Elfriede Käsznar
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Chronik

Zeitzeugin erinnert sich an Weltkriegsende

Vor 75 Jahren ist im Burgenland der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen. Die heute 96-jährige Elfriede Käsznar erlebte diese Zeit und den Einmarsch der Roten Armee als junge Mutter in Siegendorf. Sie war wenige Jahre zuvor von Deutschland ins Burgenland übersiedelt.

Elfriede Käsznar wurde 1924 als Elfriede Siegler in Lohr am Main bei Würzburg geboren. Der Krieg und die Liebe zu einem Soldaten aus Österreich brachten die junge Frau aus Franken ins weit entfernte Siegendorf (Bezirk Eisenstadt-Umgebung): „In Polen ist der Krieg angegangen und wie der Krieg dort aus war, sind sie zu uns in Einquartierung gekommen in die Dörfer und da waren sie auch in unserer Ortschaft, viele. Und da war mein Mann dabei. Nach einem Jahr hat ihn die Tante eingeladen und da haben wir uns so richtig kennen gelernt.“

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Kinderfoto von Elfriede Käsznar
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Kinderfoto von Elfriede Käsznar
Josef und Elfriede Käsznar
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Josef und Elfriede Käsznar
Elfriede und Josef Käsznar
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Nach ihrer Heirat übersiedelte Elfriede Käsznar ins Burgenland

Burgenland-Kroatisch als Überraschung

1943 heirateten die beiden. Ehemann Josef musste zurück an die Kriegsfront, Elfriede kam 1944 bei der Schwester ihres Mannes im Gasthaus Korner in Siegendorf unter und traf dort auf unerwartete Verständigungsprobleme, wie sie im Interview erzählte. Sie habe zu ihrer Schwägerin gesagt: „Ich verstehe die Leute nicht“. Diese habe ihr dann geantwortet: „Nein, das kannst du auch nicht, die reden Kroatisch.“ Doch das wollte Elfriede nicht einfach hinnehmen: „Da habe ich mir vorgenommen, das werde ich lernen, dass ich mich verständigen kann. Und das habe ich auch.“

Foto von Siegendorf in  den 1940er-Jahren
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Siegendorf war für die junge Deutsche eine sprachliche Überraschung

Jahre der Ungewissheit

Die damals 20-jährige Deutsche saß mit ihrem kleinen Kind in Siegendorf, während ihr Mann an der Front eingesetzt war. Kurz vor Stalingrad kehrte er um und geriet schließlich in Frankreich in Gefangenschaft. Seine Frau wusste davon nichts. Sie werde nie vergessen, wie sie damals die Vermisstenanzeige bekommen habe, so Elfriede Käsznar. Sie habe nicht gewusst, ob ihr Mann noch lebe oder nicht. Diese Ungewissheit dauerte noch bis 1946, denn keiner der Briefe ihres Mannes erreichte sie.

Durch Baby vor Übergriffen geschützt

Am Ostersonntag 1945 erreichte die Rote Armee Siegendorf. Die Einwohner erwarteten in den Kellern ihr Schicksal. Elfriede war damals schon eine junge Mutter: „Mich haben sie hergerichtet, die Vis-a-vis-Nachbarin hat gesagt, ‚du bist zu jung, die werden dich alle packen‘ und dann hat sie mir einen alten Rock von ihr gebracht und ein schwarzes Kopftuch aufgesetzt. Und dann kommt eine Partie Russen rein in den Keller und schaut, kommt einer zu mir hin, zieht mir hinten das Kopftuch weg und sagt ‚du jung, du nix alte Frau‘, aber ich habe auf der Seite den Pepi gehabt, der war zwei Monate alt, das war mein Glück, dass ich das Kind gehabt habe.“

Elfriede Käsznar mit ihrem Baby
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Elfriede Käsznar mit ihrem Baby

Eine Flucht zu ihrer Familie nach Deutschland war für Elfriede kein Thema: „Wo hätte ich denn hin sollen mit meinem Kind? Ich bin nur lang – mindestens einen Monat – am Abend woanders hingegangen schlafen, weil die Russen auf mich spioniert haben, auf gut Deutsch gesagt.“

Harte Aufbaujahre

1946 kam ihr Mann zurück aus der Gefangenschaft und stand plötzlich vor der Tür. Die beiden begannen, sich gemeinsam ein Leben aufzubauen, kauften ein altes Haus und bauten später ein neues. Josef Käsznar war Tischler und arbeitete in Eisenstadt. Das Geld war knapp.

Altes Foto von Siegendorf
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Nach dem Krieg hatte viele Siegendorfer finanziell zu kämpfen

Sie habe immer wenn ihr Mann bezahlt worden sei, gleich das Geld für die Fahrkarten nach Eisenstadt weggelegt, so Elfriede. Man habe sich „durchgewurschtelt“, so wie 90 Prozent der Bevölkerung in Siegendorf. Mittlerweile lebt Käsznar seit 76 Jahren im Burgenland. Ihre bewegte Geschichte holt sie immer wieder ein. In der Nacht müsse sie oft daran denken, wie sie nach Siegendorf gekommen und wie es weitergegangen sei.

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