A4-Flüchtlingsdrama: Anklage wegen Mordes

Fast zwei Jahre nach dem Flüchtlingsdrama auf der Ostautobahn (A4) bei Parndorf mit 71 Toten wird gegen die Schlepper Anklage wegen Mordes und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung erhoben.

Der Chefankläger der Oberstaatsanwaltschaft des ungarischen Komitats Bacs-Kiskun, Laszlo Nanasi, gab diese Entscheidung am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Kecskemet bekannt. Elf Männer aus Afghanistan, Bulgarien und dem Libanon werden angeklagt: vier von ihnen wegen Mordes, für sie hat die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Gefängnisstrafe beantragt.

Prozess beginnt im Juni

Der Prozess wird ab Juni am Gerichtshof Kecskemet stattfinden. Für den Prozess sind laut Gericht Kecskemet 30 Verhandlungstage anberaumt. Im Juni sind zunächst sechs Verhandlungstage geplant. Im Juli und August werden an drei weiteren Verhandlungstagen Zeugen aussagen. Im September kommen beim Prozess die Sachverständigen zu Wort. Mit einem Urteil ist erst Ende des Jahres zu rechnen, sagte Gerichtssprecherin Anett Petroczy.

Anklage: Tod der Flüchtlinge in Kauf genommen

Neun Beschuldigte warten in der Untersuchungshaft auf die Hauptverhandlung, während gegen zwei Angeklagte, die noch auf der Flucht sind, in Abwesenheit Anklage erhob wurde. Die Verdächtigen hätten billigend den Tod der Flüchtlinge in Kauf genommen, so die Anklage. Die Geschleppten hätten bereits eine halbe Stunde nach der Abfahrt mit Hämmern, Klopfen und Geschrei darauf aufmerksam gemacht, dass sie keine Luft bekommen. Der Fahrer habe dennoch die Tür nicht geöffnet.

Kühl-Laster

ORF

In diesem Kühllaster wurden 2015 die Leichen der Flüchtlinge entdeckt

Die Tragödie hatte sich am 27. August 2015 ereignet, die 71 Flüchtlinge - 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder - erstickten in einem Kühllaster. Anfang April schloss die ungarische Polizei die Ermittlungen ab, leitete die Ergebnisse an die zuständige Staatsanwaltschaft weiter und empfahl die Anklage - mehr dazu in A4-Drama: Ermittlungen abgeschlossen.

Wendepunkt der Flüchtlingspolitik

Das A4-Flüchtlingsdrama war 2015 ein Wendepunkt in der Flüchtlingskrise, es Dieser Fund veränderte die Flüchtlingspolitik in Österreich und ganz Europa, die Thematik wurde nicht mehr nur als Problem der Mittelmeer-Anrainerländer wahrgenommen, sondern war mitten in Europa angekommen - mehr dazu in Flüchtlings-Drama auf A4: Ein Jahr danach.

Die Gemeinde Parndorf gab als immaterielles Mahnmal für die Tragödie ein Theaterstück in Auftrag: „71 oder der Fluch der Primzahl“ beruht auf Textbeiträgen von 21 burgenländischen Autorinnen und Autoren und auf Interviews mit Menschen, die an der Aufarbeitung des tragischen Geschehens beteiligt waren - mehr dazu in Erfolgreiche Premiere von „71“.