Lacken Seewinkel
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Umwelt

Seewinkel: Fehlendes Grundwasser gefährdet Lacken

Weil es im Seewinkel an Grundwasser fehlt, trocknen die Lacken zu oft aus und das lässt Vogelschwärme ausbleiben. Für den niedrigen Grundwasserpegel nennt der WWF drei Gründe: die Trockenlegung des einstigen Feuchtgebiets, die Erderhitzung und die exzessive Bewässerung in der Landwirtschaft. Laut dem Biologen Bernhard Kohler vom WWF sei es das Wichtigste, See und Grundwasser „in Ruhe zu lassen“.

Derzeit herrscht rund um den Seewinkel reger Flugverkehr: Gänsestriche und Kranichzüge kommen und gehen. Der Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel ist Heimat zahlreicher Tiere und Rastplatz vieler Zugvögel, die jetzt auf ihrem Weg Richtung Süden in und rund um die Lacken Pause einlegen. Doch dieses Ökosystem ist in Gefahr, warnt der Biologe Bernhard Kohler vom WWF. Schon jetzt fehlen tausende Vögel, denn die Lacken sind zu oft ausgetrocknet. Grund dafür ist das niedrige Grundwasser, bestätigt auch Nationalparkdirektor Johannes Ehrenfeldner die Warnung des WWF: „Der Grundwasserspiegel hat insofern etwas mit der Systematik der Lacke zu tun, dass die Salze nicht mehr nach oben transportiert werden können und die Lacke somit aussüßt und in weiterer Folge das Wasser, das über Niederschläge hineinkommt, nicht mehr gehalten werden kann.“ Ist das Grundwasser also zu niedrig, kommt kein Salz in die Lacken und langfristig bedeutet das das Ende der Lacke.

 Lacken Seewinkel
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Die Zicklacke: aktuell sieht man oft nur den salzigen Boden

Entwässerung: Problem und Segen zugleich

Für den niedrigen Grundwasserspiegel gibt es laut Experten drei Ursachen: die Trockenlegung der Gebiete für den Ackerbau, die Bewässerung der Felder mit Grundwasser – beides schon seit Jahrzehnten Usus – und nun auch die Erderhitzung. Für die Lacken wird es damit einfach zu viel.

Damit es nicht zu Überschwemmungen in den einstigen Feuchtgebieten und heutigen Ackerflächen kommt, wurde das Land trockengelegt und es wird bis heute entwässert. Regnet es also „zu viel“, wird das überschüssige Wasser durch Kanäle abgeleitet. Doch dieses Wasser fehlt dann als Grundwasser. Die vom land eingerichtete Taskforce will versuchen, so viel Wasser wie möglich in der Region zu behalten, doch auch das birgt Herausforderungen, so Christian Sailer von der Wasserwirtschaft Burgenland: „Einfach die Schleusen zu schließen wäre die einfachste Möglichkeit, das wäre aber nicht sehr wirksam, denn wenn Starkniederschläge sind, muss auch gewährleistet sein, dass das Wasser auch aus dem Gebiet abgeleitet wird, damit Siedlungsgebiete und Infrastruktur geschützt sind und es keine Schädigungen durch das Wasser gibt. Und deswegen ist es auch so schwierig, dass wir ein sinnvolles System bringen, weil der Wasserrückhalt in diesen Gräben auch zu einer Erhöhung des Grundwasserstandes führen, und durch den höheren Grundwasserstand können bestehende Siedlungsgebiete, Kellergebäude und Häuser beschädigt werden. Und das darf natürlich nicht passieren. Also da müssen wir vorsichtig vorgehen und deswegen ist es nicht von heute auf morgen so einfach zu sagen wir machen jetzt alles zu, wir schütten die Gräben zu und leiten kein Wasser mehr ab. Das wird es nicht spielen, das geht nicht.“

 Lacken Seewinkel
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Aus der Luft kann man die „ursprüngliche“ Ausdehnung der Lacke erahnen

WWF: Landwirtschaft muss umstellen

Der WWF fordert zudem eine Umstellung in der Landwirtschaft: Wo jetzt noch bewässerungsintensive Kulturen, wie Zuckerrüben Gurken und Salate, gegossen werden müssen, sollen künftig trockenheitsangepasste Pflanzen wachsen, wie zum Beispiel Kürbis. Die Kulturen werden zum Teil auch schon angepasst, so Alfred Brasch, Bezirksreferent der Landwirtschaftskammer, trotzdem sieht er es kritisch: „Es ist natürlich sinnvoll, wenn man Kulturen anbauen könnte, die weniger intensiv geführt werden müssen. Tatsache ist aber, dass die Kulturen, die intensiv geführt werden, in den Fruchtfolgen die Kulturen sind, die dazu beitragen, dass unsere landwirtschaftlichen Betriebe über die Runden kommen.“

Salzastern  Zicklacke im Seewinkel
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Wenn die Lacken austrocknen, werden sie zu einem lila Meer – die Salzastern blühen

Umstrittene Lösung: Wasser aus der Moson-Donau

Doch auch eine dritte Lösung ist im Gespräch: eine Zuleitung aus der Moson-Donau. „Die Wasserzuleitung in den Seewinkel bringt für uns große Bedeutung, weil wir einerseits das Wasser für die Grundwasser-Anreicherung verwenden könnten, das heißt, wir hätten eine Verbesserung der Grundwassersituation in trockenen Zeiten, zum Ausgleich des durch den Klimawandel ausbleibenden Niederschlags, oder der Ausbleibenden Grundwasser-Neubildung, zweitens könnten wir das Wasser direkt für die Bewässerung verwenden. Und drittens wäre natürlich eine Befüllung des Neusiedler Sees, um ihn als Landschaftselement erhalten zu können, ein wichtiger Gesichtspunkt, der mitüberlegt wird“, so Sailer – mehr dazu in Land will Donau-Wasser für Seewinkel.

WWF-Biologe Kohler im Gespräch

WWF-Biologe Bernhard Kohler spricht im Interview darüber, wie das Ökosystem Seewinkel geschützt werden kann.

Kohler: See und Grundwasser „in Ruhe lassen“

Die beste Lösung wäre, das Wasser direkt an die landwirtschaftlichen Betriebe zu verteilen, so Kohler. Den Grundwasserspiegel sollte man „in Ruhe lassen“. „Auf den natürlichen Niederschlag hoffen und den Grundwasserspiegel hochhalten, indem man den Grundwasserspiegel möglichst wenig angreift und natürlich auch nicht ableitet, denn mit dem Wasser fließt auch Salz davon und das schädigt die Lacken ebenfalls“, so Kohler.

Von einer Wasserzufuhr in den Neusiedler See halte Kohler nichts. „Der Neusiedler See ist ein Steppensee, der für seinen langfristigen Fortbestand immer wieder austrocknen muss, das ist im Durschnitt der letzten Jahrhunderte ungefähr ein bis zweimal pro Jahrhundert der Fall gewesen – nur im 20. Jahrhundert ist er nicht ausgetrocknet. Der See war nie tiefer als jetzt“, so Kohler. Auch aus dem See sollte so wenig wie möglich abgeleitet werden, um den Salzgehalt zu erhalten. Aber auch nicht zugeleitet werden, denn auch das würde den Salzgehalt verändern, erklärte der Biologe des WWF im Gespräch mit Burgenland heute-Moderator Martin Ganster. Dadurch könnte der See seine Trübe verlieren und Algen könnten sich vermehren, wenn man Wasser in den See leite, gewinne man nichts, so Kohler. Eine Möglichkeit wäre auch Überschwemmungsräume des Sees als Wasservorrat zu nutzen.

 Zicksee bei St. Andrä
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Der Zicksee bei St. Andrä wird künstlich gespeist – das Wasser lockt aktuell viele Gänse an

Trockene Lacken: Gefahr für viele Vogelarten

Die Lacken sind einzigartige Rast- und Brutplätze zahlreicher Wasser- und Watvögel. Nahrung ist für viele von ihnen nur im Wasser zu finden. „Besonders schlimm ist es, wenn die Lacken während der Brutzeit austrocknen. Ist sie schon davor trocken, können die Vögel immerhin ein anderes Brutgebiet aufsuchen. Langfristig bedeutet das aber, dass viele Vögel nicht mehr in unser Gebiet kommen um zu brüten. Für ein Vogelschutzgebiet von internationaler Bedeutung ist das dramatisch. Die Zählungen, die BirdLife seit 20 Jahren für den Nationalpark durchführt, zeigen bei manchen Arten Bestandseinbrüche von zehn bis 30 Prozent, es fehlen tausende Vögel. Weiters sind die Zugwege und Etappen der Vögel ja auf diesen Rastplatz seit Jahrzehnten ausgelegt. Wenn sie hier keinen geeigneten Lebensraum mehr finden, verliert der Seewinkel auch als Rastplatz an Bedeutung“, so der Biologe Leander Khil.