Neusiedler See
ORF
ORF
Umwelt

See und Lacken durch Wassermangel bedroht

Der tiefe Wasserstand des Neusiedler Sees und die Folgen für Natur, Tourismus und Landwirtschaft standen Donnerstagabend im Mittelpunkt eines „Burgenland heute Spezial“. Aber auch im Seewinkel sinkt der Grundwasserspiegel und hier prallen Naturschutz und Landwirtschaft aufeinander.

Der Seewinkel ist einzigartiges Naturjuwel – einerseits landwirtschaftliche Lebensader und Gemüsegarten Österreichs, andererseits UNESCO-Welterbe und Nationalpark und beide Seiten brauchen Wasser aus der Tiefe, das immer weniger, wie am Zustand der Lacken abzulesen ist. Laut Hydrografischem Dienst des Landes befindet sich der Grundwasserspiegel derzeit nur knapp über dem niedrigsten jemals gemessenen Wert. Fast alle Lacken in mäßigem bis schlechtem Zustand, nur fünf gelten als halbwegs gesund.

Lacken im Seewinkel leiden unter Wassermangel
ORF
Die Lacken im Seewinkel leiden unter Wasssermangel

Einzigartige Natur bedroht

„Durch diesen niedrigen Grundwasserspiegel kann das Salz, das in den Bodenschichten vorhanden ist, nicht mehr an die Oberfläche transportiert werden. Das heißt, die Lacken süßen aus, werden undicht verschwinden“, sagt der Direktor des Nationalparks Neusiedler See – Seewinkel, Johannes Ehrenfeldner. Doch gerade die Lacken machen den Seewinkel zu einem international einzigartigen Vogelparadies. Auch deshalb entwickelte sich seit Jahren in der Region ein naturnaher, sanfter Tourismus, der nun ebenfalls in Gefahr ist. „Wenn sich nichts ändert, braucht man über eine Tourismus-Entwicklung im Seewinkel überhaupt nicht mehr nachdenken“, so Ehrenfeldner.

Ausgetrocknete Lacke
ORF
So manche Lacke ist schon ausgetrocknet

Tausende Hektar werden bewässert

Ändern sollte sich nach Ehrenfeldners Ansicht unter anderem die Landwirtschaft. Aus Tausenden Brunnen wird im Seewinkel das Grundwasser angezapft, um etwa Feldgemüse, Erdäpfel oder Saatmais zu bewässern. „Von 32.000 Hektar, die wir im Seewinkel ungefähr an landwirtschaftlicher Fläche haben, ist jährlich ca. ein Viertel zur Bewässerung bewilligt. Eine Vergleichszahl: sämtliches Wasser, das entnommen wird, entspricht 20 Millimeter Niederschlag im Bezirk“, erklärt der Vizepräsident der burgenländischen Landwirtschaftskammer, Werner Falb-Meixner.

Felder werden bewässert
ORF
Tausende Hektar werden bewässert

Umstellung gefordert

Die Bewässerung ist rechtlich gedeckt. In Summe darf die Landwirtschaft im Seewinkel jährlich maximal rund 20 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnehmen. Das werde kontrolliert. Unter einem gewissen Grundwasserstand werde die Beregnung gedrosselt bzw. auch gesperrt – letzteres sei aber noch nie der Fall gewesen, so Falb-Meixner. In Apetlon und in Illmitz wurden die Warnstufen heuer bereits unterschritten, es steht zu befürchten, dass das Verbotslimit hier erstmals erreicht werden könnte.

Naturschützer fordern zumindest eine Umstellung der Landwirtschaft, hin zu weniger bewässerungsintensiven Kulturen. Doch auch das hätte Konsequenzen – nämlich weniger Wertschöpfung und in weiterer Folge weniger Bauern, so Falb-Meixner. Die Landwirtschaft hofft daher auf eine Zuleitung aus der Donau aus Ungarn ins Grundwasser. Doch das könnte Jahre dauern.

„Dringender Handlungsbedarf“

„Auch die Landwirtschaft wird hier die Verantwortung übernehmen müssen, dass man auf klimafreundliche Produktion umsteigt, dass man die Kulturen möglicherweise ändert, dass man auf modernere Bewässerungssysteme umsteigt. Das wird sicherlich ein Zeichen der Zukunft sein müssen, auch in der Landwirtschaft“, sagt dazu die zuständige Landesrätin und Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf (SPÖ). Es gehe hier nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, gemeinsam Lösungen zu finden.

„In Wahrheit gibt es hier keinen Zeithorizont mehr oder kein Zeitfenster mehr, um zu warten. Es ist dringender Handlungsbedarf. Deswegen ist auch schon vor zwei Jahren eine Task Force Neusiedler See ins Leben gerufen worden, wo es darum geht, Möglichkeiten zu evaluieren, wie man zu einem höheren Wasserstand gelangen kann und gleichzeitig auch die Grundwasserproblematik angeht“, so Eisenkopf.

Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf im Gespräch mit Martin Ganster

Wasserstand des Neusiedler Sees auf historischem Tief

Seit 1965 wird der Wasserstand des Neusiedler Sees offiziell aufgezeichnet. Dieses Jahr ist der Pegel auf einen historischen Tiefststand gesunken, er ist derzeit so niedrig, wie niemals zuvor im Mai. Momentan liegt der Pegel bei 115,22 Meter über der Adria. Das sind 36 Zentimeter weniger als normal – und das bei einem See, der durchschnittlich nur einen Meter tief ist.

Grafik zum aktuellen Wasserstands des Neusiedler Sees
ORF

Tausende Menschen leben vom See

Der Neusiedler See ist zweifelsohne die bekannteste Touristen-Attraktion des Burgenlandes. Für Wassersportler ist er ein Eldorado, für die Gastronomie und Hotellerie ein wichtiger Gästebringer. Vom See leben direkt und indirekt Tausende Menschen in der Region. Sie alle blicken angesichts der derzeitigen Lage besorgt in die Zukunft, so etwa auch die Betreiberin des Yachthafens in Oggau, Maria Butterfly. „Es ist sehr schwer momentan, weil die großen Boote nicht mehr ins Wasser gehen und natürlich haben wir auch weniger Plätze belegt bzw. haben viele Leute gesagt, ich nutze meinen Liegeplatz dieses Jahr nicht, weil ich dieses Jahr vielleicht nur mehr drei, zwei Wochen fahren kann“, so Butterfly.

Feuerwehrboot
ORF
Die Feuerwehren können nur beschränkt ausfahren

Selbst die Feuerwehren sind am See derzeit nur beschränkt einsatzbereit. Es sei unmöglich, mit dem Boot zu fahren, weil einfach zu wenig Wasser vorhanden sei, so Gerald Tobler von der Feuerwehr Breitenbrunn: „Es geht nix, es ist katastrophal.“

Auch Fischer und Winzer betroffen

Auch für die letzten Berufsfischer wird die Lage zunehmend schwieriger. „Momentan geht es noch gut“, so der Berufsfischer Helmut Schwarz. Für den Sommer befürchtet er allerdings große Probleme. Sogar auf den Weinbau wirkt sich der sinkende Wasserstand im See aus. Die Süßweinproduktion werde immer mehr zurückgehen, denn dafür brauche es den Botrytis-Pilz und der wiederum brauche die Feuchtigkeit vom See, sagt der Winzer Christian Rainprecht aus Oggau.

Reportage von ORF-Burgenland-Reporter Kurt Krenn

Bis zum Sommer wird Pegel weiter sinken

Christian Sailer, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft in der Landesregierung sagt zum aktuellen Wasserstand des Sees: „Es kommt darauf an, aus welcher Sicht man das sieht. Aus der Sicht des Sees wird es nicht dramatisch werden. Natürlich, wenn unterschiedliche Nutzungsansprüche dann wegfallen könnten, wie zum Beispiel die Segler mit Booten, mit großem Tiefgang -dann wird es für diese Menschen dramatisch sein. Also unsere Prognosen sagen voraus, dass circa 20 Zentimeter bis Ende Juli möglich sein könnten. Das ist aufgrund der Auswertungen der langjährigen Aufzeichnungen das wahrscheinliche Szenario.“

Wasserzuleitung angedacht

Der Neusiedler See hat nur wenige natürliche Zuflüsse, der größte ist die Wulka. Durch die Zuflüsse und ein wenig Grundwasser kommt aber nicht besonders viel Wasser in den See. Rund 80 Prozent der Wasserzufuhr passieren durch Niederschläge. Fehlen also die Niederschläge, wird die Wassersituation dramatisch. Die einzige Möglichkeit derzeit den Wasserstand zu kontrollieren ist der Einser-Kanal. Mit einer Schleuse, die auf ungarischem Gebiet liegt, kann das Wasser aber nur aus dem See abgelassen werden.

Daher gibt es nun den Plan, aus Ungarn – von einem Nebenarm der Donau – Wasser in den See und in die Bewässerungskanäle im Seewinkel zu leiten, um so fehlende Niederschläge auszugleichen.

Natürliche Zuflüsse zum Neusiedler See und die mögliche Zuleitung aus der Donau

Um eine Austrocknung des Sees zu verhindern, wird ist eine Wasserzuleitung aus der Donau über Ungarn in den See angedacht – mehr dazu in Kampf gegen sinkende Wasserstände.

Zum aktuellen Stand sagt Sailer: „Stand der Dinge ist, dass die nationale Finanzierung in Ungarn nicht steht. Aber es sind alle erforderlichen Maßnahmen getroffen worden, es bestehen die Ausschreibungen, die Vergabe ist noch nicht erfolgt. Sobald die Finanzierung auf ungarischer Seite steht, werden wir auch mit unseren Planungen fortsetzen auf österreichischer Seite, da dadurch gewährleistet ist, dass die Wasserzuleitung kommen wird.“

Naturschützer wie Bernhard Kohler vom WWF Österreich sehen eine derartige Zuleitung kritisch. Befürchtet werden ökologisch unerwünschte Effekte, wie etwa eine stärkere Verschlammung und ein geringerer Salzgehalt, der für den Bestand des Sees wichtig sei.