Anette Trimmel-Schwenke
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Chronik

1989: Das geblümte Kleid

Anette Trimmel-Schwenke war eine der DDR-Flüchtlinge, die am 19. August 1989 bei St. Margarethen beim Paneuropäischen Picknick nach Österreich flüchteten. In einem blauen, geblümten Kleid lief sie damals Hand in Hand mit ihrem Mann Olaf über die Grenze. Das Kleid hat sie immer noch.

Wir treffen Anette Trimmel-Schwenke im Gedenkpark, der an der burgenländisch-ungarischen Grenze entstanden ist. In den vergangenen 30 Jahren hat sich an diesem Ort viel verändert, nur ihre Gefühle nicht. „Es ist so, als wäre das erst vorgestern gewesen. Der Ort hat was, der wird immer für mich präsent sein“, sagt sie sichtlich bewegt.

Im August 1989 ist die damals 26-Jährige mit ihrem Freund Olaf in Ungarn. Dass sie sich wenig später in allen Zeitungen wieder finden wird, denkt sie nicht. Jenes gemusterte Kleid, das sie am 19. August, an diesem denkwürdigen Tag, trägt, hat sie nie weggeworfen und für das Treffen mit uns extra angezogen.

Anette Trimmel-Schwenke im Gespräch
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Anette Trimmel-Schwenke in dem Kleid, in dem sie am 19. August 1989 nach Österreich flüchtete im Gespräch

Der Knall war eine Sektflasche

Am 19. August kommen die beiden kurz vor 15 Uhr mit einer Gruppe von DDR-Fluchtwilligen zum Tor, das die Grenze zwischen Ungarn und Österreich darstellt. „Dann waren auf einmal drüben Menschen zu sehen, ob das Ungarn oder Österreicher waren, das wussten wir nicht“, erzählt sie. "Und dann hat es plötzlich einen Knall gegeben. Wir dachten, das war’s jetzt. Aber in Wirklichkeit haben sie drüben die Sektflaschen aufgemacht und dann rief einer drüben: „Kommt herüber, ihr seid in Österreich“, so Trimmel-Schwenke.

Zeitungsausschnitt
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Anette Trimmel-Schwenke und ihr damaliger Freund Olaf bei ihrer Flucht

„Es wurde gedrückt und geschoben“

„Das Tor war nicht breit, nur circa fünf Meter, da wurde gedrückt und geschoben und auf einmal waren wir drüben“, erzählt Trimmel-Schwenke. In die Freude mischt sich auch Traurigkeit: „Wir waren ja staatenlos. Da standen wir mit einer Zahnbürste und einem Ausweis. Mehr hatten wir nicht.“

Der Grenzsoldat und der Flüchtling

Bei den Dreharbeiten am Originalschauplatz treffen wir zufällig auch jenen Mann, der damals mit seiner Besonnenheit Blutvergießen vermieden hat. Árpád Bella war Kommandant der ungarischen Grenzsoldaten.

Grenzsoldat trifft Flüchtling nach 30 Jahren
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Der ehemalige Grenzkommandant Árpád Bella und Anette Trimmel-Schwenke vor dem Nachbau des Tors von St. Margarethen

Der Grenzsoldat und die ehemalige DDR-Bürgerin treffen sich zum ersten Mal nach 30 Jahren. Ein berührender Moment, vor allem als sie auch noch ein Foto finden, wo sie gemeinsam zu sehen sind.

Bella und Trimmel-Schwenke 1989
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Anette Trimmel-Schwenke beim Aufdrücken des Tores. Rechts im Bild: der ungarische Grenzkommandant Árpád Bella

Das Tor von St. Margarethen hat Anette Trimmel-Schwenke in ein neues Leben geführt. Sie und Olaf haben später geheiratet und zwei Kinder bekommen.