Internationaler Tag der Roma
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Politik

Tag der Roma: Kemeten errichtet Erinnerungsstätte

Am Donnerstag wird der internationale Tag der Roma begangen. Der weltweite Aktionstag soll auf die Situation dieser Volksgruppe aufmerksam machen und zugleich ihre Kultur feiern. In Kemeten (Bezirk Oberwart) wird anlässlich des internationalen Roma-Tags die geplante Roma-Erinnerungsstätte präsentiert.

Ziel des gemeinsamen Projekts der Gemeinde und der Roma Volkshochschule Burgenland sei ein würdiger Gedenkort für das Schicksal der Kemeter Romnija und Roma. Die Erinnerungsstätte wird in der Nähe der ehemaligen Romasiedlung errichtet und in die „Geschichtsmeile“ der Gemeinde integriert werden. Wie in vielen anderen burgenländischen Ortschaften habe es auch in Kemeten vor dem Zweiten Weltkrieg eine Romasiedlung gegeben. Auch Kemeter Romnija und Roma wurden verschleppt und in Konzentrations-bzw. Arbeitslager gebracht. Nur wenige überlebten die Gräueltaten der Nationalsozialisten. Um ihrer zu gedenken, wird im Herbst 2021 in der Nähe der ehemaligen Siedlung die Erinnerungsstätte enthüllt. Am 17. September ist dazu auch eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung geplant.

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Kemeten aus dem Roma Buch „Einfach weg“ von Baumgartner und Brettl
„Einfach weg“/Baumgartner/Brettl
Kemeten aus dem Roma Buch „Einfach weg“ von Baumgartner und Brettl
Kemeten aus dem Roma Buch „Einfach weg“ von Baumgartner und Brettl
„Einfach weg“/Baumgartner/Brettl
Kemeten aus dem Roma Buch „Einfach weg“ von Baumgartner und Brettl
Kemeten aus dem Roma Buch „Einfach weg“ von Baumgartner und Brettl
„Einfach weg“/Baumgartner/Brettl
Kemeten aus dem Roma Buch „Einfach weg“ von Baumgartner und Brettl
Kemeten aus dem Roma Buch „Einfach weg“ von Baumgartner und Brettl
„Einfach weg“/Baumgartner/Brettl
Kemeten aus dem Roma Buch „Einfach weg“ von Baumgartner und Brettl

Etwa 120 Roma Siedlungen hat es im Burgenland vor 1945 gegeben – heute kennt man nur mehr jene in Oberwart. Die Geschichte und das Schicksal der Siedlungen wurden in dem Buch „Einfach weg! Verschwundene Romasiedlungen im Burgenland“ von den Historikern Herbert Brettl und Gerhard Baumgartner zusammengetragen – mehr dazu in „Einfach weg“ – verschwundene Romasiedlungen.

Unverzichtbarer Bestandteil der burgenländischen Identität

„Die Roma können stolz auf ihre Kultur sein. Umgekehrt sind sie als Volksgruppe ein unverzichtbarer Bestandteil der burgenländischen Identität und tragen wesentlich zur kulturellen Vielfalt unseres Bundeslandes bei“, so Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Diverse Vereine rücken die Volksgruppe auch im Burgenland immer wieder in den Fokus, Veranstaltungen wie Roma-Bälle oder auch Konzerte von Roma-Bands sorgen dafür, dass das kulturelle Erbe der Roma im Burgenland am Leben gehalten wird. Der Welt-Roma-Tag findet seit 1990 jährlich am 8. April statt und erinnert unter anderem daran, dass den Roma der Zugang zu Wirtschaft, Politik und Kultur lange verwehrt war. Auch die Geschichte des Burgenlandes zeigt, wie schwer es die Roma hatten: von der Verfolgung unter dem NS-Regime bis hin zu dem Attentat in Oberwart am 4. Februar 1995, bei dem vier junge Roma ermordet wurden. Seitdem ist das öffentliche Bewusstsein für die Probleme der Minderheit gewachsen.

Ortstafel Oberwart nach Attentat
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Vor 26 Jahren sind vier Männer der Volksgruppe der Roma am Stadtrand von Oberwart durch eine Rohrbombe getötet worden

Stellung der Romnija und Roma weiter verbessern

„Wir sind aber noch nicht an unserem Ziel angekommen. Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung, die Lebens- und Erwerbssituation, aber auch die gesellschaftliche Stellung der burgenländischen Romnija und Roma weiter zu verbessern. In diesem Prozess geht es auch um symbolische Gesten. Der Bereich der wissenschaftlichen Forschung über die Volksgruppen ist dabei genauso relevant wie die kontinuierliche Förderung von arbeitsmarktpolitischen, bildungspolitischen und kulturellen Projekten der Volksgruppe.“ Aus diesem Grund seien zum 100-jährigen Jubiläum auch eigene Volksgruppen-Projekte in Planung. „Zum 100-jährigen Jubiläum des Burgenlandes sollte eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für alle Romnija und Roma keine Frage mehr sein", so Doskozil.

Roma Siedlung Oberwart
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Die Roma-Siedlung in Oberwart heute

Symbole des Erinnerns

„Auch weiterhin müssen wir uns die Diskriminierung dieser Volksgruppe immer wieder ins Gedächtnis rufen, denn Toleranz und Menschlichkeit sollen im Vordergrund stehen, um im Burgenland ein friedvolles und aufgeschlossenes Miteinander zu ermöglichen“, so der Landeshauptmann. Immer mehr Gemeinden, vor allem aber auch die Zivilgesellschaft, werden sich ihrer regionalen Geschichte und Verantwortung bewusst. Mittlerweile ist es selbstverständlich, dass auf Denkmälern zur Nazizeit auch der Opfer unter den Roma und Sinti gedacht wird. „Diese Symbole des Erinnerns sind wichtig“, bekräftigt Doskozil.

Demokratie und friedliches Leben miteinander hochhalten

Auch Landtagspräsidentin Verena Dunst und der Zweite Landtagspräsident Georg Rosner heben die Bedeutung der Roma für das Land hervor. „Das Burgenland hat eine große Roma-Gemeinschaft, die fester Bestandteil unseres Bundeslandes ist. Seit 1993 ist der Volksgruppenstatus der Roma in Österreich gesetzlich verankert. Leider wurde die Volksgruppe immer wieder mit Diskriminierung und Vertreibung konfrontiert“, so Dunst: „Am internationalen Tag der Roma gilt es, der Vergangenheit zu gedenken und die Demokratie sowie das friedliche Leben miteinander hochzuhalten."

Volksgruppenförderung verdoppelt

„Seit Jahrzehnten ist die Volksgruppe der Roma und Sinti ein fester Bestandteil der burgenländischen Identität. Darauf können wir stolz sein. Umso wichtiger ist es jetzt, dass die Politik weiter für die Stärkung und Integration der Volksgruppe in der Gesellschaft einsteht. Mit der Verdoppelung der Volksgruppenförderung geht die Bundesregierung einen wichtigen Schritt in diese Richtung", so Rosner – mehr dazu in Regierung verdoppelt Volksgruppenförderung.

50 Jahre Romapolitik

Österreich ist „besonders vorbildlich im Bereich der Umsetzung der EU-Romastrategie“, sagte Integrationsministerin Sabine Raab (ÖVP) am Donnerstag bei einer Veranstaltung anlässlich des Internationalen Tages der Roma und Sinti und dem Gedenken an den ersten Roma-Welt-Kongress vor genau 50 Jahren im Parlament in Wien. Raab dankte der Roma-Zivilgesellschaft für ihre engagierte Mitarbeit. Andere Diskussionsteilnehmer verwiesen darauf, dass noch viel zu tun sei.

Emmerich Gärtner-Horvath beim Mahnmal
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Emmerich Gärtner-Horvath bei der Gedenkstätte in Oberwart, er vertritt seit mehr als 25 Jahren die Interessen der Roma

Diskriminierung sei keine Ausnahme

Die Leiterin der Romapastoral der Diözese Eisenstadt und Gemeinderätin Manuela Horvath sagte, dass die Anerkennung der Volksgruppe 1993 in Österreich ein „Meilenstein“ gewesen sei. „Meiner Generation stehen in Österreich alle Bildungswege offen.“ Gleichzeitig gebe es aber kaum einen Rom oder eine Romni, die keine Erfahrung mit Diskriminierung gemacht haben. Horvath erzählte von einer Fleischerei, die ein Produkt namens „Zigeunerwurst“ verkaufte. Erst nachdem sie den Unternehmer darauf aufmerksam machte, dass der Begriff rassisch sei, wurde das Produkt umbenannt.

Geschichtsbewusstsein Bevölkerung noch näher bringen

Der Vorsitzende des Volksgruppenbeirats der Roma, Emmerich Gärtner-Horvath, hofft darauf, dass das Geschichtsbewusstsein der Bevölkerung noch näher gebracht werde. Es gebe derzeit etwa 20 Gedenkstätten im Burgenland, tatsächlich habe es aber mehr als 130 Romasiedlungen vor 1938 gegeben, sagte er: „Es gibt also sehr viel zu tun.“

Die Zeithistorikerin Sabine Schweitzer berichtete, dass Roma und Sinti in der NS-Zeit die erste Volksgruppe war, die zur Zwangsarbeit herangezogen wurde. Viele Orte seien nach der Deportation der Roma in die Zwangs- oder Konzentrationslager „ausgelöscht und abgebaut“ worden. Durch neue Forschungen konnten auch die Orte der Zwangslager ausfindig gemacht werden.

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Am 16. Dezember 1993 wurden die österreichischen Roma- und Sintigruppen als „Volksgruppe der Roma“ – Roma als Oberbegriff für die verschiedenen in Österreich lebenden autochthonen Untergruppen – einstimmig im Hauptausschuss des Nationalrates anerkannt
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Die Roma-Flagge wird am Rathaus in Wien gehisst
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Das Romano Centro in Wien
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Nationales Denkmal der Erinnerung

Das Anhaltelager Lackenbach im Burgenland sei ein „Stachel im Fleisch“, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Es werde notwendig sein, ein nationales Denkmal der Erinnerung sowie als Zeichen für den andauernden Kampf gegen den Antiziganismus von Seiten der Republik zu setzen. Antiziganismus sei mit anderen rassistischen Vorurteilen nicht eins zu eins zu vergleichen, da er über Jahrhunderte gewachsen sei. Das Momentum sei nicht nur in Randgruppen verbreitet, antiziganistische Haltungen würden auch in der Mitte der Gesellschaft – teilweise bedachtlos, teilweise bewusst – gesetzt. Sobotka betonte, dass es Aufgabe aller 183 Nationalratsabgeordneten sei, gegen Antiziganismus aufzutreten. Er rief außerdem Roma auf, sich nach dem Beispiel Horvaths in Gebietskörperschaften zu engagieren und ihre Anliegen vorzubringen.

Gegen Ausgrenzung auftreten und Kultur feiern

ÖVP-Volksgruppensprecher Niki Berlakovich betonte, dass weiterhin gegen Ausgrenzung, Gewalt und Hetze gegen Volksgruppen aufgetreten werden müsse. „Gleichzeitig wollen wir mit diesem Tag auch die Kultur dieser ethnischen Minderheit feiern“, so Berlakovich.