Hilfe bei Wetterfühligkeit

Drückend schwül, dann sticht die Sonne heiß vom Himmel und am nächsten Tag ist es feucht und ein kalter Wind weht uns um die Nase. Der extrem wechselhafte Sommer macht vielen Menschen zu schaffen. Miriam Wiegele hat die Tipps für Wetterfühlige.

Die Erkenntnis, dass Wetter und Klima den menschlichen Organismus beeinflussen, ist sehr alt. Hippokrates schrieb 400 vor Christus: „Man sei besonders auf der Hut vor Wetterwechseln und vermeide während dieser Zeit den Aderlass... und die Anwendung des Messers.“ Er beobachtete, dass unter Tropenlufteinfluss Allergien und Entzündungen verstärkt werden und bei Polarlufteinfluss Krämpfe und Koliken häufiger auftreten. Jede Krankheitsbeschreibung leitete er mit einer Wetterbeschreibung ein.

Leute am Neufelder See

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„Klimatherapie“ im alten Rom

Von ihm soll der Ausspruch stammen, dass sich Studierende der Medizin auch mit Wetterkunde beschäftigen sollten. Hippokrates kann somit als Vorläufer der Medizinmeteorologie betrachtet werden. Galen, ein Arzt im antiken Rom, erkannte dagegen, dass eine „Klimatherapie“ gezielt eingesetzt werden kann. Er riet Lungenkranken zu einem Aufenthalt in der Höhe.

Paracelsus und das Bioklima

Im Mittelalter wurden medizinmeteorologische Kenntnisse von Mönchen gesammelt. Und bioklimatische Beobachtungen kennen wir auch von Paracelsus. Der Dichterfürst Goethe, der auch naturwissenschaftliche Werke hinterließ, war besonders wetterfühlig und bezeichnete sich als „der dezidierteste Barometer, der existiert“.

Humboldt, der mit Goethe in Gedankenaustausch stand, schrieb in seiner Definition des Begriffes „Klima“, dass „alle Veränderungen in der Atmosphäre, die unsere Sinne affizieren, nämlich Temperatur, Feuchtigkeit, Veränderungen des barometrischen Luftdrucks, Winde, die Größe der elektrischen Spannung, ... nicht bloß wichtig.......für die organische Entwicklung der Gewächse, sondern für die Gefühle und die ganze Seelenstimmung des Menschen sind“. Dem kann die heute interdisziplinär angelegte Medizinmeteorologie noch immer zustimmen.

Medizinmeteorologie heute

In Zusammenarbeit von Meteorologen, Biologen, Ärzten und Psychologen wird heute die Auswirkung des Wetters und des Klimas auf den Menschen erforscht. Es gibt eine Reihe von Forschungsstellen, die einerseits exakte medizinische Untersuchungen von Wetterfühligen machen und Behandlungsvorschläge erarbeiten, andrerseits wird auf der Basis der medizinmeteorologischen Erkenntnisse das tägliche „Biowetter“ erarbeitet, das in den Medien nachzulesen ist, wodurch Wetterfühlige wissen, was auf sie zukommt und sie sich mit nötigen Maßnahmen darauf einrichten können.

Ausgetrocknete Felder in der Dürrezeit

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Welcher Wettertyp bin ich?

Niemand kommt am Wetter vorbei. Unser vegetatives Nervensystem reagiert auf Wetterveränderungen stets in irgendeiner Form. man unterscheidet drei verschiedene „Wettertypen“:

Der Wetterreagierende: Wetterreize werden ohne gröbere Beschwerden verkraftet. Man reagiert zwar auf das Wetter, hat aber nicht das Gefühl, unter dem Wetter zu leiden.

Der Wetterfühlige: Diese Menschen beginnen bei Wetterwechsel zu leiden. Das Wetter sorgt für deutliches Missempfinden, Herz- Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gereiztheit. Ursache ist eine Störung des vegetativen Nervensystems, das nicht fähig ist, den Organismus an die wechselnden Wetterbedingungen anzupassen.

Der Wetterempfindliche: Bereits bestehende Organschwäche oder chronische Grunderkrankungen werden durch Wetterfaktoren negativ beeinflusst. Zu diesen Grunderkrankungen zählen Herz- Kreislauferkrankungen, rheumatische Erkrankungen und Gelenksprobleme. Auch Operationsnarben und verheilte Knochenbrüche können plötzlich zu schmerzen beginnen. Üblicherweise bessern sich die Symptome 36 Stunden nach dem Eintritt des Wetterumschwungs.

Die Ursachen der Wetterfühligkeit

Unser vegetatives Nervensystem, das aus Sympathikus und Parasympathikus (N. vagus) besteht, hilft uns, sich verändernden Bedingungen anzupassen. Unsere Lebensweise, die mit ständigen Belastungen und Stress verbunden ist, führt bei vielen Menschen dazu, dass das Wechselspiel der beiden nicht mehr funktioniert.

Sendungshinweis

„Radio Burgenland Vormittag“, 5.8.2014

Manche Menschen werden sympathikoton, der anregende Ast des vegetativen Nervensystem überwiegt. Die Folgen sind Herzprobleme, Bluthochdruck, Schlaflosigkeit, etc. Überwiegt der Parasympathikus wird man vagoton, leidet also unter ständiger Müdigkeit und Erschöpfung. Früher nannte man ein solches Ungleichgewicht „vegetative Dystonie“ und auch die Wetterfühligkeit zählt dazu.

Badegäste in diversen Bädern

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Sommerwetter und Hitzestress

Eine beständige Hochdrucklage im Sommer sorgt für leichten Wind, viel blauen Himmel und für ausgeglichene Menschen. Das schöne Wetter lockt die Menschen ins Freie. Die UV- Strahlung kurbelt die Produktion von Vitamin D in der Haut an und das Gehirn produziert mehr Serotonin.

Wenn jedoch ungewohnt brütende Hitze über längere zeit über uns hereinbricht, die Thermometer auf Rekordhöhe klettern und auch nachts die Hitze kaum nachlässt, sind nicht nur Wetterfühlige besonders geplagt.

Von Aggressivität bis zur Erschöpfung

Hitzestress verursacht verschiedenen Symptome wie Aggressivität, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche bis hin zu Erschöpfungszuständen. Bei extremer Sommerhitze gibt es 25 Prozent mehr Todesfälle, wie eine deutsche Statistik zeigt, mehr Verkehrsunfälle und auch die Zahl der Gewaltdelikte nimmt signifikant zu. Organisch betroffen ist vor allem das Herz, da bei Temperaturen ab 25°C pro Minute einmal häufiger schlägt.

Ab einer Temperatur von 37°C ist die Gefahr eines Hitzeschlags groß, da der Schweiß nicht mehr richtig verdunsten kann und ein Wärmestau ist die Folge. Daher sollte man bei solchen Temperaturen sich primär im Schatten aufhalten und öfter mit kalten Wasseranwendungen abkühlen.

Vor allem ältere Menschen leiden unter der Hitze, da ihre Wärmeregulation nicht mehr so gut funktioniert und das gilt auch für Kinder, bei denen sich die Wärmeregulation erst entwickeln muss.

Naturheilkundliche Maßnahmen

  • Kneippmaßnahmen wie wechselwarme Duschbäder, Fußbäder, Wassertreten, Trockenbürsten sind besonders gut geeignet, das vegetative Nervensystem wieder zu harmonisieren.
  • Genügend trinken: Verdünnte Obstsäfte, dünne Kräutertees. Wenn es sehr heiß ist, sollte man lauwarme Tees, z. B. Pfefferminztee trinken. Viel Wasser und wenig Kaffee oder Schwarztee, da diese dem Körper Wasser entziehen. Auch Alkohol sollte nur moderat und in verdünnter Form wie ein Apfelmostspritzer zugeführt werden.
  • Basenreiche Ernährung: Leichte Gerichte mit viel Gemüse und als Basis Getreide wie Reis oder Nudeln, viel Obst essen, Fleisch eher meiden.
  • Frische Luft tanken, denn von Sauerstoff durchflutete Zellen neigen weniger zu Schmerzen.

Heilpflanzen bei Wetterfühligkeit

In erster Linie wird man Heilpflanzen je nach Symptom einsetzen:

Kopfschmerzen lindert man mit Pfefferminze, entweder eine Kompresse, die in Pfefferminztee eingetaucht wird, auf die Stirn legen oder die Schläfen mit Pfefferminzöl betupfen.

Kreislaufbeschwerden lindert man mit Weißdorn, entweder als Tee, Tinktur oder fertige Präparate aus der Apotheke. Auch Kampfer kann schnell helfen, es gibt Präparate in der Apotheke, die Kampfer enthalten und innerlich angewendet werden können.

Erschöpfung: Bittermittel „tonisieren“, der Mensch fühlt sich bald gestärkt und auch die geistige Leistungsfähigkeit wird verbessert. Engelwurz als Tee oder Tinktur hilft ebenso wie Kondurango, den es in der Apotheke, den man als Tee nutzen kann oder noch besser als Medizinalwein. Auch der Gelbe Enzian, als Tee oder tropfenweise als Tinktur hilft bei Erschöpfung.

Nervöse Unruhe und Schlafstörungen: Am besten wirken Bäder mit Lavendelöl (pro Wanne sieben Tropfen in etwas Milch emulgieren) oder Melissenbäder (am besten frisches Kraut oder in getrockneter Form in ein Leinensäckchen füllen, unter den Wasserhahn der Badewanne hängen und das nicht zu heiße Wasser darüber rinnen lassen). Klinische Untersuchungen zeigten, dass Baldriantropfen (Tinctura valerianae) sich bei Schlaflosigkeit und nervöser Unruhe durch Wetterfühligkeit bedingt, besonders bewährt haben. Auch die Passionsblume (als Tee oder Tinktur) hat sich bei Wetterfühligkeit bewährt.

Adaptogen wirkende Heilpflanzen

Adaptogene sind pflanzliche Substanzen, die dem Organismus helfen, besser mit Belastungen fertig zu werden und sich Stresssituationen, wie es wechselnde Wetterbedingungen für Wetterfühlige sind, besser anpassen zu können. Adaptogene sind nicht gegen bestimmte Krankheiten und Symptome gerichtet, vielmehr versetzen sie den Organismus in die Lage, sich gegen störende Einflüsse besser zu schützen. Vor allem bewirken Adaptogene, dass das vegetative Nervensystem besser in der Lage ist, auf wechselnde Bedingungen richtig zu reagieren und nicht dadurch aus dem Gleichgewicht zu geraten.

Melisse: Unsere altbekannte Heilpflanze, die sich leicht im eigenen Garten kultivieren lässt, hat ebenfalls adaptogene, also ausgleichende Wirkung. Sie hilft nicht nur bei Einschlafstörungen, nervösen Herzbeschwerden, nervösen Magen- Darmbeschwerden und Erschöpfungszuständen. Sie kann auch grundsätzlich zur Behandlung von Wetterfühligkeit eingesetzt werden, was durch viele wissenschaftliche Untersuchungen bewiesen ist. Am besten setzt man dafür die Melisse in Form einer Tinktur oder als „Melissengeist“ (einem Destillat von Melissenblättern und verschiedenen Gewürzen und Kräutern) ein, wie er in der Apotheke erhältlich ist.

Taigawurzel: Bei besonders schweren Formen von Wetterfühligkeit, bei denen Müdigkeit, Schwäche, nachlassende Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit im Vordergrund stehen, kann die Taigawurzel, auch Sibirischer Ginseng genannt, eingesetzt werden. Sie ist eine der am stärksten adaptogen wirkenden Heilpflanzen. Es gibt sie in der Apotheke in Form einer Urtinktur oder als fertiges Präparat, zum Beispiel als Dragees.

Achtung: Besser nicht bei Bluthochdruck und nicht länger als drei Monate einnehmen.

Jiao Gu Lan: Die neuerdings so populär gewordene Pflanze aus China hat ebenfalls adaptogen wirkende Inhaltsstoffe. Sie gilt als „Anti-Stress-Pflanze“ und hilft vor allem bei Wetterfühligkeitsproblemen mit Herz- Kreislaufsymptomen. Mittlerweile wird die winterharte Kletterpflanze in vielen Gartencenters angeboten. Man macht aus den frischen Blättern einen Tee im Aufguss. Es gibt aber in Drogerien und Apotheken auch fertige Präparate in Form von Dragees, etc. zu kaufen.