife gekommen und hat mir mitgeteilt, dass meine Tochter tot ist“, so Weiss.

Clara
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„Im gegenständlichen Fall ist es so gewesen, dass diese Patientin eingeschätzt wurde – im Sinne einer fehlenden Selbstgefährdung. Infolgedessen konnte sie sich in ihrer Bewegung diesen Bereich frei aussuchen“, so Wehrschütz, der Ärztliche Leiter des Krankenhauses. Es sei klar kommuniziert worden, in welchem Bereich sich Clara bewegen darf und in welchem nicht, sagte Wehrschütz. „Man muss ganz klar sagen: Gott sei Dank ist die Psychiatrie des 21. Jahrhunderts kein Gefängnis“, so der Ärztliche Leiter des Spitals.

Im Fall von Clara gibt es nun keine weiterführenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Mutter Susanne Weiss schaltete allerdings den Patientenanwalt ein, sie überlegt, auch rechtlich gegen das Krankenhaus vorzugehen.

FPÖ: Hofer fordert mehr Rechte für Patientenanwälte

Am Samstag äußerte sich FPÖ-Burgenland-Chef Norbert Hofer zu den beiden Suiziden. Hofer forderte mehr Rechte und eine bessere personelle Ausstattung für die Patientenanwaltschaft. Im Zuge der Coronakrise seien viele Patienten, die nicht mit dem Virus infiziert waren, aufgrund der restriktiven Maßnahmen der Regierungspolitik zu Schaden gekommen, so Hofer in einer Aussendung. Lob gibt es für das medizinische Personals in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Hofer fordert daher einer finanzielle Belohnung für Gesundheits- und Pflege-Mitarbeiter in der Höhe von 500 Euro.