Baby misshandelt: Prozess vertagt

Der zweite Tag im Prozess um das misshandelte Baby Marilyn hat am Donnerstag mit einer Überraschung geendet: Der Prozess ist auf unbestimmte Zeit vertagt worden, obwohl bereits das Urteil erwartet worden war. Die Richterin ordnete eine weitere DNA-Analyse an.

Grund für die Vertagung war ein Beweisantrag durch die Verteidigung der 23-jährigen Angeklagten. Diesem wurde stattgegeben. Drei Beweisstücke - ein Stein, ein Geschirrtuch und eine Stoffwindel - sollen auf Blut des Säuglings sowie auf DNA-Spuren, unter anderem vom Kind und den angeklagten Eltern, untersucht werden.

Beweismaterial

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Der in ein Tuch eingewickelte Stein

Eltern der Beschuldigten fanden Beweisstücke

Die Beweisstücke hatten die Eltern der 23-Jährigen im Keller des Hauses in einer Kiste gefunden und zur Polizei gebracht. Die Gegenstände wurden sichergestellt und verwahrt und am zweiten Prozesstag vor Gericht präsentiert. Die gerichtsmedizinische Sachverständige Eva Scheurer gab vor Gericht an, dass es sich bei den Flecken, die auf dem Geschirrtuch und auf der Stoffwindel zu sehen waren, um Blut handeln könnte. Das soll nun untersucht werden.

Kinderarzt konnte keine Verletzungen feststellen

Am Donnerstagvormittag sagte neben der besten Freundin der Angeklagten auch der Kinderarzt aus, der den misshandelten Säugling damals behandelte. Ihm sei bei der letzten Mutter-Kind-Pass-Untersuchung Anfang September - etwa zwei Wochen später wurden die schlimmen Misshandlungen entdeckt - nichts aufgefallen.

„Ich habe keine Verletzungen oder einen Bruch oder Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kind festgestellt“, sagte der Kinderarzt. Laut Gutachten hatte das zwei Monate alte Mädchen damals bereits gebrochene Rippen. „Wie ich das gehört habe (von den Verletzungen, Anm.), habe ich mir das noch einmal angesehen und rekapituliert“, so der Mediziner. Aufgefallen sei ihm auch da nichts.

Besondere Qualen für Säugling

„Ganz sicher waren die Verletzungen mit besonderen Qualen verbunden“, erläuterte Kinder- und Jugendneuropsychiater Werner Gerstl am Donnerstagnachmittag bei dem Prozess in Eisenstadt. Das mittlerweile fast einjährige Mädchen habe ihn bei der Untersuchung sehr freundlich empfangen, habe nicht gefremdelt, was für ihn sehr verwunderlich gewesen sei. „Es gibt keinen Skelettbereich, der nicht von einer Fraktur betroffen war“, schilderte der Facharzt für Kinderheilkunde. Die Mutter brach einmal mehr in Tränen aus, als sie mit diesen Tatsachen konfrontiert wurde.

Röntgenbild von Marilyn

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Röntgenbild vom Kopf der kleinen Marilyn

Mädchen ist nicht autistisch

Weiters erläuterte der Mediziner, dass das Mädchen keinesfalls autistisch sei. „Aber die Ich-Entwicklung kann tiefen Schaden genommen haben.“ Spät- und Dauerfolgen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, bisher gebe es diese allerdings nicht, so Gerstl.

„Es gibt bei Kleinkindern eine Gewöhnung an den Schmerz, der als Realität des Lebens wahrgenommen wird“, meinte er auf die Frage von Richterin Birgit Falb, warum das Kind nicht ständig geweint habe. Seiner Ansicht nach habe mit hoher Wahrscheinlichkeit die emotionale Bindung zur Mutter beziehungsweise zum Vater gefehlt.

Beide Elternteile haben Persönlichkeitsstörung

Auch die psychologische Sachverständige Doris Bach kam am Donnerstag zu Wort und attestierte beiden Elternteilen eine Persönlichkeitsstörung.

Der 25-jährige Vater habe eine abhängige Persönlichkeitsstörung, so Bach. Diese zeichne sich vor allem durch klammerndes Verhalten und Trennungsängste aus. Betroffene seien latent depressiv, melancholisch, stellten sich aufgrund der Trennungsängste wenig Konflikten.

Die 23-jährige Mutter hingegen habe eine – wie bereits am Vortag vom psychiatrischen Sachverständigen Anton Freunschlag attestiert – emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline.

„Zwei suchende Menschen“

Die beiden Angeklagten hätten sich aus Bachs Sicht gefunden, weil es sich bei den beiden um zwei suchende Menschen handle. Beide hätten ein niedriges Selbstbewusstsein, eine Vergangenheit, die nicht immer ganz einfach gewesen sei. „Beide haben sie diese in einer anderen Art ausgelebt, beide sind sehr unerfahren und unreif, beide haben diesen Wunsch nach Bindung, aber gleichzeitig die Angst vor Trennung und vor dem Alleinsein“, führte die Psychologin aus.

Solche Leute würden Partnerschaften wollen, hätten aber Schwierigkeiten, sich auf den anderen, auf seine Wünsche einzulassen, erläuterte sie. „Das betrifft meistens sämtliche Leute im Umfeld. Das heißt aber nicht, dass man die Bindung nicht möchte. Man möchte sie, aber man hat Schwierigkeiten, sie zu leben“, so Bach.

Insgesamt 39 Knochenbrüche

Am Nachmittag sagten weitere Gutachter aus, darunter eine Gerichtsmedizinerin, die das misshandelte Baby untersucht hat. Es dauerte mehrere Minuten bis die gerichtsmedizinische Gutachterin sämtliche Verletzungen aufzählte, die der kleinen Marilyn im Vorjahr zugefügt wurden.

Insgesamt 39 Knochenbrüche erlitt das Baby, alleine 25 Brüche betreffen die Rippen, von denen einige sogar mehrfach gebrochen waren. Ebenfalls gebrochen waren beide Unterarme, das rechte Schulterblatt, der rechte Oberschenkel, zumindest ein Schlüsselbein, sowie beide Unterschenkel. Die Verletzungen seien durch erhebliche Gewalteinwirkung entstanden, da bei Kleinkindern Knochen nur schwer brechen würden.

Der zweite Tag im Marylin-Prozess

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Zweiter Tag im Marilyn-Prozess

„Ich kämpfe für meine Tochter“

Der Vater der Beschuldigten hat dem ORF Burgenland ein Interview gegeben.

ORF Burgenland: Ihre Tochter ist die Angeklagte hier. Wie entsetzt sind Sie über das alles?

Vater der Beschuldigten: Sehr entsetzt. Weil ich nicht glaube, dass meine Tochter das gemacht hat.

ORF Burgenland: Hatten Sie viel Kontakt zu der kleinen Marilyn, Ihrer Enkeltochter?

Vater der Beschuldigten: Ja viel. Meine Frau hat immer auf sie aufgepasst. Und wenn ich Zeit hatte, habe auch ich auf sie aufgepasst.

ORF Burgenland: Sind Ihnen die Verletzungen des Babys aufgefallen?

Vater der Beschuldigten: Nein, nie. Nicht einmal den Ärzten ist es aufgefallen oder der Fürsorge, die immer da war. Keinem Menschen.

ORF Burgenland: Haben Sie mit Ihrer Tochter über das Ganze gesprochen?

Vater der Beschuldigten: Ja. Sie sagte ‚Papa ich habe das nicht gemacht‘. Sie hat ihre Fehler vorher gemacht. Aber sie hat nie das Kind angerührt. Sie hat nie jemandem wehgetan, nicht einmal Tieren.

ORF Burgenland: Marilyn hat noch einen Bruder - beide sind bei Pflegeeltern untergebracht. Wollen Sie die Kinder zu sich holen?

Vater der Beschuldigten: Ja. Aber uns werden Steine in den Weg gelegt, damit wir die Kinder ja nicht bekommen.

ORF Burgenland: Sie stehen nach wie vor zu Ihrer Tochter?

Vater der Beschuldigten: Ja. Ich glaube ihr. Sie hat das bestimmt nicht gemacht.

Das Interview führte Patricia Spieß, ORF Burgenland