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Wirtschaftsprüfer im Kreuzfeuer der Kritik

In der Causa Commerzialbank beschäftigt viele die Frage, wie Bilanzmanipulationen über Jahre hinweg unentdeckt bleiben haben können. Immer mehr Stimmen werden laut, die die Wirtschaftsprüfer stark kritisieren.

Im ZIB-Interview sagte der Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA), Helmut Ettl, dass es schon länger Verdachtsmomente rund um die Bank gegeben habe. „Wir haben in letzten Jahren auch immer wieder Ergebnisse von den Prüfungen gehabt, sind diesen Sachen nachgegangen, haben auch in verschiedenen Bereichen Anzeigen an die Staatsanwaltschaft abgesetzt. Aber nicht in diesem Ausmaß“, so Ettl. Vorzuwerfen habe sich die FMA nichts, hieß es.

Die FMA kritisiert Wirtschaftsprüfer

FMA-Vorstand Helmut Ettl im Interview mit ORF-Redakteur Johannes Schwitzer-Fürnsinn

Ettl: Rätsel, warum über Jahre nicht eingegriffen wurde

In den Büchern der Mattersburger Bank waren Guthaben bei anderen Banken ausgewiesen, die es aber gar nicht gab. Das hätte nicht der FMA, sondern den Wirtschaftsprüfern auffallen müssen, sagte Ettl. Der Wirtschaftsprüfer habe die Aufgabe, sich genau zu vergewissern, dass die Positionen einer Bank bei anderen Banken in Ordnung seien, und müsse diese anderen Banken auch entsprechend befragen. „Daher ist es uns ein Rätsel, warum hier scheinbar über Jahre nicht eingegriffen wurde“, so Ettl.

Wirtschaftsprüfer sehen sich als Betrugsopfer

Die Commerzialbank wurde von 2006 bis 2018 von der TPA geprüft. Für 2019 ist noch keine Bilanz hinterlegt. Die Wirtschaftsprüfungskanzlei erklärte unmittelbar nach Auffliegen des Skandals am Mittwoch, im Fall Commerzialbank selber Opfer von Täuschung und offenkundigem Betrug geworden zu sein, man prüfe selber eine Anzeige gegen die Bankverantwortlichen.

Gläubigerschützer rechnet mit Klagen

Der Gläubigerschützer Gerhard Weinhofer von der Creditreform ist überzeugt, dass die fehlenden Millionen die Gerichte noch Jahre beschäftigen werden. So ein Bankendebakel sei „immer etwas sehr Komplexes“, sagte Weinhofer. Die Commerzialbank Mattersburg sei auch ein Fall für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Das werde Jahre dauern, denn es seien unzählige Klagen zu erwarten, so Weinhofer. Bei der Bankinsolvenz werde es voraussichtlich Verbandsklagen gegen die Aufsichtsbehörden, also Nationalbank und FMA, die Aufsichtsorgane innerhalb der Bank und gegen den diese Woche bereits zurückgetretenen Bankvorstand und Präsidenten des Fußball-Bundesligisten SV Mattersburg, Martin Pucher, geben – mehr dazu in FMA sperrt Commerzialbank: Pucher zurückgetreten.

Weinhofer: Verschulden der Wirtschaftsprüfer zu prüfen

„Auch die Haftung der Wirtschaftsprüfer ist immer ein heikles Thema – wie konnte das über Jahrzehnte unentdeckt bleiben? Das ist dubios“, so Weinhofer. „Wobei, gegen einen gut gemachten Betrug und bei viel krimineller Energie ist man auch als Wirtschaftsprüfer machtlos“, räumte der Kreditschützer im Gespräch mit der APA ein. Jedenfalls müsse man sich anschauen, ob es ein Verschulden seitens der Wirtschaftsprüfer gebe.

„Es ist natürlich aus Sicht der Bankkunden eine Katastrophe – vor allem für die Unternehmen, die neben der Coronavirus-Krise jetzt auch um ihre Einlagen umfallen“, so der Chef des Kreditschutzverbands. Der kleine Sparer bekommt sein Geld. Dieser sei ohnehin bis zu einer Summe von 100.000 Euro von der Einlagensicherung geschützt. Hat er mehr als das auf einem Konto der mittlerweile geschlossenen Bank, muss er seine Ansprüche grundsätzlich in einem bevorstehenden Insolvenzverfahren anmelden. Nach jüngsten Darstellungen hatte die Bank zuletzt rund 13.500 aktive Kunden.

„Gefälschte Bankbestätigungen hätten auffallen müssen“

In einem Ö1-Mittagsjournal-Interview am Freitag nahm auch der Rechtsanwalt Ingo Kapsch von der Kanzlei HLMK Rechtsanwälte zur Frage Stellung, ob die Wirtschaftsprüfer die Bilanzmanipulationen früher erkennen hätten müssen. Pucher habe nach eigenen Aussagen mit gefälschten Bankbestätigungen hantiert, so Kapsch. Das bedeute, er habe Bankbestätigungen vorgelegt, aus denen sich Guthaben der Commerzialbank bei anderen Kreditinstituten ergeben würden, und das sei ein Punkt, der eigentlich bei einer Abschlussprüfung auffallen hätte müssen.

Der Abschlussprüfer sei verpflichtet, diese Bankbestätigungen direkt von dem jeweiligen Kreditinstitut einzuholen, erklärte Kapsch. Das heiße, die Commerzialbank müsse die jeweilige Bank vom Bankgeheimnis entbinden, und dann trete der Abschlussprüfer direkt mit der Bank in Kontakt, um die Angaben über das Kontoguthaben zu überprüfen. „Gefälschte Bankbestätigungen sollten im Jahr 2020 und auch in den Jahren 2019 und davor eigentlich nicht mehr funktionieren, um hier Bilanzmalversationen vorzunehmen“, sagte Kapsch.

Prozessfinanzierer kündigt Sammelklage an

Der Prozessfinanzierer AdvoFin kündigt wenig überraschend eine Sammelklage im Skandal der Commerzialbank Mattersburg an. „Es haben sich bereits viele Gemeinden und Kunden, die mehr als 100.000 Euro auf Konten liegen haben, bei uns gemeldet“, so AdvoFin-Chef Gerhard Wüest gegenüber der Tageszeitung „Kurier“. Etwa das Zinsergebnis in der Bilanz sei „völlig unglaubwürdig“, sagte er in Richtung tpa-Wirtschaftsprüfer.

Die Struktur der Commerzialbank

Die Commerzialbank Mattersburg ist eine Aktiengesellschaft. Das bedeutet, dass die Bank im Eigentum von mehreren Aktionären steht. Im Fall der Commerzialbank ist laut der Finanzmarktaufsicht eine Personalkreditgenossenschaft die Hauptaktionärin. Sie hält rund 79 Prozent der Aktien. Rund 18,4 Prozent der Bank befinden sich im Streubesitz, also im Besitz mehrerer anderer kleinerer Aktionäre. Keiner davon besitzt mehr als zehn Prozent – ansonsten müsste diese Beteiligung nämlich offengelegt werden – mehr dazu in Die Struktur der Commerzialbank.

Auch Gemeinden teils schwer betroffen

Nicht nur Tausende Privatkunden sind vom Commerzialbank-Skandal betroffen, sondern auch Gemeinden. Einige Gemeinden berichten von einem finanziellen Fiasko. Hirm trifft der Bilanzskandal gleich zweifach, und in der Stadtgemeinde Mattersburg hängt ein großes Bauprojekt in der Luft. Auch wie es mit der Fußballakademie weitergehen soll, ist unklar – mehr dazu in Die Commerzialbank und die Gemeinden.