Commerzialbank, Commerzialbank-Filiale in Mattersburg
ORF/Spieß
ORF/Spieß
Commerzialbank

Warum die Bilanzfälschungen unentdeckt blieben

28 Jahre lang sind bei der Commerzialbank Mattersburg Bilanzen gefälscht worden – so lange bis der Schaden auf derzeit vermutete 700 Millionen Euro gestiegen ist. Bernt Koschuh von Ö1 analysiert, warum die Bilanzfälschungen so lange unentdeckt blieben.

Wie konnten die Bilanzfälschungen 28 Jahre lang nicht auffallen? Kann man diese Frage zum aktuellen Zeitpunkt schon beantworten?

Bernt Koschuh: Zum Teil, kann man das. Ich würde sagen eine Antwort lautet: „Viele Köche verderben den Brei“ oder präziser formuliert: Viele Kontrollore verderben den Brei. Da kann, beziehungsweise muss sich wahrscheinlich einer auf den anderen verlassen, weil auch jeder andere Kontrollaufgaben hat und andere Kontrollmöglichkeiten. Und am Ende sind dann alle verlassen.

Schauen wir uns an was derzeit passiert: Ein Monat ist der Commerzialbank-Skandal alt, aber vom Finanzminister gibt es nichts Konkretes, außer dass er eine Reformarbeitsgruppe ankündigt. Die Chefs der Finanzmarktaufsicht und die Staatsanwaltschaften haben kein Interview gegeben, auch die Nationalbank-Gouverneure sind auf Tauchstation und auch von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft TPA waren bisher keine offiziellen Statements zu bekommen. Wenn man bei den Kontrollen so zurückhaltend vorgegangen sind, wie jetzt bei der öffentlichen Kommunikation, dann wäre das vielleicht schon eine Erklärung dafür, dass man die Malversationen nicht entdeckt hat.

Das Unbegreifliche ist vor allem, dass Bankchef Pucher 28 Jahre lang Bestätigungen anderer Banken fälschen hat lassen und dadurch den Eindruck aufrecht erhalten konnte, die Commerzialbank hätte in Summe 420 Millionen Euro an Guthaben bei anderen Banken gehabt, die nicht existiert haben. Wem hätte das auffallen können?

Bernt Koschuh: In erster Linie der Nationalbank und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft TPA. Laut dem Anwalt von Bankchef Martin Pucher dürfte die Commerzialbank-Vizechefin gesagt haben, dass sich die Bank selbst um die Anfragen an die anderen Banken kümmern wird. Man hat dann den Wirtschaftsprüfern gefälschte Antwortschreiben auf Briefpapier der anderen Banken geschickt.

Inwiefern hätte die Nationalbank bemerken müssen, dass diese Guthaben der Commerzialbank bei anderen Banken gar nicht existieren?

Bernt Koschuh: Man muss aber dazu sagen, dass die Vorgaben für die Wirtschaftsprüfer ziemlich schwammig formuliert sind. Da steht etwa, dass der Versand der Anfragen unter der Kontrolle des Abschlussprüfers durchgeführt wird. Also das lässt schon die Möglichkeit offen, dass die Bank selbst – unter der Kontrolle des Prüfers – Anfragen verschickt.

Martin Pucher
ORF
Martin Pucher steht im Mittelpunkt des Bankenskandals

Alle Banken müssen sogenannte Zwischenbanken-Guthaben an die Nationalbank melden. Dann hätte auffallen können, dass die Commerzialbank ein Guthaben gemeldet hat, das von der anderen Bank nicht gemeldet wurde. Da hört man aus der Nationalbank inoffiziell die Rechtfertigung, dass die Commerzialbank bei den behaupteten Guthaben jeweils unter der Grenze geblieben sei, ab der die andere Bank melden hätte müssen, was eine gefinkelte Vorgangsweise wäre. Wenn das stimmt, müssten natürlich die Vorgaben oder Gesetze geändert werden, weil es ist nicht auszudenken, wenn andere Banken auch so agieren wie die Commerzialbank.

Es hat ja aber auch schon 2015 Anzeigen an die Staatsanwaltschaften gegeben, dabei ist allerdings nichts herausgekommen – wie gibt es das denn?

Bernt Koschuh: Also, da sieht man schön, wie sich eine Behörde auf die andere verlassen hat und vielleicht auch verlassen musste. Dem Vernehmen nach muss das eine Anzeige eines gutinformierten Bankmitarbeiters gewesen sein, der wusste, dass in der Bank gerade eine Nationalbankprüfung läuft. Und der Hinweis war, dass es 50 Millionen an gefakten Krediten der Bank gebe und dass die Kreditakten in Bankchef Puchers Tresor liegen. Die Staatsanwaltschaft hat dann bei der Finanzmarktaufsicht angefragt, aber die Nationalbankprüfer sollen argumentiert haben, es könne sich nur um eine Fehlinformation handeln, weil gefälschte 50 Millionen längst aufgefallen wären.

Aber die Nationalbank soll auch darauf hingewiesen haben, dass sie Bankmitarbeiter nicht einvernehmen darf. Bei der Staatsanwaltschaft soll dann allerdings ein Schreiben eingelangt sein, dass die Prüfer keinerlei Auffälligkeiten in der Bank gefunden hätten. Man habe somit keinen Anfangsverdacht sehen können, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Und so hat auch die Staatsanwaltschaft niemanden befragt und den Tresor nicht geöffnet. Also Kommunikationsprobleme und Zweckoptimismus bei den Prüfinstanzen dürften da eine fragwürdige Rolle gespielt haben.