EU-Gericht: Bank Burgenland zu billig verkauft

Das Gericht der EU hat die Klagen des Landes und der Republik sowie der GRAWE, jeweils gegen die EU-Kommission, abgewiesen. Das heißt, die Bank Burgenland ist zu billig an die GRAWE verkauft worden.

Es gilt, was die Kommission festgestellt hat: Der Verkauf ist unerlaubte staatliche Beihilfe an die GRAWE. Gegen das Urteil kann noch binnen zwei Monaten beim Europäischen Gerichtshof berufen werden.

Entscheidung der EU-Richter

Das Europäische Gericht (als erste Instanz des Europäischen Gerichtshofs) wies eine Reihe von Argumenten der Kläger gegen die Kommissionsentscheidung zurück. So stellte das Gericht fest, dass die EU-Kommission zur Ermittlung des Marktpreises neben dem höchsten Angebot keine unabhängigen Wertgutachten berücksichtigen müsse.

Auch habe keiner der am Prüfverfahren Beteiligten die Fähigkeit des Konsortiums in Zweifel gezogen, die zur Entrichtung des gebotenen Kaufpreises erforderlichen Mittel aufzubringen, betonten die Richter.

Die Kläger hätten auch nicht belegen können, dass die Dauer des Verfahrens vor der Finanzmarktaufsicht im Fall des Verkaufs an das Konsortium die Chancen der Privatisierung gefährdet hätte, urteilten die EU-Richter. Auch wäre der deutlich geringere Preis für GRAWE nicht durch ein geringeres Risiko für das Land, aus seiner Ausfallhaftung in Anspruch genommen zu werden, gerechtfertigt gewesen, entschied das EU-Gericht. Das Urteil im Wortlaut.

Mitbieter legte Beschwerde ein

Die GRAWE zahlte dem Land für die Bank rund 100 Millionen Euro. Ein ukrainisches Konsortium hatte um 55 Millionen Euro mehr geboten, war als Käufer abgeblitzt und hatte die EU-Kommission eingeschaltet. Die hatte entschieden: Es wurde das Wettbewerbsrecht verletzt, es handelt sich um staatliche Beihilfe und die GRAWE muss nachzahlen. Dagegen wurde berufen. Das Land argumentierte, dass das wirtschaftliche Risiko bei einem Verkauf an die Ukrainer höher gewesen wäre. Die GRAWE hat 42 Millionen Euro auf einem Treuhandkonto hinterlegt, falls sie nachzahlen muss.

Ederer: Das letzte Wort ist nicht gesprochen

Die Grazer Wechselseitige Versicherung (GRAWE) kündigt an, berufen zu wollen. Man nehme die Entscheidung des EuGH zur Kenntnis, das letzte Wort sei allerdings noch nicht gesprochen, so GRAWE-Generaldirektor Othmar Ederer in einer Aussendung.

„Das Gericht ist in weiten Bereichen der Argumentation der Kommission gefolgt. Es geht hier um wichtige Rechtsfragen, wir werden die Entscheidung daher selbstverständlich vom EuGH überprüfen lassen“, so Ederer ohne Nennung von Details.

Die Bank Burgenland mit der GraWe als 100-Prozent-Eigentümer habe keinerlei Staatshilfe in Anspruch genommen. Mit einer Entscheidung des EuGH im Berufungsverfahren sei erst in geraumer Zeit zu rechnen, schätzte Ederer. Der von der GraWe im Jahr 2011 geleistete Treuhanderlag, der zur Sicherstellung des Verfahrens diene, bleibe weiterhin aufrecht.

Bieler: Werden vor EuGH gehen

„Wir müssen diese Entscheidung akzeptieren, werden aber in Abstimmung mit dem Bund und der Grazer Wechselseitige Versicherungs AG (GRAWE) die nächste Instanz befassen und die Entscheidung vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bringen. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es die absolut richtige Entscheidung war, an die GRAWE zu verkaufen. Die GRAWE ist ein ehrlicher und seriöser Vertragspartner, der geschäftstüchtig die Bank Burgenland zu jährlichen Gewinnen in Millionenhöhe geführt hat“, sagt Finanzlandesrat Helmut Bieler (SPÖ) nach der Entscheidung. Das heißt es wird Rechtsmittel eingelegt, die Entscheidung ist damit noch immer nicht endgültig.

Steindl: Überlegen Berufung

„Wir wollen diese Zusammenarbeit. Wir überlegen die Berufung, ich würde sie befürworten. Weil das ein Weg mit Handschlagqualität ist. Das ist ebenfalls ganz wichtig in der Politik - dass man Handschlagqualität beweist. Und wenn die Berufung abgewiesen wird, dann stehen dem Land eben zusätzlich Gelder zur Verfügung, die wir notwendigst brauchen“, sagt Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Steindl (ÖVP).

Tschürtz: Keine weiteren Tricksereien

Die FPÖ Burgenland zeigt sich mit der Entscheidung des Europäischen Gerichts zufrieden. Man lehne weitere rechtliche Schritte strikt ab, heißt es in einer Aussendung. „Jetzt darf es jedenfalls keine weiteren Tricksereien geben. Die GRAWE soll zahlen, das Land soll das Geld nehmen und der GRAWE keine Zahlungen mehr leisten und auch keine weiteren rechtlichen Schritte anstrengen. Dieses unrühmliche Kapitel der Landesgeschichte muss endlich abgeschlossen werden“, sagt FPÖ-Klubobmann Johann Tschürtz.

„Ich denke, dass das in Ordnung ist“, kommentierte Manfred Kölly, Landtagsabgeordneter der Liste Burgenland, die EuGH-Entscheidung. Die Politik hätte sich schon in Vergangenheit Gedanken über dieses Thema machen müssen: „Es wäre schon absurd, wenn man auf das Geld verzichtet.“

Reimon fordert Einsetzung eines U-Ausschusses

Grünen-Mandatar Michel Reimon forderte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Verkauf der Bank Burgenland. Zudem solle auch die SPÖ ihre Parteifinanzen seit der Privatisierung der Bank - der Verkauf ging 2006 über die Bühne - offenlegen, forderte Reimon. Die Geschichte sei mindestens so suspekt wie die Buwog-Privatisierung.

Empört über Reimons Aussage zeigte sich SPÖ- Landesgeschäftsführer Robert Hergovich. Die SPÖ werde jedenfalls sofort rechtliche Schritte einleiten, so Hergovich.

Analyse

ORF Burgenland-Chefredakteur Walter Schneeberger analysiert das Urteil des EU-Gerichts.

Walter Schneeberger

ORF

ORF Burgenland-Chefredakteur Walter Schneeberger

Ist es denkbar , dass es nach dem heutigen Urteil in der Causa Bank Burgenland sozusagen zu einer Rückabwicklung des Geschäfts kommt?

Walter Schneeberger: Egal wie die Berufung beim EU-Gerichtshof ausgeht: Eine Rückabwicklung ist so gut wie ausgeschlossen. Es gibt zwar eine Art Ausstiegsklausel im Kaufvertrag, nachdem die GRAWE zurücktreten könnte, wenn sich nachträglich etwas am Kaufpreis ändert. Aber rein praktisch ist das undenkbar. In den fünf Jahren hat es tausende Geschäftsfälle gegeben, die möglicherweise ebenfalls rückabgewickelt werden müssten. Die geplante Fusion mit der ebenfalls zur GRAWE gehörigen Capital Bank ist weit fortgeschritten und insgesamt steht die Bank Burgenland wirtschaftlich wieder sehr gut da. Außerdem würden für die GRAWE bei einer Rückabwicklung enorme Steuernachzahlungen fällig werden, weil hunderte Millionen Verlustvorträge aus der Bank Burgenland gegen die Gewinne aus dem Verkauf der Alpe Hypo Adria Anteile gegenverrechnet worden sind.

Warum will das Land Burgenland jetzt gegen die heutige Entscheidung wieder berufen und ist nicht einfach froh, dass es die 42 Millionen Euro, die schon auf einem Treuhandkonto liegen, bekommt?

Walter Schneeberger: Das Land hat von Anfang an gesagt, dass die rund 100 Millionen ein fairer Verkaufspreis sind und dass das höhere Angebot der Ukrainer unseriös sei. Das Land steht bis heute zu dieser Entscheidung und ist der GRAWE im Wort. Insbesondere deshalb, weil die GRAWE auch die Milliardenhaftungen übernommen hat. Das Hauptargument gegen die ukrainische Gruppe war, dass bei einem möglichen Scheitern der ukrainischen Bank diese Haftungen erst recht wieder vom Land Burgenland bedient werden müssten.

Nun sagt aber der EU-Gerichtshof in der Urteilsbegründung, dass das geringere Ausfallsrisiko nicht den deutlich geringeren Preis rechtfertigt. Wie konnte es angesichts der derzeitigen Milliardenspritzen für europäische Banken zu diesem Urteil kommen?

Walter Schneeberger: Nun, es ist ja wirklich absurd, dass seit der Finanzkrise eine Bank nach der anderen in der EU durch staatliche Subventionen gerettet wird. Da hat man von der Wettbewerbskommission so gut wie gar nichts gehört. Die Bank Burgenland hat in ihrer Krise damals keinen einzigen Cent vom Steuerzahler bekommen. Aber 2006 war ja die europäische Finanzwelt noch scheinbar in Ordnung. Ein extrem wettbewerbsorientierter, wirtschaftsliberaler Kurs hat die EU bestimmt und der Glaube an das ungebremste und unregulierte Wachstum des Finanzmarktes war bestimmende Lehre und Politik. Wettbewerbskommissarin Neeli Kroes hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie staatliche Beihilfen ablehnt und ausschließlich der freie Markt bestimmen soll. Und die Ukraine hat damals auch mächtig Druck gemacht, an die EU anzudocken, was durchaus im Interesse des europäischen Kapitalmarktes lag. Müsste die Bank Burgenland heute gerettet werden, würde das wohl ganz anders aussehen. Da wäre sie ein ganz kleiner Fall inmitten der Milliarden-Rettungspakete.