Auch Claus Kiss arbeitet derzeit im Homeoffice. Für ihn ist das gut. „Mein Zappeln und meine Unruhe irritiert meine Kollegen. Man akzeptiert das, es ist ok – aber man will selbst kein Störfaktor sein“, so Kiss.
Was diese permanente Unruhe in ihm auslöst, das Zappeln, das laute Lachen, das Aufgedreht sein, erfuhr Claus erst vor Kurzem. ADHS – die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung – gibt es nicht nur bei Kindern. „Man muss davon ausgehen in Österreich mehrere tausend Erwachsene sind, die von Diagnose betroffen sind und es vielleicht noch gar nicht wissen, sich schwer tun im Alltag und in der Berufswelt und die mit einer Behandlung Besserung erfahren könnten“, so Ralf Gößler, Psychiater und ADHS-Experte.
Schnell Interesse verlieren
Denn nicht nur äußerliche Unruhe und Stimmungsschwankungen beeinträchtigen den Alltag. Claus etwa interessiert sich ständig für neue Dinge, will beispielsweise ständig ein neues Instrument lernen, verliert dann aber genauso so schnell das Interesse daran. „Es ist so, dass ich fade Sachen nicht mache. Ich kann mir selbst dabei zusehen, wie ich es nicht erledige – es ist ein eher schräges Gefühl“, so Kiss.
Claus ist Diplomingenieur in Technischer Mathematik. Mit seiner Doktorarbeit hörte er mittendrin auf, weil ihm fad geworden war. „Der Klassiker ist – und hier sprechen wir vom leistungsbezogenen Underachievern – also Menschen, die unter ihrem Wert geschlagen werden. Dass heißt, das sind Menschen, die gut begabt sind, die intellektuell gute Leistungen vollbringen könnten, aber die ihre Leistung nicht auf den Boden bringen“, so Gößler.
Schnell abgelenkt
Jetzt arbeitet Claus halbtags beim Roten Kreuz und betreibt daneben mit seiner Frau ein kleines Unternehmen für Büroservice und EDV. Tanja Kiss lernte mit seiner ADHS zu leben. „Wir hatten es vor Kurzem, dass er vergessen hat, mich von der Arbeit abzuholen. Das passiert. Er macht sich auf den Weg, dann kommt ein Mail herein, dann kommt eine andere Nachricht, dann beginnt er Schach zu spielen und das war es dann“, sagte Tanja Kiss.
Tanja weiß, dass ihr Mann das nicht mit Absicht macht, dass er einfach nicht anders kann. „Vielleicht kann man es so erklären – man weiß ja, wie es bei einem Sportler ist, wenn er läuft. Bei mir ist es so mit Fingerschnippen bin ich wo drinnen und im Flow und alles andere ist unwichtig und vergessen“, so Kiss. Dass er seit seiner Kindheit an ADHS leidet, war ihm nicht bewusst. Seit Claus endlich weiß, woher seine Probleme kommen, ist manches leichter. „“, so Kiss. Claus geht auch offen mit seiner Diagnose um. Er möchte, dass sein Umgebung weiß, warum er so ist, wie er ist.