Durchgriffsrecht: Nein von Niessl

Der Bund kann künftig auch gegen den Willen von Ländern und Gemeinden Flüchtlingsunterkünfte errichten. Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der strikt dagegen war, bleibt dabei. Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ) kann sich ein Volksbegehren vorstellen.

In der laufenden Asyldebatte und bei der zähen Suche nach Unterkünften ist der Regierung am Montag ein Durchbruch gelungen. Konkret einigten sich SPÖ und ÖVP mit den Grünen auf ein Verfassungsgesetz, das dem Bund auch gegen den Willen von Ländern und Gemeinden das Recht einräumt, Flüchtlingsunterkünfte zu errichten.

In Kraft treten könnte das Gesetz am 1. Oktober - mehr dazu in Durchgriffsrecht des Bundes bei Asylquartieren steht (news.ORF.at; 18.8.2015). Die Länder nehmen das zur Kenntnis, sagte der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Josef Pühringer, Oberösterreichs Landeshauptmann (ÖVP) - mehr dazu in Länder kritisieren Durchgriffsrecht bei Asyl. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) will aber nicht klein beigeben und bleibt bei seiner Kritik am Durchgriffsrecht des Bundes.

„Ich gehe davon aus, wenn das so, wie es vorliegt, beschlossen wird, dass das die Asylfrage nicht lösen wird. Denn vor allem die Akzeptanz in der Bevölkerung in den kleineren Gemeinden ist nicht gegeben, wenn man von oben etwas verordnet, sondern wenn man mit den Menschen spricht“, so Niessl.

Niessl bleibt bei Nein

Rund 1.500 Flüchtlinge werden zurzeit im Burgenland untergebracht. Laut Innenministerium erfüllt das Burgenland die erforderliche Quote einmal mehr nicht. Niessl war ja strikt gegen das Durchgriffsrecht - und er bleibt beim Nein.

„Ich finde das Durchgriffsrecht nicht für in Ordnung. Die Raumplanung, die Gemeindeautonomie, das ist ein ganz großer und wichtiger Stellenwert. Und ich denke, dass man mit einem Durchgriffsrecht auch die Asylfrage nicht lösen kann“, so Niessl.

Es sei Kooperation mit dem Bürgermeister angesagt, sagte Niessl weiter. „Es ist angesagt, miteinander zu arbeiten. Und wir versuchen im Burgenland, das auch weiter zu leben. Wir haben auch nachhaltig Quartiere geschaffen, die bereits winterfest sind. Und ich glaube, dass das der richtige Weg wäre“, sagte der Landeshauptmann.

Kritik an der Berechnung der Asylquote

Ebenfalls kritisch beurteilte Niessl einmal mehr die Berechnung der Asylquote. Und er forderte, dass die Sammelstellen mit eingerechnet werden. „Es ist für mich absolut unverständlich, dass die Sammelstellen nicht bewertet werden. Dort wird nämlich die schwierigste Arbeit geleistet, nämlich die Erstbetreuung der Flüchtlinge, die wochenlang auf der Flucht waren. Und da sagt das Innenministerium ganz einfach ‚Sammelstellen zählen nicht mit.‘ Natürlich müssen sie mitzählen, denn sonst ist die Statistik eine Mogelstatistik“, sagte Niessl.

Asyl-Volksbegehren für FPÖ „absolut denkbar“

Den aktuellen FPÖ-Vorschlag, ein Volksbegehren zum Durchgriffsrecht zu beantragen, kommentierte Niessl mit. „Das haben sie angekündigt, ich kenne das nicht.“ Für FPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreter Tschürtz hingegen ist ein solches Volksbegehren „absolut denkbar“. Und er denkt im Burgenland außerdem an eine Verfassungsklage gegen das Asyl-Durchgriffsrecht des Bundes.

„Länder müssen eingebunden werden“

Denn laut Tschürtz müssen die Länder und Gemeinden in solche Entscheidungen eingebunden werden. Er bezieht sich auf eine 16 Jahre alte Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. „Die Bundesregierung, die Länder, vertreten durch die Landeshauptleute, der Gemeindebund, der Städtebund haben sich darauf geeinigt, dass der Gesetzgebungsprozess nur mit Einbeziehung eines Konsultationsgremiums umgesetzt werden kann“, sagte Tschürtz.

Und das sei bei dem geplanten Verfassungsgesetz nicht passiert. Ob eine Verfassungsklage eingebracht wird, solle nach einer Volksbefragung entschieden werden, so Tschürtz. Den Text für die geplante Volksbefragung will er am Mittwoch mit Landeshauptmann Niessl besprechen.

Verfassungsklage mit wenig Erfolg

Es müsse Schluss damit sein, dass in Asylfragen über die Bürger drübergefahren werde. „Wenn man sich zum Beispiel die Gemeinde Goberling anschaut, die jetzt schon Unterschriften gesammelt haben gegen die undemokratische Vorgangsweise der Regierung, Asylanten, Flüchtlinge ohne Mitspracherecht der Bevölkerung einzuquartieren, haben in kürzester Zeit 60 Prozent unterschrieben“, sagte der Landeshauptmannstellvertreter.

Ob eine Verfassungsklage gegen das Durchgriffsrecht Aussicht auf Erfolg hätte, scheint aber unwahrscheinlich. Laut dem Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk bestehe dafür gar keine Chance.

Keine Unterstützung von Niessl

Und auch von Landeshauptmann Niessl kommt keine Unterstützung. Eine Verfassungsklage sei laut Informationen des Verfassungsdienstes nicht zulässig, so Niessl. Demnach könne man darüber auch nicht das Volk befragen. Für Schmähbefragungen sei er nicht zu haben, sagt der Landeshauptmann. Dennoch sei auch er gegen das geplante Verfassungsgesetz.

ÖVP Burgenland: „Eingriff in Autonomie“

Die ÖVP Burgenland sieht in dem Durchgriffsrecht einen massiven Eingriff in die Autonomie der Gemeinden. Die Einigung zum Durchgriffsrecht des Bundes hätte vermieden werden können, wenn die Länder die mit dem Bund vereinbarten Asylquoten alle eingehalten hätten, sagte Klubobmann Christian Sagartz. Gerade die rot-blaue Landesregierung im Burgenland habe hier nachweislich zu wenig getan und das Burgenland zum Schlusslicht gemacht, so der Vorwurf.

LBL: Vorgehen der Parteien „letztklassig“

Deutliche Ablehnung äußert das Bündnis Liste Burgenland (LBL). Die Landtagsabgeordneten Manfred Kölly und Gerhard Hutter kritisierten das Vorgehen von SPÖ, ÖVP und Grünen, die dieses Vorhaben verhandelt haben als „letztklassig“. Föderale Grundsätze der Republik, die seit Jahrzehnten Gültigkeit hätten, würden einfach über Bord geworfen, so die Kritik der LBL.

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