Skelett wird ausgegraben
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Geschichte

Das Rätsel um das Brunnenskelett von Bruckneudorf

Im Auftrag des Bundesdenkmalamtes, mit Mitteln der ASFINAG, werden im Zuge des Ausbaus der Autobahn A4 neben der bereits bekannten „Villa Rustica“ archäologische Grabungen durchgeführt. Auf einer Fläche von fast fünf Hektar wurden bereits 6.000 Objekte entdeckt, darunter auch ein menschliches Skelett in einem Brunnen.

Dieses menschliche Skelett im Brunnen sei ein sehr seltener Fund, sagt Grabungsleiter Maciej Karwowski. Er geht davon aus, dass es sich um eine „sekundäre Bestattung“ handelt, also dass der Leichnam in den Brunnen geworfen wurde, als dieser zugechüttet wurde. Genaueres kann man allerdings erst nach einer genauen Analyse sagen.

Skelett im Brunnen wird ausgegraben
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Das Skelett im Brunnen wird vorsichtig freigelegt

Skelett wird an der ÖAW analysiert

Diese Analyse wird am Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) durchgeführt. Archäologin Estella Weiss-Krejci ist bereits sehr gespannt auf das Brunnenskelett. „Wenn ein Mensch stirbt und in der Erde bestattet wird, dann findet Bioerosion statt, das heißt, die Bakterien zerfressen alles. Es gibt aber bestimmte Umstände, wo das gestoppt wird, zum Beispiel, wenn die Leiche in Salz oder in einem Brunnen gelagert wird. Sie haben dann einen wunderschön erhaltenen Knochen, also innen, und der sieht aus wie von einer frischen Leiche, auch wenn er schon Jahrtausende alt ist“, so die Expertin.

Forscherin untersucht Skelett, Österreichische Akademie der Wissenschaft
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Estella Weiss-Krejci untersucht mit ihrem Team die Skelette aus Bruckneudorf

Bruckneudorf: Fundort mit viel Potential

Deshalb will Weiss-Krejci auch ein interdisziplinäres Forschungsprojekt an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit Gruppenleiter Andreas Heiss etablieren. Dafür müssen allerdings noch genügend Gelder lukriert werden, sagt sie. Bruckneudorf biete als Fundort jedenfalls viele interessante Fragestellungen und habe hohes Potential. Vor allem deshalb, weil die Quantität so „gewaltig“ sei, das habe man zu Beginn der Grabungen nicht erwartet, so Weiss-Krejci.

6.000 Fundstücke sind bei den Grabungen bereits entdeckt worden, bestätigt auch Karwowski. Darunter ein Gräberfeld im Nordteil mit etwa 200 Gräbern. Dieses Gräberfeld sei in der Literatur bereits bekannt, so Karwowski, weil an dieser Stelle bereits zwei Mal gegraben wurde – einmal Ende des 19. Jahrhunderts und ein weiteres Mal, als die Ostautobahn (A4) gebaut wurde. Dennoch hat man jetzt so viele Gräber entdeckt.

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Menschlicher Schädelknochen
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Forscherin untersucht Skelett, Österreichische Akademie der Wissenschaft
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Forscherin untersucht Skelett
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Skelett in Grab
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Villa rustica
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Antikes Glasgefäß
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Antike Fundobjekte
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Skizze eines Skeletts im Grab
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Knochenfunde
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Tonkrug wird ausgegraben
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Skelett im Brunnen wird ausgegraben
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Mauern eines Wirtschaftsgebäudes
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Viele Grabplünderungen

Neben den Skeletten wurden auch viele Grabbeigaben entdeckt. „Die Grabinventare sind interessant. In der römischen Provinz gab es die Tradition, Beigaben bei der Bestattung von Personen zu geben. In fast jedem gut erhaltenen Grab haben wir Glasgefäße, Schmuck und Keramik. Fast alle Gräber, die wir hier ausgegraben haben, wurden geplündert – und zwar schon damals in der römischen Kaiserzeit. Durch anthropologische Analysen kann man bestimmen, wann genau diese Plünderung passiert ist. Wenn das Skelett noch in einer anthropologischen Ordnung liegt, heißt dass, dass es noch Weichteile am Körper gab. Das heißt also, die Plünderung, war ganz kurz nach der Bestattung“, führt Karwowski aus.

Skelett in Grab
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Eines der Gräber, das im Nordtteil der ausgegrabenen Stelle entdeckt wurde

Hohe Quantität war nicht zu erwarten

„Wenn man einmal mehr als 100 Bestattungen hat – und wir sind ja hier bereits bei 200 – dann kann man ganz andere Fragen stellen und man kann Vergleiche anstellen. Man kann etwa herausfinden, woran die Menschen gestorben sind, wie alt sie zum Zeitpunkt ihres Todes waren, was sie gegessen haben, wie die Lebensumstände waren“, so Weiss-Krejci. Diese Quantität sei allerdings auch eine große Herausforderung, vor allem in finanzieller Hinsicht. Denn man braucht ein großes Team, um das zu bewältigen und leider gelingt das oft nicht, bedauert die Archäologin, so landen oft viele Fundstücke, die von den Experten sorgfältig gereinigt und in säurefreien Kisten untergebracht werden, allzu oft für viele Jahre oder sogar Jahrhunderten in Depots.

Zusammenhang mit „villa rustica“

Neben dem Gräberfeld wurden auch gut erhaltene Mauern eines Wirtschaftsgebäudes entdeckt. Die Archäologen gehen davon aus, dass dieser frisch freigelegte Abschnitt mit der bereits seit langem bekannten „villa rustica“ – ein paar hundert Meter nebenan – in Zusammenhang steht. In der römischen Kaiserzeit, zirka im 1. bis zum 4. Jhdt n. Christus, war sie das Zentrum eines landwirtschaftlichen Betriebes.

„Das muss man sich so vorstellen, dass dieser Betrieb einen Versorgungsauftrag für die nahegelegene Großstadt Carnuntum hatte. Dort war auch der Sitz einer Legion mit einer Sollstärke von 5.000 bis 6.000 Mann. Und für die Versorgung war unter anderem auch die villa rustica zuständig“, erklärt Werner Melchart von der Gesellschaft der Freunde Carnuntums.

Villa rustica
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Die Mauern der „villa rustica“ sind sehr gut erhalten und sind zu besichtigen

Die „villa rustica“

Man geht davon aus, dass ein gewisser Caupianus, der im ersten Jahrhundert nach Christus, einer der ersten Besitzer des Hauses war. Das weiß man, weil ein Grabstein gefunden wurde mit der Inschrift „PRCB“. Übersetzt bedeutet diese Buchstabenkombination, dass Caupianus ein Fürst des Stammes der Boier war. „Also eine hochstehende Persönlichkeit, die allerdings offensichtlich versklavt worden ist. Weil sein Vorname COCCEIUS lautet. Und das war de Vorname des Kaisers Nerva, der in den 90er-Jahren nach Christus regiert hat. Und es war üblich, dass diese Namen die Freigelassenen angenommen haben“, erklärt Melchart.

Grabstein des Caupianus
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Der Grabstein des Caupianus

Ausstellung geplant

Melchart setzt sich dafür ein, dass die vielen Fundstücke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Gemeinsam mit Gerhard Dreiszker (SPÖ), Bürgermeister von Bruckneudorf, plant er eine Ausstellung, die nächstes Jahr zu Ostern eröffnet werden soll. „Mir ist diese Ausgrabung in Bruckneudorf sehr wichtig. Wir sind eine junge Gemeinde und das ist der Beweis, dass es uns schon länger gibt und dass Bruckneudorf, sowie das ganze Gebiet hier, sehr wichtig waren“, so Dreiszker.

Die vielen Fundstücke werden von der ASFINAG als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Bis zur Eröffnung werden wahrscheinlich noch viele weitere Fundstücke dazu kommen – denn es wird noch bis Herbst gegraben.

Antike Fundobjekte
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Das sind nur einige der vielen Fundstücke. Sie sollen in einer Ausstellung gezeigt werden.