A4-Drama: Ermittler empfehlen Anklage

Gegen acht mutmaßliche Schlepper soll im Zusammenhang mit dem A4-Flüchtlingsdrama im Vorjahr in Ungarn Anklage erhoben werden. Das gab die ungarische Polizei am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Budapest bekannt.

Die sieben Bulgaren und ein Afghane sitzen in Untersuchungshaft und werden für den Erstickungstod von 71 Flüchtlingen in einem Kühl-Lkw verantwortlich gemacht, der am 27. August 2015 an der Ostautobahn im Burgenland entdeckt worden war. Laut Zoltan Boross vom Nationalen Fahndungsbüro der Bereitschaftspolizei werden drei weitere Verdächtige mit internationalen Haftbefehlen gesucht.

Täter wussten bei Grenzübertritt von Tragödie

Der Termin für den Prozessbeginn könnte sich verzögern, da die Beschuldigten nun die Möglichkeit der Einsicht in die Ermittlungsakten erhalten. Laut Boross hätten die mutmaßlichen Täter bereits bei Überschreiten der ungarisch-österreichischen Grenze gewusst, dass die Flüchtlinge im Kühl-Lkw nicht mehr leben. Die Menschen seien innerhalb von drei Stunden erstickt.

A4-Kühl-Lkw

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In diesem Lkw erstickten die 71 Flüchtlinge

Den Ermittlern, die den Lkw öffneten, bot sich ein grauenhaftes Bild. Die 71 Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und dem Iran hatten auf engstem Raum in dem luftdicht abgeschlossenen Lastwagen um ihr Leben gekämpft. Unter ihnen befanden sich drei Familien mit mehreren Kindern.

1.500 Euro für Transport von Ungarn

Die Schleppungen seien von einem in Ungarn als Schutzsuchender lebenden Afghanen gelenkt worden. Es würde für die Brutalität und Gier der Verdächtigten sprechen, dass sie einen Tag nach Aufdeckung der Tragödie bereits auf einer neuen Schleppertour mit 67 Flüchtlingen gewesen seien, erinnerte Boross.

Pressekonferenz der ungarischen Polizei

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Pressekonferenz der ungarischen Polizei in Budapest

1.200 bis 1.500 Euro sei der Preis für den Transport von Ungarn nach Deutschland gewesen, von Afghanistan nach Deutschland wiederum seien es bis zu 6.000 Euro gewesen. Die Bande soll während ihren Aktionen mehr als 1.000 Migranten in den Westen geschmuggelt haben. Die mit der Schlepperei lukrierten Einnahmen der Gruppierung werden auf mehr als 15,5 Millionen Euro geschätzt.

100 Fahnder im Einsatz

Bei den umfangreichen Ermittlungen, an denen 100 Fahnder teilnahmen, wurden über 4.000 Seiten Fahndungsmaterial in die ungarische Sprache übersetzt. 1.500 Stunden Kameraaufnahmen wurden analysiert. Boross lobte die gute Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden, von denen Ungarn im November 2015 den Fall übernommen hatte.

Schlepperei boomt

An der Pressekonferenz nahm auch Robert Crepinko teil, Leiter des bei Europol angesiedelten Anti-Schlepper-Zentrums (EMSC). Laut Crepinko habe das A4-Flüchtlingsdrama den internationalen Charakter dieser Kriminalitätsform aufgezeigt, da die mutmaßlichen Schlepper aus verschiedenen Ländern kamen. Umso wichtiger sei die internationale Kooperation der Behörden. Der Markt der Schlepperei boome und habe den Betreibern im vergangenen Jahr rund fünf bis sechs Milliarden Euro eingebracht, erinnerte Crepinko.

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