Novemberpogrome: 75 Jahre danach

Vor genau 75 Jahren erreichte die Verfolgung von Juden durch die Nationalsozialisten in der von den Nazis so genannten „Reichskristallnacht“ einen negativen Höhepunkt. Im Burgenland gab es in der Nacht vom 9. auf den 10. November Angriffe auf Synagogen.

Über Jahrhunderte gab es im Burgenland blühende jüdische Gemeinden. Im November 1938 war es damit vorbei. Dann war das Burgenland „judenfrei“, wie die Nazis menschenverachtend formulierten. Sie verfolgten die Juden im Burgenland besonders früh und brutal, enteigneten und vertrieben sie.

Übergriffe auf Synagogen

Da in der Pogromnacht so gut wie keine Juden mehr im Land waren, beschränkten sich die Übergriffe auf Synagogen. In Güssing wollten die Nazis die Synagoge anzünden, erzählt Johannes Reiss vom Österreichischen Jüdischen Museum in Eisenstadt: „Wir wissen, dass in Güssing in der Pogromnacht die Wertgegenstände des jüdischen Viertels und die Kultgegenstände der Synagoge vor der Synagoge verbrannt wurden. Die Synagoge wurde davor bereits geplündert. Die Synagoge selbst wurde zwei Mal angezündet, zwei Mal ist das Feuer erloschen.“

Die Gemeindesynagoge von Eisenstadt war schon im Sommer 1938 von Nazis heimgesucht worden. „Im Juni 1938, so berichten Internatsschüler aus Eisenstadt, hörte man hier das Glas splittern. In der Pogromnacht selbst wurde die Synagoge ausgeraubt und später in einen Depotraum der Wehrmacht umgebaut“, sagt Johannes Reiss.

Synagoge

ORF

Die Privatsynagoge der Familie Wolf in Eisenstadt.

Die Synagoge in Mattersburg wurde im September 1940 gesprengt, jene in Deutschkreutz im Februar 1941. Andere Synagogen, wie die in Kobersdorf und Stadtschlaining, blieben durch Zufall erhalten. Steinerne Zeugen eines dunklen Kapitels der heimischen Geschichte.

„Kirchen tragen Mitschuld“

Der Eisenstädter Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics und Superintendent Manfred Koch finden klare Worte zu der Pogromnacht vor 75 Jahren. Und zwar in einem gemeinsamen Brief an ihre Pfarrgemeinden. Die Botschaft: Die Kirchen tragen Mitschuld an der Verfolgung der Juden.

„Unsere Kirchen haben gegen sichtbares Unrecht nicht genügend protestiert, viele unserer Gläubigen haben geschwiegen und weggeschaut.“ Mit diesen Worten gestehen Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics und Superintendent Manfred Koch die Mitschuld der Christen an der Judenverfolgung unter dem Nazi-Unrechtsregime ein.

Es sei aus theologischer Sicht ein Skandal, dass so wenig geschwisterlich gegen die „älteren Brüder und Schwestern im Glauben“ gedacht und gehandelt wurde. Im ganzen Burgenland gibt es keine einzige jüdische Gemeinde mehr. „Es ist ein Verlust (...) und wir müssen diese Leerstelle in unserer Mitte aushalten - nicht überspielen und vergessen“, schreiben die beiden kirchlichen Amtsträger.

Brief von Zsifkovics und Koch:

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

„Christlicher Glaube ohne jüdische Religion undenkbar“

Ohne die jüdische Religion sei der christliche Glaube nicht denkbar. Jesus, seine Mutter und seine Jünger seien Juden gewesen. Man müsse sich vor Augen halten, dass das jüdische Volk nicht verworfen wurde, wie das fast 2.000 Jahre lang behauptet wurde und dass die Kirche eine Mitschuld an der Verfolgung der Juden trage. Klare Worte richten Zsifkovics und Koch auch an all jene, die meinen, es müsse jetzt endlich Schluss „mit diesen alten Geschichten“ sein: „Unser Gott ist ein Gott der Unrechtstaten nicht billigt, sondern die Menschen in die Verantwortung ruft.“