Folsäure: „Star“ am Vitamin-Himmel

Vitamin A und C, Magnesium und Calcium - von vielen Vitaminen und Mineralstoffen wissen wir, dass wir sie brauchen. Unbekannt hingegen ist, dass vermutlich jeder von uns an einem Folsäure-Mangel leidet. Dabei ist sie der „Star“ am Vitamin-Himmel.

Die Angst vor einem Vitaminmangel ist weit verbreitet, wird uns doch von Seiten der Ernährungswissenschaft und der Medizin ständig eingeschärft, wie wichtig eine ausreichende Vitaminversorgung für unsere Gesundheit ist.

Vor allem dem Vitamin C wird dabei besonders Augenmerk geschenkt, doch bei einer ausgewogenen Ernährung kann es praktisch zu keinem Vitaminmangel kommen. Ein Vitamin gibt es aber, von dem mittlerweile bekannt ist, dass vermutlich jeder Mitteleuropäer an einer Mangelversorgung in Sachen Folsäure leidet.

Spinat

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Die Folsäure wurde im Spinat entdeckt

Folsäure, das „ Blattvitamin“

Erstmals wurde die Folsäure in den 1930er-Jahren als neuer Wirkstoff gegen Anämie aus Leber, Hefe und Spinat isoliert. Lange Zeit schenkte man dem Stoff keine große Aufmerksamkeit. Erst später erkannte man, dass es sich um einen für den Menschen essentiell notwendigen Stoff handelt, weshalb man es dann zu den Vitaminen zählte.

Den Namen bekam das Vitamin 1941, da es aus Spinatblättern isoliert wurde und von lat. „folium“ - „Blatt“ wurde die Folsäure abgeleitet. Man ging aber davon aus, das es zu keiner Unterversorgung kommen kann, da das Vitamin auch im Körper durch Darmbakterien gebildet werden kann.

Heute weiß man, dass dieser Beitrag zur täglichen Versorgung von untergeordneter Bedeutung ist. Im Übrigen gilt heute die Folsäure - eigentlich eine Reihe von Verbindungen, die Folate genannt werden - als neuer Star am Vitamin-Himmel, als große Hoffnung der Ärzte - vor allem der Frauenärzte, Altersforscher und Kardiologen. Sie sagen, die Folsäure sei eines unserer wichtigsten Vitamine überhaupt.

Warum Folsäure so wichtig ist

Die Folsäure spielt eine Schlüsselstelle bei lebenswichtigen Vorgängen in unserem Körper, da sie für alle Wachstums- und Entwicklungsprozesse notwendig ist. Der Körper benötigt die Folsäure für die Zellteilung und Zellneubildung. Folsäure ist der „Macher“ beim Aufbau von Zellkerneiweiß.

Folsäure brauchen wir vor allem für Zellsysteme mit hoher Teilungsrate wie rote und weiße Blutkörperchen, die Schleimhaut der Darmes und des Urogenitaltraktes. Das heißt, sie ist essentiell für die Synthese von DNS und RNS, die Grundlagen der Vererbung sind und genetische Informationen in jede Zelle tragen.

Folsäure für gesunde Babys

Da Folsäure so wichtig für die Erbinformation ist, ist sie vor allem in der Frühschwangerschaft für die Entwicklung des Embryos von großer Bedeutung. Internationale Studien belegen, dass eine ausreichende Folsäureversorgung in der Frühschwangerschaft das Risiko von so genannten Neuralrohrdefekten wie Spina bifida, im Volksmund „offener Rücken“, verringert werden kann. Auch Lippen – und Gaumenspalten können die Folge von Folsäuremangel sein.

In Mitteleuropa kommt noch immer auf 1.000 Neugeborene ein Kind mit Neuralrohrdefekt. Aus diesem Grund sollten Frauen im gebärfähigen Alter eine optimale Folsäureversorgung sicherstellen. Im ersten und dritten Trimenon (Drittel) der Schwangerschaft sollte vielleicht sogar - natürlich unter Rücksprache mit dem Arzt - auf Folsäurepräparate zurückgegriffen werden. Vor allem bei Neigung zu Fehl- und Frühgeburten kann Folsäure therapeutisch gegeben werden.

Babyhand

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Folsäuremangel erhöht das Infarktrisiko

Im Mittelpunkt der neuen Folsäure- Forschung steht jetzt Homocystein- eine schwefelhaltige Aminosäure. Dieser Eiweißbaustein wird im Gegensatz zum Cholesterin, das auch über die Nahrung aufgenommen werden kann, ausschließlich vom eigenen Körper gebildet. Homocystein, das im Zellstoffwechsel aus der Aminosäure Methionin gebildet wird, wird normalerweise umgehend abgebaut und zwar mit Hilfe der Vitamin B6, B12 und Folsäure.

Sendungshinweis

„Radio Burgenland Vormittag“, 21.5.2013

Sind diese Vitamine aber nicht ausreichend durch die Zufuhr über die Nahrung vorhanden, steigt der Homocysteinspiegel im Blut und es werden die Gefäßwände geschädigt. So entsteht Arteriosklerose, im Volksmund „Verkalkung“. Damit steigt auch das Risiko von Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und andere Thrombosen. Ausreichende Zufuhr von Folsäure, primär sicher über die Nahrung, aber bei Risikopatienten auch in Form von standardisierten Präparaten kann also lebensverlängernd sein.

Wer Folsäure braucht

Nach schweren Durchfallerkrankungen wie Salmonelleninfektion etc. sollte auf eine vermehrte Folsäurezufuhr geachtet werden. Menschen mit Morbus Crohn, Zöliakie oder nach Darmoperationen brauchen ebenfalls vermehrt Folsäure. Außerdem sollten Menschen mit Nikotin- oder Alkoholabusus zusätzlich Folsäure zuführen.

Wie wichtig sie ist bei Neigung zu Fehlgeburten wurde schon erwähnt, aber auch krebsgefährdete Frauen mit Schleimhautveränderungen am Muttermund (durch den Abstrich festgestellt) können von vermehrter Folsäurezufuhr profitieren.

Täglich empfohlene Folsäurezufuhr:

  • Kinder bis zu 4 Jahren 200 Mikrogramm /Tag
  • Kinder bis 10 Jahren 300 Mikrogramm/Tag
  • Jugendliche und Erwachsene 400 Mikrogramm /Tag
  • Schwangere und Stillende 600 Mikrogramm /Tag

Welche Lebensmittel Folsäure enthalten

Folsäure kommt vor allem in grünem Gemüse, Hülsenfrüchte (Linsen), Kartoffeln, Zitrusfrüchten und Vollkornprodukten vor. Absoluter Spitzenreiter ist der Spinat (134 Mikrogramm/100g), dann folgt Endiviensalat, Brokkoli, Mangold, Vogerlsalat, so gut wie alle Kohlgewächse.

Reichlich enthalten ist es in Weizenkeimen (271 Mikrogramm/100g) und Weizenkleie, darüber hinaus in Bierhefe. Übrigens sind auch Nüsse wie Mandeln, Walnüsse, Erdnüsse etc. gute Folsäurelieferanten. Eidotter enthalten 127 Mikrogramm/10g und auch in Rinds- und Schweinsleber ist viel Folsäure.

Erdnüsse

APA/Jagadeesh Nv

Worauf achten

Folsäure ist das „Sensibelchen“ unter den Vitaminen. Es ist wasserlöslich und extrem licht- und hitzeempfindlich. Beim Wässern von Salaten und Gemüse gehen bis zu 90 Prozent verloren, durch Hitze 50 Prozent. Im Kochtopf wandert die Folsäure fast vollständig ins Kochwasser.

Daher sollte man viel frische Salate essen, die direkt vor dem Essen zubereitet werden. Wenn Gemüse gegart wird, entweder schonende zubereite und das Kochwasser mitverwenden oder wie Wokgemüse kurz anbraten. Wenn Gemüse nach dem Ernten im Garten oder Kauf nicht sofort verarbeitet wird, sollte es - nicht zu lange - im dunklen Kühlschrank aufbewahrt werden.

Küchentipps:

100g Vogerlsalat, vielleicht mit Nüssen und Zitronensaft angemacht, liefern 1,9 mg, also das fast zehnfache des erforderlichen Tagesbedarfs. Beim Kopfsalat unbedingt die grünen Außenblätter mit verwenden. Chicoree mit Orangen als Salat zubereitet ist ebenfalls ein idealer Folsäurespender.

Mangold

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Auch Mangold ist ein Folsäure-Lieferant

Was die Folsäureverwertung stören kann

Chronischer Eisenmangel, die Antibabypille, Antibiotika sowie starke Schlafmittel machen die Bildung des Vitamins im Darm unmöglich. Auch hoher Zigaretten- und Alkoholkonsum kann dazu führen, dass zu wenig Folsäure im Darm gebildet wird. Daher sollte in solchen Fällen besonders auf eine vermehrte Zufuhr von Folsäure entweder über die Nahrung oder in Form von Präparaten geachtet werden.

Diskussion über die Folsäure-Versorgung

Da Folsäuremangel zu Folgekrankheiten wie Kindesmissbildungen oder Herzinfarkt führen kann, wird immer wieder diskutiert, ob man nicht dem Grundnahrungsmittel Mehl Folsäure beimengen soll. In den USA und Kanada ist das schon gesetzlich vorgeschrieben, bei uns wird das zum Glück kontroversiell diskutiert.

Viel wichtiger ist, sich bewusst zu werden, dass es befremdlich ist, wenn dem Mehl bei der üblichen Verarbeitung die Folsäure abhanden kommt und diese dann in chemischer Form wieder zugesetzt wird. Doch auch bei uns ist der Trend zu „Functional Food“ zu bemerken. Margarine zur Senkung des Cholesterinspiegels, knochenstärkende Knusperflocken und andere Kalziumzwerge. Viel wichtiger ist, das Bewusstsein für gesundheitsspendende natürliche Nahrung zu stärken.

Kann man zu viel Folsäure aufnehmen

Überschüssige Folsäure wird üblicherweise über den Harn ausgeschieden. Lediglich bei Menschen, die krampflösende Medikamente nehmen (Epileptiker) ist Vorsicht geboten, da hohe Dosen von Folsäure die Wirkung der Medikamente beeinflussen können.

Folsäure kann außerdem Vitamin B12-Mangel maskieren, da die ersten Anzeichen eines solchen Mangels (Anämie) nicht auftreten und er erst später entdeckt wird, wenn die Krankheit schon den Körper geschädigt hat. Aus diesem Grund enthalten die meisten Folsäure-Präparate beide Substanzen.