Schon 2015 hat ein Informant, ein sogenannter Whistleblower die Behörden wegen Fälschungen und Vorgehensweisen bei der Commerzialbank Mattersburg informiert
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Konkrete Hinweise schon 2015

Der Bund wird sich einer Mitverantwortung für die Commerzialbank-Pleite nicht entziehen können. Dieser Ansicht ist zumindest die burgenländische Rechtsanwaltskanzlei Dax, Wutzlhofer & Partner. Aktuelle Informationen würden deutlich machen, dass die Behörden schon vor Jahren von den Betrügereien in der Bank Kenntnis hatten, heißt es.

Ein entsprechend brisantes Dokument, das belegt, dass es bereits 2015 Hinweise an die Behörden gab, liegt dem ORF Burgenland vor. Es stammt aus dem Strafakt der aktuellen Ermittlungen im Commerzialbank-Skandal. Der vierseitige Text enthält das Schreiben eines anonymen Informanten aus der Bank, eines Whistleblowers.

Informant wandte sich 2015 an die Behörden

Der Mann oder die Frau wandte sich mit schweren Vorwürfen an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) – und zwar am 2. Juli 2015, also vor rund fünf Jahren:

  • „Vorstandsvorsitzender Martin Pucher schafft seit Jahren Millionen zur Seite. … Dieses Geld wird verwendet … im Fußballverein Mattersburg … sowie zur persönlichen Bereicherung.“
  • „Herr Pucher braucht keinen Vorwand, um sich dieses Geld schicken zu lassen. Er ist der Chef und in der Bank wird gemacht, was er sagt – bedingungslos.“

Der Whistleblower gab auch an, auf welche Weise Martin Pucher die Bank quasi von innen ausgeraubt habe. Es handelt sich um Informationen, die heute als gesichert gelten:

  • „Zu diesem Zweck hat er falsche Konten angelegt. Die lauten zwar auf den Namen von physischen … Personen. Diese haben jedoch keine Ahnung … und wissen auch nicht, dass ‚ihre‘ Konten heillos überzogen sind … mit 6- oder 7-stelligen Beträgen.“

Die Staatsanwaltschaft reagierte schon am Folgetag mit Rückfragen, worauf der Informant weiter detailreich Auskunft gab und die Behörden zum Handeln aufforderte:

  • „Es sollte doch mit meiner Information ein Leichtes sein, … die Konten zu finden und die ‚Kontoinhaber‘ zu kontaktieren?“
Schon 2015 hat ein Informant, ein sogenannter Whistleblower die Behörden wegen Fälschungen und Vorgehensweisen bei der Commerzialbank Mattersburg informiert
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Das vierseitige Dokument liegt dem ORF Burgenland vor

Neuerliche Anzeige im Februar 2020

Auch heuer im Februar gab es eine Anzeige eines Informanten – der Skandal flog aber erst im Juli auf. Die Rechtsanwaltskanzlei Dax, Wutzlhofer & Partner hielt am Donnerstag für Geschädigte, deren Verluste nicht von der Einlagensicherung gedeckt werden, eine Informationsveranstaltung ab. Dazu gehören Unternehmen, Gemeinden und Verbände. Weil die Rechtsanwälte mehrere Mandanten in der Causa Commerzialbank vertreten, erhielten sie Einsicht in den Strafakt.

Schon 2015 hat ein Informant, ein sogenannter Whistleblower die Behörden wegen Fälschungen und Vorgehensweisen bei der Commerzialbank Mattersburg informiert
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Im Februar 2020 wurde wieder Anzeige erstattet, im Juli flog der Skandal auf

Man werde in den kommenden Wochen untersuchen müssen, was genau passiert ist und warum nichts Weiteres passiert ist, und wer hat zu welchem Zeitpunkt wen informiert oder nicht informiert, denn das sei auch etwas, was sehr wesentlich sein werde, sagte Rechtsanwalt Johannes Wutzlhofer.

Anwälte sehen Bund in der Verantwortung

Verantwortlich für das Schicksal der Commerzialbank waren nach Ansicht des Rechtsanwalts zwar besonders der Vorstand, die Aufsichtsräte und die Wirtschaftsprüfer. Doch nachdem diese für einen Schaden in der vorliegenden Höhe nicht aufkommen werden können, sieht der Jurist in der Folge die öffentliche Hand mit ihren weit größeren Mitteln in der Verantwortung. Mit einem langen Prozess wäre aber niemandem geholfen.

Schon 2015 hat ein Informant, ein sogenannter Whistleblower die Behörden wegen Fälschungen und Vorgehensweisen bei der Commerzialbank Mattersburg informiert
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Die Rechtsanwaltskanzlei Dax, Wutzlhofer & Partner hielt am Donnerstag für Geschädigte, deren Verluste nicht von der Einlagensicherung gedeckt werden, eine Informationsveranstaltung ab

„Unser Ansatz ist der, dass es diverse möglicherweise Anspruchsgegner und Parteien gibt, die dafür verantwortlich sind, dass diese Schäden entstanden sind. Es wäre doch einmal ein Ansatz, sich an einen Tisch zu setzen und zu sagen, wo trifft wen welche Verantwortung. Denn eine Prozessführung, die lange dauert, kann auch massive wirtschaftliche Folgen haben“, so Wutzlhofer.

Trotz mehrfacher Prüfung nicht auf Belege gestoßen

Wie die Behörden mit den Informationen des Whistleblowers umgingen, liegt noch weitgehend im Dunkeln. Erste Stellungnahmen legen nahe, dass sich die WKStA an die Finanzmarktaufsicht (FMA) wandte, die sich wiederum auf eine Prüfung durch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) verließ. Die OeNB stieß jedoch trotz mehrfacher Prüfung nicht auf jene Belege, auf die der Whistleblower hingewiesen hatte.