Foto von Schattendorf aus dem Gendasrmerieakt
Landesarchiv
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„100 Jahre – 100 Plätze“

Die Schüsse von Schattendorf

Das Burgenland war auch immer wieder Schauplatz markanter historischer Ereignisse, die weit über die Landesgrenzen hinauswirkten. Die Schüsse von Schattendorf 1927 und der darauffolgende Brand des Justizpalasts waren ein Wendepunkt der Ersten Republik.

Auf der Hauptstraße in Schattendorf nahm am 30. Jänner 1927 die Tragödie ihren Lauf. Bei einer Versammlung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei schossen Männer der Frontkämpfervereinigung in die Menge. Der Kriegsinvalide Matthias Csmarits aus Klingenbach und der erst sechsjährige Schattendorfer Josef Grössing starben, fünf weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Geschossen wurde damals aus dem Gasthaus Tscharmann auf die gegenüberliegende Straßenseite.

Fotostrecke mit 6 Bildern

Altes Foto von Schattendorf mit einer Rekonstruktion der Schüsse aus den Gendarmie
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Tatortfoto
Josef Grössing
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Der sechsjährige Josef Grössing wurde erschossen
Altes Foto des Begräbnisses von Josef Grössing
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Foto des Begräbnisses von Josef Grössing
Schlagzeile über den Freispruch der Täter von Schattendorf
Archiv
Schlagzeile nach der Urteilsverkündung des Prozesses gegen die Schützen von Schattendorf
Justizpalast
Innenministerium
Der Justizpalast brannte bei den Tumulten nach der Urteilsverkündung
Ausstellung in Schattendorf
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Dauerausstellung über die Ereignisse in Schattendorf

Ostermayer: Ereignisse wurden im Ort lange verdrängt

Der ehemalige Bundesminister Josef Ostermayer ist der Großneffe des ermordeten Buben Josef Grössing. In Schattendorf habe man eigentlich jahrzehntelang versucht, nicht über die Schüsse von 1927 zu reden, „es in Wahrheit zu verdrängen“, so Ostermayer. Das habe auch damit zu tun gehabt, dass Nachfahren der Opfer und der Täter in Schattendorf lebten oder zum Teil noch immer leben. „Man hat nur nicht bedacht, dass man ein Ereignis, das österreichweit Wirkung hat, natürlich nicht verdrängen kann“, meinte Ostermayer.

Josef Ostermayer hört sich eine Tonbandaufnahme seiner Großmutter an
ORF
Josef Ostermayer hört sich ein Tonband mit den Erinnerungen seiner Großmutter an

„Zur falschen Zeit am falschen Ort“

Ostermayers Großmutter war die Schwester des ermordeten Buben. Die Ereignisse traumatisierten sie ihr Leben lang. Er habe lange Jahre versucht, mit seiner Großmutter darüber zu sprechen und es sei ihm dann tatsächlich einmal gelungen, dass sie ihm erzählte, wie sie diesen schrecklichen Moment in der Familie damals als 13-, 14-jähriges Mädchen erlebt hatte. Josef Grössing wurde zehn Tage vor seinem siebenten Geburtstag zu Grabe getragen. Tausende Menschen kamen zu dem Begräbnis. Er war so wie andere Kinder auch nur aus Neugierde bei der Versammlung der Arbeiterpartei gewesen. „Man hat gehört, dass im Dorf irgendwelche ungewöhnlichen Vorfälle sind und war dann zur falschen Zeit am falschen Ort“, so Ostermayer.

Nach Freisprüchen brannte Justizpalast

Im Juli 1927 wurde den Todesschützen in Wien der Prozess gemacht. Sie wurden aber freigesprochen. Daraufhin kam es zu massiven Tumulten und einem blutigen Aufstand, der Wiener Justizpalast wurde in Brand gesetzt. Bei den Auseinandersetzungen kamen 89 Menschen ums Leben. In Schattendorf erinnert heute eine Dauerausstellung an die verhängnisvollen Geschehnisse, die in dem Dorf ihren Lauf nahmen. „Wir können die Ereignisse nicht rückgängig machen, aber ich glaube, es ist unsere Aufgabe, dass wir aus diesen Ereignissen und auch aus den folgenden Ereignissen lernen – nämlich dass Gewalt wiederum zu Gewalt führt und man dann andere Wege einschlagen muss, um aus dieser Gewaltspirale herauszukommen“, sagte Ostermayer.

Sendungshinweis

„100 Jahre – 100 Plätze“, 28.1.2021, ORF 2 Burgenland

Die Schüsse von Schattendorf und der Brand des Justizpalasts waren tragische Meilensteine der Ersten Republik. Die Demokratie geriet ins Wanken und wenige Jahre später, im Jahr 1934, übernahmen die Austrofaschisten die Macht und Österreich wurde zur Diktatur.