Anna Kaiser
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Chronik

102-Jährige erzählt von Deportation 1946

Die 102-jährige Anna Kaiser lebt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Burgenland. Sie wuchs in Zanegg in Ungarn auf. Im März 1946 musste sie ihre Heimat verlassen, weil alle Ungarndeutschen ausgesiedelt wurden.

Anlässlich des ORF-Themenschwerpunktes „75 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg“ erzählte Frau Kaiser dem ORF-Burgenland ihre Geschichte. Als ob es erst gestern gewesen wäre, erinnerte sich die 102-Jährige zurück und berichtete von der Deportation aus Ungarn und von ihrem Leben in Wulkaprodersdorf (Bezirk Eisenstadt-Umgebung).

Anna Kaiser bei ihrer Erstkommunion
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Anna Kaiser bei ihrer Erstkommunion

36 Personen in einem Waggon

Als Kind einer Bauernfamilie wuchs die rüstige, ehemalige Verkäuferin in Zanegg in Ungarn auf. Bis zum März 1946 – als die Welt plötzlich eine andere wurde: Denn Anna Kaiser und ihre Familie wurden ausgesiedelt. „Jetzt haben wir die Pferde und alles in einen Waggon hinein und im anderen sind wir gesessen.“ 36 Personen wurden in einem Waggon transportiert.

102-Jährige erzählt von Deportation 1946

Anna Kaiser mit ihrem Vater

Mutter im Deportationszug gestorben

Im Zug starb die Mutter von Anna Kaiser. Da Annas Schwester in Wulkaprodersdorf verheiratet war, durften sie und ihr Vater den Zug verlassen und sie stiegen in Ebreichsdorf (Bezirk Baden, Niederösterreich) aus. Im Tausch gegen Fleisch und Zucker bekam Anna Kaiser einen Sarg für ihre Mutter, die sie und ihr Vater dann auch in Ebreichsdorf begruben.

Foto von Anna Kaiser mit ihrem Vater
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Vater und Tochter arbeiteten zunächst in Mönchhof (Bezirk Neusiedl am See) bei einem Bauern. Im August 1946 kam Anna Kaiser nach Wulkaprodersdorf – dort bekam sie Arbeit bei einem Greißler und verliebte sich in ihren Chef. Die beiden heirateten.

„In der Not muss man alles überwinden“

„Mir war Wulkaprodersdorf nicht fremd. Meine Schwester hat im Jahr 1929 einen Mann aus Wulkaprodersdorf geheiratet und im Winter bin ich zu meiner Schwester auf Urlaub gefahren und da habe ich dann schon Freundinnen gehabt und Leute gekannt“, erzählte Kaiser.

Foto von Anna Kaiser im Geschäft
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Nicht alle im Dorf akzeptierten Anna Kaiser sofort

Die neue Greißlerin wurde damals aber nicht von allen sofort mit offenen Armen empfangen: „Ich kann mich noch erinnern, dass mein Mann Frauen aus dem Geschäft geschmissen hat, weil sie dachten: ‚Die ist eh nur ein Flüchtling‘. So etwas hat man auch erlebt, aber das musste man alles überwinden, wenn man in Not ist“, erzählte Kaiser. Die 102-Jährige hat das das alles überwunden – was bleibt ist die Erinnerung. Trotz ihrer bewegten Geschichte hat sich Anna Kaiser ihr Lachen und die Freude am Leben bewahrt.