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Zemaljski arhiv / wikimedia / Glasilo
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Geschichte im Gespräch

Kuriose Staatengebilde und schwere Gefechte

Im Zuge des 100. Geburtstages des Burgenlandes hat der Historiker Michael Schreiber für den ORF Burgenland eine Serie zusammengestellt. Im zweiten Teil geht es um die Friedensverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg, um die Freischärler-Gefechte und um zwei Staaten, die auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes ausgerufen worden sind.

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs stellte sich verstärkt die Frage nach der Zukunft Deutschwestungarns. Noch bevor es zu den Friedensverhandlungen in Paris kam, wollten deutschnationale Kreise – z.B. der „Verein zur Erhaltung des Deutschtums in Ungarn“ – im Verbund mit einigen Sozialdemokraten aus Niederösterreich Tatsachen schaffen. Zu den führenden Köpfen zählten neben Raimund Neunteufel und Arnold Weigert von der „Westungarischen Kanzler“ auch die Sozialdemokraten Viktor Kräftner und Hans Suchard. Ihr Plan war es in Deutsch-Westungarn zunächst die selbstständige „Republik Heinzenland“ auszurufen und sich in einem weiteren Schritt Deutsch-Österreich anzuschließen.

Zu diesem Zweck wurden am 5. Dezember 1918 von Wr. Neustadt aus Waffen über die Grenze nach Deutschwestungarn gebracht. Die gesamte Aktion war allerdings dilettantisch vorbereitet und ausgeführt worden. Es fehlte an Koordination und Information, sodass man in den einzelnen Orten nicht genau wusste, was zu tun war, wenn man sich dem Aufstand anschließen wollte. Weil man die Post- und Telegraphenämter wie auch die Bahnhöfe in die Planungen nicht miteinbezogen hatte, funktionierte die Kommunikation nicht. Im Gegenzug wurden die ungarischen Behörden sofort von den Vorgängen in Kenntnis gesetzt.

Am Folgetag, dem 6. Dezember wurde in Mattersburg die „Republik Heinzenland“ ausgerufen. Dies geschah in völliger Unkenntnis darüber, dass die Aktion im Rest des Landes gescheitert war. Noch in der Nacht wurde in Sopron eine ungarische Einheit unter der Führung von Dezsö Entzbruder zusammengestellt, welche die proklamierte Republik abwürgen sollte. Am Morgen des 7. Dezember wurde Mattersburg umstellt und der „Republik Heinzenland“ ein Ende bereitet.

Sendungshinweis

Radio Burgenland Extra, 28.1.2021, 20.04 Uhr

Zwei Pariser Verträge für Burgenland-Frage

Am 10. September 1919 unterschrieb Staatskanzler Karl Renner im Namen Österreichs den Friedensvertrag von St. Germain. Dies stieß auf Seiten Ungarns auf Widerstand, denn es wollte die Abtretung des Burgenlandes nicht hinnehmen. Letztendlich musste aber auch Ungarn am 4. Juni 1920 im Vertrag von Trianon die Abtretung – damals noch inklusive Soprons – hinnehmen.

Umkämpfte Grenzziehung

Nachdem Deutschwestungarn Österreich zugesprochen worden war, tauchten im heutigen Burgenland nach und nach sechs Freischärlerkorps auf, die die Angliederung mit Waffengewalt verhindern wollten. Die Truppen rekrutierten sich nicht aus Deutsch-Westungarn, sondern kamen aus Innerungarn und bestanden aus einer abenteuerlichen Mischung von arbeitslosen Militärs, nationalistischen Studenten und Flüchtlingen aus allen möglichen, von Ungarn abgefallenen Gebieten, die allerdings sehr gut bewaffnet waren.

Österreich war von den Vorgängen unterrichtet und wandte sich an die Großmächte um Hilfe, doch weder Briten noch Italiener oder Franzosen wollten sich dieser Frage annehmen. Nachdem klar war, dass sich Österreich in dieser Frage keine Hilfe zu erwarten hatte, wurden im Frühjahr 1921 Befehle an das Bundesheer ausgegeben einige Bataillone bereit zu halten. Zu einem Eingreifen des Bundesheeres kam es allerdings nicht, denn auf Anordnung der Entente-Kommission sollten statt des Militärs am 28. August die Beamte der Zollwache und Gendarmerie die Besetzung des Burgenlandes vornehmen. Begleitet von Offizieren der Entente, die die Übergabe überwachen sollten, überschritten elf österreichische Kolonnen die ungarische Grenze und sollten bis zum Folgetag die festgelegte Ostgrenze des Burgenlandes erreichen.

Heftige Gefechte mit ungarischen Freischärlern

Während es im Nordburgenland weitestgehend ruhig blieb, stießen die Österreicher im Soproner Vorort Agfalva und im Südburgenland auf heftigen Widerstand und wurden von Pinkafeld bis Mogersdorf in Gefechte verwickelt. Die mitgereisten Entete-Offiziere konnten nur dazu raten, sich wieder hinter die österreichische Grenze zurückzuziehen, was letztlich auch geschah. Die ungarische Regierung gab sich gegenüber den Entwicklungen natürlich machtlos, verabsäumte es aber nicht den österreichischen Bundeskanzler Johannes Schober als Lösung des Konfliktes den Verzicht auf Sopron vorzuschlagen. Damit war der erste Versuch einer Landnahme gescheitert.

In den Folgetagen kam es noch zu heftigen Gefechten. Am 5. September überfielen Freischärler Gendarmeriebeamte in Deutsch Gerisdorf, Pilgersdorf und Bubendorf. Dies alarmierte die in Kirchschlag stationierten Einheiten des Bundesheeres, das den Grenzschutz in diesem Gebiet übernommen hatte. Sie marschierten vor in Richtung Pilgersdorf und gerieten in heftige Feuergefechte, wobei es den Freischärlern gelang, sich bis zum Ortsrand von Kirchschlag vorzukämpfen. Das Gefecht endete gegen 13.00 Uhr mit zahlreichen Toten und Verwundeten. Anstatt den sich zurückziehenden Freischärlern nachzusetzen blieb das Bundesheer in Kirchschlag stehen, womit wahrscheinlich ein größerer Konflikt mit dem Ungarischen Militär verhindert wurde.

Wenige Tage später, am 8. September, kam es zu einem großen Angriff auf die in Agfalva liegenden österreichischen Gendarmen, die sich in heftige Gefechte verwickelt, zurückziehen mussten. Letztlich wurde von der österreichischen Regierung entschieden, dass alle österreichischen Gendarmerieposten auf burgenländischem Gebiet geräumt werden sollten, was am 10. September geschah. Das letzte größere Gefecht ereignete sich am 24. September 1921, als Freischärler Bruck an der Leitha überfielen und dabei sogar auf österreichischen Boden vordrangen. Erst herankommende Verstärkungen konnten die Freischärler schließlich wieder über die Grenze zurückdrängen. In der Zwischenzeit sahen sich auch die Entente-Mächte gezwungen, Ungarn in dieser Hinsicht zu ermahnen, worauf Ungarn am 3. Oktober seine regulären Verbände aus dem Burgenland abzog.

Ugarski Freischärleri su ulovljenimi austrijanskimi žandari u Željeznu
Gradišćanski zemaljski arhiv
Freischärler mit den Gendarmen

Oberwart wird Hauptstadt des Staates „Leithabanats“

Nachdem ungarische Freischärlercorps den ersten österreichischen Versuch der Landnahme im Spätsommer 1921 verhindert hatten und die regulären Truppen Ungarns am 4. Oktober 1921 das Burgenland räumten, riefen die Freischärler unter Pál Prónay in der neuen Hauptstadt Oberwart den Staat „Leithabanat“ aus. Die Idee, die hinter dieser Aktion stand, war es eine pro-ungarische Volksabstimmung abzuhalten und das Gebiet an Ungarn wiederanzugliedern. Budapest ließ die Freischärler stillschweigend gewähren, obwohl klar war, dass dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt war. Allerdings erhoffte man sich in Budapest dadurch Zeit zu gewinnen und eventuell einen Kompromiss mit Österreich zu erzielen.

Pál Pórnay, Ivan Hejjas i poštanske marke Lajtanskoga Banata
wikimedia commons

Der neue Staat versuchte alles um sich also solcher Legitimität zu verschafften. So gab es neben einer eigenen Fahne sogar eigene Briefmarken. Bald zeigte sich aber, dass nicht einmal zwischen den einzelnen Freischärler-Verbände aufgrund politischer Divergenzen und dem Konkurrenzverhalten der einzelnen Verbände Konsens herrschte. Lediglich die im Süden operierenden Verbände standen geschlossen hinter Prónay. In der zunehmend aussichtslosen Lage erwog Prónay sogar gegen Wien zu marschieren und einer, ihnen freundlich gesinnten Regierung ins Amt zu helfen. Am 4. November bereitete Ungarn dem Leithabanat schließlich ein Ende, sodass die Freischärler am 10. November 1921 das Gebiet des heutigen Burgenlandes räumen mussten.

„100 Jahre Burgenland“ im ORF Burgenland

Auch die Volksgruppenredaktion des ORF Burgenland widmet sich ein Jahr lang dem Jubiläum „100 Jahre Burgenland“. In 50 Hörfunk-Beiträgen, die jeden Montag um 18.15 Uhr in kroatischer Sprache auf Radio Burgenland zu hören sein werden, erzählt Schreiber die Geschichte des Burgenlandes beginnend mit den ersten Eingliederungsideen und dem Nikitscher Aufstand bis hin zur Rolle der Esterházys – mehr dazu in Ideja priključenja i Fileška buna.

In Anlehnung an die wöchentliche Serie in der Volksgruppen-Kultursendung, startet am Donnerstag in „Radio Burgenland Extra“ eine 13-teilige Radio-Gesprächsreihe mit Historiker Michael Schreiber in deutscher Sprache. Unter dem Titel „100 Jahre Burgenland – Geschichte im Gespräch“ führt Kulturredakteurin Bettina Treiber Interviews mit dem 32-jährigen Historiker aus Nikitsch zur Geschichte des Burgenlandes. Die 13-teilige Gesprächsreihe wird jeden letzten Donnerstag im Monat um 20:04 Uhr in Radio Burgenland Extra ausgestrahlt. Mehr dazu in „100 Jahre Burgenland“ im ORF Burgenland.