Siegendorfer Puszta (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) – Fahndung: Schlepper auf Flucht
APA/ROBERT JAEGER
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Chronik

Zwei tote Flüchtlinge: Schlepper weiter auf der Flucht

Im Bezirk Eisenstadt-Umgebung und in Ungarn ist Dienstagabend weiter nach einem Schlepper gefahndet worden. Der Mann wurde Dienstagnachmittag mit einem Kleinbus bei Siegendorf angehalten und ist daraufhin geflüchtet – im Inneren des Busses waren 29 Flüchtlinge, zwei von ihnen waren tot.

In einem Kleinbus an der burgenländisch-ungarischen Grenze wurden die zwei toten Flüchtlinge entdeckt, bestätigte die Polizei gegenüber dem ORF Burgenland einen Bericht der „Kronen Zeitung“. Die beiden Männer dürften die Schlepperfahrt über die Grenze nicht überlebt haben. 27 weitere Personen wurden aufgegriffen.

Der Lenker des Kleinbusses flüchtete. Es wurde eine großangelegte Fahndung eingeleitet. „Wir haben alles Verfügbare im Einsatz – sowohl was Streifen betrifft als auch Hubschrauber, Drohnen und Diensthunde. Nachdem wir hier in der Nähe der ungarischen Grenze sind, sind auch die ungarischen Polizisten in die Fahndung einbezogen", so Polizeisprecher Helmut Marban am Nachmittag über die Alarmfahndung. Dienstagabend lief die Fahndung noch.

Obduktion soll Todesursache klären

Die zwei verstorbenen Männer dürften sich laut Polizei schon vor der Fahrt in einem schlechten körperlichen Zustand befunden haben, bevor sie starben. Sie dürften zwischen 25 und 30 Jahre alt gewesen sein. „Was die tatsächliche Todesursache ist, kann ich noch nicht sagen. Das muss natürlich eine Obduktion klären“, so Marban. Dass die Männer alle dehydriert gewesen seien sollen, konnte Marban Dienstagnachmittag nicht bestätigen. Den Überlebenden gehe es, nach seinem Wissensstand gut, so Marban. Sie wurden mit Wasser versorgt.

Zwei tote Flüchtlinge: Fahndung nach Schlepper

Im Bezirk Eisenstadt-Umgebung läuft eine Polizeifahndung nach einem Schlepper. Die Polizei bestätigte gegenüber dem ORF Burgenland einen Bericht der „Kronen Zeitung“, laut dem ein Mann 29 Menschen in seinem Fahrzeug transportiert haben soll, zwei davon sind tot.

Es habe sich bei den Migranten um Syrer und Kurden gehandelt, im Fahrzeug waren keine Frauen und Kinder. Welche Nationalität die beiden ums Leben gekommenen Männer hatten, konnte die Polizei noch nicht sagen. Die aufgegriffenen Flüchtlinge wurden am Dienstagnachmittag zu den Vorgängen bei der Schlepperfahrt als Zeugen befragt. Hierzu war auch ein Dolmetscher an Ort und Stelle.

Siegendorfer Puszta (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) – Fahndung: Schlepper auf Flucht
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Die Polizei ist auch mit einem Hubschrauber und Drohnen im Einsatz

Kleinbus durch Soldaten angehalten

Soldaten des Bundesheeres hatten das Fahrzeug laut Polizei in der Siegendorfer Puszta (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) angehalten und kontrolliert, weil es ihnen verdächtig vorgekommen war. „Wir konnten Schlimmeres verhindern“, meinte Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität im Bundeskriminalamt.

Das Gebiet rund um die Siegendorfer Puszta war im Zuge der Fahndung am Dienstagnachmittag weiträumig abgesperrt. Mit einem Polizeihubschrauber und Hunden wurde der Schlepper im Wald gesucht. Die Polizei ging davon aus, dass er bewaffnet sein könnte.

Polizeieinsatz
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Das Gebiet rund um die Siegendorfer Puszta musste gesperrt werden

Landeshauptmann Doskozil erschüttert und tief betroffen

Erschüttert und tief betroffen zeigte sich Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) über den schweren Fall von Schlepperkriminalität: „Die Parallele zur Flüchtlingstragödie von Parndorf 2015 mit 71 Toten ist erschreckend und zeigt einmal mehr die ganze Brutalität und Unmenschlichkeit der organisierten Schlepperkriminalität auf. Wir sind in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen.“ Doskozil war 2015 in seiner damaligen Funktion als Landespolizeidirektor unmittelbar mit den tragischen Ereignissen von Parndorf konfrontiert.

Der Vorfall mache aber auch einmal mehr deutlich, dass die österreichische Asyl- und Migrationspolitik aus den Ereignissen des Jahres 2015 nicht die nötigen Konsequenzen gezogen habe, so Doskozil: „Wir brauchen eine gesamteuropäische Reform des Asylwesens, die Asylverfahren schon außerhalb Europas ermöglicht und damit auch verhindert, dass Menschen sich auf gefährliche Fluchtwege begeben müssen.“

Der Fall löse bei ihm auch ein gewisses Unverständnis dafür aus, dass man es nicht schaffe, einen europäischen Schulterschluss zu machen, um dem Schlepperphänomen – das ja als organisierte Kriminalität dahinterstehe – entsprechend zu begegnen, so Doskozil. In dieser Frage manifestiere sich auch die Hilflosigkeit der Politik.

ÖVP-Chef Sagartz zeigt sich betroffen

Auch ÖVP-Landesparteiobmann Christian Sagartz zeigte sich betroffen. „Diese tragischen Nachrichten erschüttern uns zutiefst. Wir sind in Gedanken bei den Opfern und ihren Familien“, so Sagartz. Der heutige Tag führe vor Augen, dass der Kampf gegen Schlepperei entschlossen fortgesetzt werden müsse.

Bundespolitik zeigte sich ebenfalls erschüttert

„Meine Gedanken gelten den Opfern und deren Angehörigen. Diese schreckliche Tat zeigt eines klar auf: Der Tod eines oder mehrerer Menschen wird von Schleppern bewusst in Kauf genommen. Schlepperei gehört zu den menschenverachtendsten Formen der organisierten Kriminalität. Der Einsatz an der burgenländischen Grenze ist eine wichtige Maßnahme dagegen. Allein heuer hat die Polizei mehr als 250 Schlepper festgenommen“, so Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Tiefes Mitgefühl sprach auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) aus.

LKW verpixelt
ORF
Dieser Fall erinnert an die Flüchtlingstragödie in Parndorf, als im Jahr 2015 71 tote Flüchtlinge gefunden wurden

2015: 71 tote Flüchtlinge in Lkw

Das Burgenland war schon einmal Schauplatz einer Flüchtlingstragödie. Am 27. August 2015 hatte ein Mitarbeiter der ASFINAG auf der Ostautobahn (A4) bei Parndorf einen etwa 7,5 Tonnen schweren Kühl-Lkw entdeckt, der in einer Pannenbucht abgestellt war. In dem Lastwagen befanden sich die Leichen von 71 Flüchtlingen. Die drei Haupttäter wurden inzwischen zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt – mehr dazu in A4-Drama – Lebenslang für Hauptangeklagte.

Den Ermittlern, die den Lkw öffneten, bot sich ein grauenhaftes Bild. 71 Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und dem Iran hatten auf engstem Raum in dem luftdicht abgeschlossenen Lastwagen um ihr Leben gekämpft. Unter ihnen befanden sich drei Familien mit mehreren Kindern. Die burgenländische Justiz bezifferte den Zeithorizont, in dem die Flüchtlinge in dem Lastwagen hätten überleben können, mit nicht mehr als drei Stunden. Es dauerte Tage, die Leichen aus dem Schwerfahrzeug zu holen. Monate vergingen, bis sie identifiziert waren – mehr dazu in A4-Drama: Fast alle Opfer identifiziert.

Staatsanwaltschaft Kecskemet übernahm Verfahren

Auch wenn das Verbrechen in Österreich entdeckt worden ist, wurde der Sachverhalt in Ungarn gerichtlich abgehandelt. Die Flüchtlinge, die an der ungarisch-serbischen Grenze übernommen und in den Lastwagen gepfercht worden waren, sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch auf ungarischem Staatsgebiet gestorben. Folgerichtig übernahmen die dortigen Behörden das Verfahren, zuständig war die Staatsanwaltschaft Kecskemet, wo der Lkw gestartet sein dürfte.

Die drei Hauptverdächtigen wurden inzwischen in Ungarn zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Das Gericht betonte in der Urteilsbegründung, die Angeklagten seien sich darüber im Klaren gewesen, dass die Menschen im hermetisch abgeschlossenen Kühl-Lkw ersticken könnten. Sie wussten weiters, dass der Laderaum von innen nicht zu öffnen war. Der Tod der Flüchtlinge habe sich ereignet, da den Schleppern ihr eigenes Untertauchen wichtiger gewesen sei als das Leben der 71 Menschen – mehr dazu in Flüchtlingsdrama: „Sind keine Mörder“.

Der Fall löste national wie international große Betroffenheit aus und hatte weitreichende politische Folgen. Nur wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Falles begann die Flüchtlingskrise. Zehntausende hatten sich auf den Weg gemacht und reisten über den Balkan und Österreich weiter in Richtung Deutschland.