Ohne Anwalt verhandelt: Gassner verurteilt

Über Herbert Gassner, Zivilrichter im Landesgericht Eisenstadt, wurde von einem Schöffensenat ein Jahr Haft wegen „eindeutigem Befugnismissbrauch“ verhängt. Im April 2009 hatte er ein Urteil in einem Zivilprozess ohne anwaltlichen Beistand gefällt.

Über den 57-Jährigen wurde eine einjährige Haftstrafe bedingt auf drei Jahre verhängt. Das bedeutet aber keinen Amtsverlust, heißt es. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Gassner legte Berufung ein.

Verfahren ohne Anwalt

Der Richter hatte ein Verfahren gegen einen Handwerker geführt, dessen Firma von einer Witwe den Auftrag erhalten hatte, auf ihrer Terrasse Granitplatten zu verlegen. Dies erfolgte offenbar unfachmännisch - ein Sachverständiger stellte später fest, dass keine Tropfkanten eingebaut und die Platten schlecht verlegt worden waren. Die Witwe klagte auf Schadenersatz, und der zuständige Richter fällte am Ende ein sogenanntes Anerkenntnisurteil, in dem er ihr Recht gab - mehr dazu in Richter wegen Amtmissbrauchs angeklagt.

Anwaltspflicht

Dass der Firmenbesitzer keinen Anwalt hatte, störte offenbar den Richter nicht, was nun Staatsanwältin Eva Habicher als „ganz eklatanten“ Verstoß gegen die Zivilprozessordnung (ZPO) wertete. In landesgerichtlichen Verfahren herrsche absolute Anwaltspflicht. Der Richter habe aber die Sache offenbar rasch vom Tisch haben wollen, meinte die Anklägerin: „Er wollte die Parteienrechte schädigen und sich selbst Arbeit ersparen.“

„Formelle Haarspaltereien“

Indem er den Verurteilten auch noch dazu brachte, auf Rechtsmittel zu verzichten, habe er sich zusätzlich die Urteilsausfertigung und eine schriftliche Begründung „geschenkt“, rügte Habicher. Für den Verteidiger des angeklagten Richters waren das „formelle Haarspaltereien“.

Sein Mandant habe den Parteien zu einer richtigen und raschen Entscheidung verhelfen wollen, als der Firmenchef ohne Rechtsbeistand in die Verhandlung kam: „Wenn wir alle Fehler aufblasen wie diesen möglichen Fehler, würden wir unsere Zeit nur mehr in den Verhandlungssälen verbringen.“

Gassner: „Bin nicht faul!“

„Faul bin ich nicht“, polterte im Anschluss der Richter, der betonte, nächstes Jahr sein 30-jähriges Dienstjubiläum zu feiern und noch niemals disziplinar- oder gar strafrechtlich belangt worden zu sein. Er habe sich vielmehr beruflich derart eingesetzt, dass er bereits einen Schlaganfall und einen Herzschaden davongetragen habe. In der betreffenden Causa sei das Verschulden der Firma ganz klar gewesen, was jene auch mündlich eingeräumt hätte. Daher habe es keines Beistands eines Anwalts bedurft, um zu einem Urteil zu gelangen.

„Vertrauen der Bevölkerung geschädigt“

Der Schöffensenat sah das anders, wobei sich die Vorsitzende vor allem auf die vorangegangene Zeugenbefragung des Firmenbesitzers stützte. Dieser habe - was das Rechtliche betrifft - im Zeugenstand den Eindruck vermittelt, „keine Ahnung von Tuten und Blasen zu haben“. Gerade solche Personen müsse man aber „vor Übervorteilung schützen“. Der Richter hätte daher keinesfalls „von der generellen Anwaltspflicht abgehen und keinen Rechtsmittelverzicht protokollieren lassen dürfen“. Mit seinem Verhalten habe ihr Kollege „das Vertrauen der Bevölkerung in das Rechtssystem geschädigt“.