Der staatlich subventionierte Einheitspreis von 480 Forint (1,24 Euro) je Liter Super-Benzin (Oktanzahl 95) beziehungsweise Diesel gilt nur noch für Einheimische, Ausländer sollen den deutlich höheren Marktpreis zahlen – berichtet wird von einem Aufschlag von 60 Cent je Liter. Die ungarische Regierung hatte den amtlich festgesetzten Spritpreis vergangenen November verfügt – mehr dazu in Ungarn: Tankfüllung um bis zu 40 Euro billiger.
Zunächst IT-Probleme
Am Freitag hatte an den Tankstellen ob der Kurzfristigkeit der behördlichen Anweisung teils noch Chaos geherrscht. Mitgliederberichten des Mobilitätsclubs ÖAMTC zufolge waren ausländische Autofahrer an ungarischen Tankstellen abgewiesen worden, so etwa bei der OMV in Sopron. Der österreichische Mineralölkonzern hatte am ersten Tag noch Probleme bei der Umstellung von Kassensystemen und IT eingeräumt. Am Samstag funktionierte das dann offenbar, zumindest in Köszeg.
Rechtmäßigkeit umstritten
Die Rechtmäßigkeit der ungarischen Neuregelung ist umstritten. Deshalb hat sich der österreichische Verkehrsklub nun an die EU gewandt. „Wir sind heute mit einer Anfrage bei der Kommission vorstellig geworden, ob es sich dabei um einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot handelt“, sagte Grasslober am Montag zur APA.
Indirekte Diskriminierung in der EU grundsätzlich verboten
Der Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät, Walter Obwexer, sieht darin eine indirekte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, wie er in einem exklusiven Interview mit dem ORF Burgenland sagte. Denn die neue Regelung für das Tanken in Ungarn ziele auf Halter mit ungarischem Kennzeichen ab, so Obwexer.
Das seien in erster Linie ungarische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Indirekte Diskriminierungen seien in der Union grundsätzlich verboten, sofern es dafür keinen wichtigen Rechtfertigungsgrund gebe und die Regelung verhältnismäßig ausgestaltet sei – mehr dazu in Experte: Ungarische Regelung diskriminierend.
COBIN claims erwägt erste rechtliche Schritte
Erste rechtliche Schritte signalisierte auch die Sammelklagsplattform COBIN claims. Der Verein habe am Wochenende eine „Sammel-Aktion“ für Betroffene gestartet. Zunächst gehe es darum, dass Autofahrerinnen und Autofahrer die Mehrzahlungen beim Tanken in Ungarn genau dokumentierten, teilte COBIN claims am Montag mit. Parallel dazu lote die Plattform „Möglichkeiten einer gesammelten Rechtsdurchsetzung bzw. Sammelklage“ aus. Der Verein wurde 2017 gegründet und kümmert sich um Massenschadenfälle.
Nicht-Ungarn müssen rund 60 Cent mehr bezahlen
Ein COBIN-claims-Lokalaugenschein habe ergeben, dass nicht-ungarische EU-Bürger pro Liter Sprit umgerechnet um rund 60 Cent mehr bezahlen müssten. Ungarn scheine bei dem „Ausländeraufschlag“ strikt vorzugehen: Eine Angestellte einer Tankstelle in Grenznähe habe erzählt, dass mittels Video-Aufzeichnung geprüft werde, ob die unterschiedlichen Sprittarife für Ungarn und Nicht-Ungarn richtig abgerechnet würden. Falls die Angestellte für ausländische Kfz nicht den erhöhten Preis abrechne, drohten ihr selbst dienstrechtliche Konsequenzen.
ARBÖ: Regierung hätte Autofahrer entlasten müssen
Einen „klaren Fall für die EU-Rechtssprechung“ sieht auch der burgenländische ARBÖ-Landesgeschäftsführer Martin Heissenberger in den differenzierten Spritpreisen. Dass viele Burgenländer zuletzt zum Tanken über die Grenze nach Ungarn gefahren seien, liege aber vor allem an Österreich: „Es wäre für die Bundesregierung ein Leichtes gewesen, die Autofahrer zu entlasten und die Steuern auf Treibstoffe zu senken“, kritisierte Heissenberger. Stattdessen würden Diesel und Benzin mit der CO2-Bepreisung ab 1. Juli nochmals teurer. „Die Bundesregierung macht exakt das Gegenteil von dem, was derzeit dringend notwendig wäre“, betonte der Landesgeschäftsführer.