Hans-Peter Rucker, Geschäftsführer der Landesholding Burgenland und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ)
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Politik

Doskozil: Kein Fortbestand der Commerzialbank

Die Schadenshöhe bei der Commerzialbank Mattersburg könne zwar noch nicht genau beziffert werden, laut der Finanzmarktaufsicht ist die Situation aber dramatisch. An einen Fortbestand der Bank ist nicht zu denken, so Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Für ihn gelte es jetzt, die Schäden für Kunden, Firmen und Gemeinden möglichst klein zu halten.

Das Geld ist weg, es ist ein Kriminalfall, sagte Landeshauptmann Doskozil am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Als er von der Finanzmarktaufsicht am Dienstag informiert wurde sei er zunächst einmal schockiert gewesen, so Doskozil. Die Commerzialbank Mattersburg stellte am Mittwoch den Betrieb ein. Die Finanzmarktaufsicht FMA untersagte die Fortführung. Es bestehe der Verdacht auf Bilanzfälschung, möglicherweise auch Untreue – mehr dazu in FMA sperrt Commerzialbank: Pucher zurückgetreten.

Doskozil: „Strafrechtliche Delikte“

„Das was mich auch wirklich persönlich berührt, ich kann mir nicht vorstellen, was in einem Menschen wie dem Martin Pucher vorgeht, den bis jetzt sehr viele als Persönlichkeit geschätzt haben. So etwas zu machen, sich für so etwas herzugeben, dass sind wirklich strafrechtliche Delikte. Das ist eine Bankenpleite, die weit weit hineingeht in das Strafrecht.“

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ)
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Landeshauptmann Hans Peter Doskozil bei der Pressekonferenz

Kunden zu Geld verhelfen – Banken länger offen

Nun gehe es darum den Kunden zu ihrem Geld zu verhelfen. Organisiert wurde bereits, dass andere Bankinstitute in Mattersburg länger offenhalten, damit die betroffenen Menschen rasch ein Konto eröffnen, damit sie rasch Geld von der Einlagensicherung erhalten können, sagte Doskozil. Die Bank Burgenland, die Erste Bank und die Raiffeisenbank werden nun für die nächsten zwei Wochen bis 18.00 Uhr geöffnet halten, um so den Kontotransfer für die Kundinnen und Kunden sicherzustellen. Auch die bank99, die Bank der Österreichischen Post, und die Unicredit Bank Austria hat bis 18.00 Uhr geöffnet.

Bank vor Liquidation

Die Finanzmarktaufsicht habe die Situation als dramatisch beschrieben, so Doskozil. „Das eine ist für mich klar, an einen Fortbestand der Bank ist in keiner Weise zu denken, ansonsten hätte die Finanzmarktaufsicht diesen Schritt nicht gesetzt und kurz vor Mitternacht den Bescheid erlassen, dass sämtliche Bankgeschäfte einzustellen sind. Das bedeutet, in Wirklichkeit wie bei einem Privatunternehmen, die Bank ist zu liquidieren – Punkt“, sagte Doskozil.

Bankomat Zemendorf
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Die Finanzmarktaufsicht habe die Situation als dramatisch beschrieben

Hotline des Landes

Für Unternehmer wurde eine Anlaufstelle in der WiBuG, einer Tochter der Landesholdig geschaffen. Da auch Gemeinden bei der Commerzialbank Konten haben, wurde für sie eine Anlaufstelle in der Gemeindeabteilung des Landes eingerichtet. Außerdem wurden Hotlines für Privat- und Wirtschaftskunden eingerichtet. An die folgenden Nummern können sich Kundinnen und Kunden wenden:

057600-2465 für Private

059010-210 WiBuG-Hotline für Wirtschaft

Rechtsberatung für alle Betroffenen

Das Land will auch eine Rechtsplattform für Privatkunden zur Verfügung stellen, kündigte Doskozil an. Diese werde eine kostenlose Erstberatung und Unterstützung durch einen vom Land bestellten Rechtsanwalt etwa bei offenen Fragen zur Einlagensicherung bieten. Diese Beratungsstelle wird mit Donnerstag in Betrieb genommen. Betroffene werden im Bedarfsfall von der Hotline 057600-2465 zur Rechtsberatung weitergeleitet.

Land selbst nicht betroffen

Das Land selbst ist laut Doskozil nicht betroffen. Es habe keine Geschäftsbeziehung zu der Mattersburger Privatbank gegeben. Die Energie Burgenland habe allerdings rund fünf Millionen Euro dort veranlagt. Doskozil gehe davon aus, dass das Geld weg ist.

Das Gebäude der Energie Burgenland in Eisenstadt
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Die Energie Burgenland bangt um einstelligen Millionen-Betrag

Energie Burgenland fürchtet Auswirkungen

Die Energie Burgenland hat gemessen am gesamten Veranlagungsvolumen einen untergeordneten Teil ihrer Termineinlagen bei der Commerzialbank veranlagt. Vorbehaltlich der weiteren Entwicklungen sei davon auszugehen, dass daraus eine negative Auswirkung auf das Jahresergebnis, in der Höhe von höchstens eines mittleren einstelligen Millionenbetrages, zu erwarten sein werde, so die Energie Burgenland in einer Aussendung.

Laut dem Vorstand werde aufgrund des guten, sich abzeichnenden operativen Jahresergebnisses ein Teil dieser Auswirkungen wieder ausgeglichen werden können. Das Jahresergebnis sollte aus jetziger Sicht zumindest auf Budget sein.

Wiener Techfirma Frequentis bangt um 31 Millionen Euro

Die börsennotierte Wiener Technologiefirma Frequentis ist einer der großen Kunden der Mattersburger Commerzialbank. Frequentis hält mit heutigem Tag Einlagen in Höhe von ungefähr 31 Millionen Euro, so das Unternehmen am Mittwoch. „Frequentis beobachtet die Situation sehr genau und evaluiert alle Maßnahmen, um ihre Rechte zu wahren“, so das Unternehmen, das Anlagen für sichere Kommunikation anbietet. „Bei anderen Banken verfügt die Frequentis-Gruppe per 30. Juni 2020 über Einlagen von mehr als 56 Mio. Euro.“ Das Geld liege sowohl auf Banken in Österreich als auch in anderen europäischen Ländern sowie in Asien und Amerika.

Frequentis habe unmittelbar nach Bekanntwerden der Verwerfungen bei der Mattersburg-Bank etwaige Auswirkungen geprüft: das alles habe keinen Einfluss auf das operative Geschäft. „Das operative Geschäft bei Frequentis geht in gewohntem Umfang weiter. Trotz der Coronavirus-Krise sind wir mit Aufträgen voll ausgelastet“, so Finanzchefin Sylvia Bardach.

Petschnig erschüttert

FPÖ-Wirtschaftsprecher Alexander Petchnig zeigte sich am Mittwoch erschüttert und sprach von einem Bankenskandal. Die Leidtragenden seien tausende Kunden, die der Bank ihr Geld anvertraut haben, so Petschnig.

Sagartz: Schaden so gering wie möglich halten

Die aktuellen Entwicklungen rund um die Commerzialbank seien ein Schock für alle Betroffenen, so der geschäftsführende Landesparteiobmann der ÖVP, Christian Sagartz. Der Schaden für die Sparer und Betriebe, aber auch für die Gemeinden und das Land, müsse so gering wie möglich gehalten werden, so Sagartz.

Auch Grüne und NEOS fordern Aufklärung

Die Klubobfrau der Grünen, Regina Petrik, fragt sich in einer Aussendung, wie Pucher jahrelang die Commerzialbank in eine Insolvenz „reiten“ konnte und welche Netzwerke er hatte. Petrik zeigte sich verwundert über die Aussage des Landeshauptmannes, aus der Fussballakademie ein Landessportzentrum zu machen.

Die NEOS Burgenland zeigen sich in einer Aussendung fassungslos. Es habe die Bankaufsicht versagt und das müsse aufgeklärt werden, so Landessprecher Eduard Posch.