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OGH: Republik haftet nicht für Schäden von Anlegern

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat im Fall Commerzialbank Mattersburg eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Die Republik haftet nicht für Vermögensschäden von geschädigten Bankkunden aufgrund einer fehlerhaften Bankaufsicht. Unter den Großanlegern herrscht teils Enttäuschung.

62 Commerzialbank-Großanleger haben die Republik geklagt – darunter der Frequentis-Konzern und Wohnbaugenossenschaften wie Heimbau, Volksbau und Gesiba mit teils verlorenen Bankeinlagen von je über 20 Millionen Euro. In Summe betragen die geltend gemachten Ansprüche rund 1,1 Milliarden. Jetzt gibt es das erste und richtungsweisende Urteil des Obersten Gerichtshofs betreffend eine Amtshaftungsklage des Beratungsunternehmens msg Plaut auf 1,2 Millionen.

Seit 2008 neue gesetzliche Regelung für Großanleger

Kern des Urteils ist laut Wolfgang Peschorn, dem Präsidenten der Finanzprokuratur und quasi Anwalt der Republik, „dass der Staat für ein Fehlverhalten der Bankenaufsicht nur so weit haftet, als ein Schaden bei der Aufsicht, bei der Bank oder beim Versicherungsunternehmen eintritt, aber nicht für die individuellen Vermögensschäden eines Anlegers oder Einlegers“.

Das überrascht noch nicht allzu sehr, weil der Verfassungsgerichtshof im Jänner genau diese Regelung im Finanzmarktaufsichtsgesetz für verfassungs- und EU-rechtskonform erklärt hat. Während also nach den Pleiten, etwa von Riegerbank und BHI, die Republik gehaftet hat, gilt seit 2008 diese für Großanleger über 100.000 Euro ungünstigere gesetzliche Regelung.

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Ehemalige Commerzialbank Mattersburg

Das aktuelle OGH-Urteil geht aber darüber hinaus. Der Kläger hat der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und der Staatsanwaltschaft Eisenstadt vorgeworfen, nach der ersten Whistleblower-Anzeige betreffend die Commerzialbank im Jahr 2015 nicht ausreichend geprüft und kein Ermittlungsverfahren eingeleitet zu haben. Auch hier entscheidet der OGH eher formaljuristisch. „Er verweist darauf, dass die Bestimmungen über die Einleitung eines Strafverfahrens nicht den Zweck haben, einen Gläubiger vor einem Schaden zu schützen, und bringt Klarheit, dass aus der Nichteinleitung eines Strafverfahrens keine Amtshaftung stattfinden kann“, so Peschorn.

Auch Land Burgenland haftet nicht

Demzufolge kann aus den Handlungen von vier Behörden, Finanzmarktaufsicht, Nationalbank-Prüfer, WKStA und Staatsanwaltschaft Burgenland, keine Amtshaftung abgeleitet werden und fünftens auch nicht, was einen behaupteten Fehler bei der Auswahl des Bankrevisors betrifft. „Damit ist auch das Land Burgenland in diesem Punkt aus einer Haftung draußen.“

Das Land Burgenland nehme man das Urteil „selbstverständlich zur Kenntnis“, erklärte Anwalt Johannes Zink in einem Statement gegenüber der APA. „Es ist allerdings bedauerlich für alle Sparer, die bisher dachten, dass die FMA und die ÖNB auf ihr Geld aufpassen würden. Das ist offensichtlich nicht der Fall.“ Seine Kritik richte sich nicht an die Justiz, sondern den Gesetzgeber, der die Sparer im Regen stehen lasse und die „mangelhafte Arbeit der Aufsichtsbehörden deckt“. Eine Reform der Bankenaufsicht sei daher dringend nötig, so Zink.

Peschorn: Aufmerksamer sein, wenn Banken allzu gute Konditionen anbietet

Was die 61 anderen Verfahren betrifft, geht der Rechtsanwalt Gerwald Holper davon aus „dass auch alle anderen Verfahren in diesem Sinne ausgehen werden“, zumindest was die Haftung der Finanzmarktaufsicht betreffe. Aber Holper hat mit seinen Kollegen als Masseverwalter der Commerzialbank eine Klage über 300 Millionen Euro eingebracht. Das ist der in den letzten zehn Jahren entstandene Schaden. Dafür sieht er deutlich bessere Chancen aufgrund des Finanzmarktaufsichtsgesetzes. Aber selbst wenn die Republik für diese 300 Millionen haftet, wird sich für die Commerzialbank-Anleger kaum etwas ändern. Die 300 Millionen dürften dann fast zur Gänze an die Einlagensicherung gehen, die pro Sparer bis zu 100.000 Euro ausgezahlt hat. Was also die Großanleger betrifft: „Da wird’s dann mit Sicherheit eng.“ Die Lehre für die Zukunft muss laut Finanzprokuratur-Chef Peschorn sinngemäß lauten: Sparer, Bankaufsichtsräte, aber auch andere Banken werden selbst aufmerksamer sein müssen, wenn eine Bank allzu gute Konditionen bietet.

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Unter den Großanlegern sind zahlreiche Wohnbaugenossenschaften, die teils zwischen zehn und 30 Millionen Euro verloren haben

Gesiba will weitere rechtliche Schritte prüfen

Gesiba-Generaldirektor Ewald Kirschner zeigte sich enttäuscht vom aktuellen OGH-Urteil und fragt: „Was soll man alles machen als Anleger oder als kleiner Sparer? Man holt sich das Rating vom Kreditschutzverband, das besser war als bei der Unicredit. Und die Bilanzen haben alle den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Ich weiß nicht, was man hier als Anleger noch alles überprüfen soll. Vielleicht hätte die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank ihre Prüfpflicht sorgfältiger wahrnehmen sollen“, so Kirschner.

Bedenklich sei auch, dass die Staatsanwaltschaften nach der ersten Whistleblower-Meldung 2015 nicht ermittelt haben, sagt Kirschner. Doch diese Argumente greifen nicht laut dem neuen und ersten OGH Urteil betreffend die Commerzialbank und die Amtshaftungsklage des Beratungsunternehmens msg Plaut7. Die Gesiba will mit ihren Anwälten beraten, ob weitere rechtliche Schritte ihrerseits noch sinnvoll sind. Laut dem Bankrechtsexperten Stefan Perner von der Wirtschaftsuniversität haben die anderen Kläger keine Chance mehr.

Lichtenegger: „Keine erfreuliche Wendung“

Isabella Lichtenegger, Gründerin der „Selbsthilfegruppe der Commerzialbank-Mattersburg-Kunden“ sagte, dass Urteil sei „keine erfreuliche Wendung" für die Sparer. Die Kunden hätten das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren. " Es wird aus meiner Sicht noch sehr lange dauern, bis die Kunden ihr Vertrauen wiedergewinnen – das Vertrauen in die Banken, aber auch das Vertrauen in den Staat“, so Lichtenegger.

Sagartz: SPÖ trage Mitverantwortung

Das OGH-Urteil sei ein Schlag ins Gesicht der geschädigten Bankkunden, so ÖVP-Landesparteiobmann Christian Sagartz. Daran, dass es aber überhaupt soweit kommen konnte, trage die SPÖ eine Mitverantwortung und müsse sich dieser auch stellen.

Fürst zu Sagartz: „Schwachsinn“

Sagartz würde die „OGH-Entscheidung für seine primitive Parteipolitik missbrauchen“, reagierte SPÖ-Landesgeschäftsführer und Fraktionsführer im Commerzialbank Untersuchungsausschuss Roland Fürst auf die Kritik der ÖVP. "Herr Sagartz hat von den Ergebnissen des U-Ausschusses offensichtlich wenig mitbekommen, sonst würde er nicht so einen Schwachsinn absondern“, so Fürst.