Pflege: Niessl fordert Trendumkehr

Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) fordert Maßnahmen, um den Trend, Menschen in Pflegeheimen unterzubringen, zu stoppen. Der Bundesregierung steht er nach ihren ersten 100 Tagen im Amt kritisch gegenüber.

Für eine Trendumkehr sei eine nachhaltige Absicherung der Pflege statt der „jährlichen Diskussionen“ notwendig. Pflegefälle sollten nicht als Kostenfaktor behandelt werden, so Landeshauptmann Niessl im Gespräch mit der APA.

Pflegende Angehörige besser absichern

Durch die Abschaffung des Pflegeregresses sei die 24-Stunden-Betreuung zu Hause weniger attraktiv geworden. Das habe dazu geführt, dass zwischen 15 und 20 Prozent mehr Menschen in Heimen gepflegt werden möchten. Niessl sprach sich daher, ähnlich wie der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), für eine bessere finanzielle Unterstützung bei der 24-Stunden-Betreuung zu Hause aus. Die Pflege daheim könne etwa durch Pension, Pflegegeld sowie durch Zuschüsse von Land und Bund finanziert werden. Auch pflegende Angehörige sollten besser abgesichert werden.

Mehr Anreize für Pflege zu Hause

Für die 24-Stunden-Pflege zu Hause brauche es höhere Anreize durch den Bund. Die bereits festgelegten 550 Euro an Unterstützung müssten „deutlich“ aufgestockt werden. Im Burgenland gebe es für diese Form der Betreuung einen Zuschuss von bis zu 600 Euro durch das Land.

Außerdem müsse der Bund die durch die Abschaffung des Pflegeregresses anfallenden Mehrkosten für die Länder zur Gänze abgelten. Die dafür vorgesehenen 100 Millionen Euro betrachte er als „erste Rate des Bundes an die Länder. Die reichen nicht einmal für das erste Halbjahr“, meinte Niessl.

Erbschaftssteuer ab einer Mio. als Gegenfinanzierung

Als Gegenfinanzierung für die Absicherung der Pflege schlug der Landeshauptmann eine Erbschaftssteuer ab einer Million Euro vor. Dieses Geld müsste zweckgebunden für die Pflege verwendet werden. „Diese Maßnahme würde die Millionäre, Millionenerben in Österreich, nicht ärmer machen, aber Österreich gerechter machen“, sagte Niessl.

Die Abschaffung des Pflegeregresses befürwortete er. Der Vermögenszugriff habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass es eine „quasi 100-Prozent-Erbschaftssteuer“ gegeben habe. In vielen Fällen sei durch die Pflege das erworbene Vermögen zur Gänze von der öffentlichen Hand in Anspruch genommen worden. „Mir ist lieber, es zahlen die Millionäre einen kleinen Prozentsatz an Erbschaftssteuer, als wir haben für Leute, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, 100 Prozent Erbschaftssteuer“, stellte Niessl fest.

Kritik nach 100 Tagen ÖVP-FPÖ-Regierung

Der „neoliberale Zugang der ÖVP“ habe sich bis jetzt weitestgehend durchgesetzt, zog Niessl nach 100 Tagen ÖVP-FPÖ-Koalition Bilanz. Es seien viele Maßnahmen gegen kleine und mittlere Einkommensbezieher gesetzt worden.

Als Beispiele nannte der Landeshauptmann die Abschaffung des Beschäftigungsbonus und das Ende der „Aktion 20.000“ sowie die Einführung des Zwölfstundentages. Unterm Strich handle es sich um Maßnahmen, die sich gegen die Schwächeren in der Gesellschaft richten würden.

Migranten als Sündenböcke

Die ÖVP-FPÖ-Koalition profitiere zurzeit von der guten Konjunkturlage. Auch die Tatsache, dass im Vorjahr unter der alten Bundesregierung die niedrigsten Schulden seit 16 Jahren gemacht worden wären, komme der ÖVP-FPÖ-Koalition entgegen. Dort, wo es nicht funktioniere, würden von der Regierung die Migranten verantwortlich gemacht, merkte Niessl an.

Niessl befürchtet Rückschritte im Bildungsbereich

Für den Bildungsbereich habe er den Eindruck, dass es deutliche Rückschritte geben werde. Beispielsweise werde durch die „Schulaufsicht neu“ die fachspezifische Schulaufsicht beendet. Moderne Formen des Teamteaching würden abgeschafft, und die Schulautonomie werde reduziert statt ausgebaut.

Angst um den Assistenzeinsatz

Beim Budget für das Bundesheer sei die vom früheren Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) eingeleitete Trendumkehr gestoppt worden - „und der Heeresminister (Mario Kunasek, FPÖ, Anm.) weiß, dass er mit dem vorhandenen Geld nicht auskommt“. Durch die Kürzungen beim Heeresbudget bestehe zudem die Gefahr, dass der Assistenzeinsatz nicht weiter aufrechterhalten werden könne.

Falscher Weg in Sachen AMS

Bei der Ausweitung der Mangelberufsliste sprach sich Niessl für das deutsche Modell aus. Dieses sehe vor, dass es nur in jenen Branchen Mangelberufe geben könne, in denen Lehrlinge ausgebildet werden und in denen es einen Anstieg des Lohnniveaus gibt. Dass beim Arbeitsmarktservice (AMS) die Mittel für Integration gekürzt würden, sah der Landeshauptmann als verkehrten Weg.

Familienbonus: Jedes Kind gleich viel wert

Den „Familienbonus“ erachtete der Sozialdemokrat als „ungerecht“, da dieser Menschen mit geringem Einkommen benachteilige. Für ihn sei jedes Kind gleich viel wert. „Für mich ist jede Alleinerzieherin, die auch teilzeit arbeitet und ihr Kinder erzieht, ebenfalls eine Leistungsträgerin unserer Gesellschaft, und auch ihrem Kind stehen diese 1.500 Euro zu“, sagte Niessl.

In Sachen Mindestsicherung zeigte sich der Landeshauptmann überzeugt, dass das burgenländische Modell einer Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof standhalten würde. Die beste Lösung sei allerdings eine österreichweite Regelung.