Landtagsabgeordnete
ORF
ORF
Politik

Neues Sozialhilfegesetz beschlossen

In der ersten Landtagssitzung nach der Sommerpause ist am Donnerstag eines der großen Projekte der SPÖ-FPÖ-Regierung beschlossen worden: Die Novelle des Sozialhilfegesetzes ermöglicht die Anstellung pflegender Angehöriger bei einer Tochterorganisation der KRAGES.

Die Novelle zum burgenländischen Sozialgesetz wurde mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ mehrheitlich angenommen. Auch der parteiunabhängige Abgeordnete Gerhard Steier stimmte der Novelle zu. ÖVP, Grüne und LBL-Abgeordneter Manfred Kölly erneuerten am Donnerstag ihre Kritik an der Novelle. Aus Sicht der Opposition sind nach wie vor zahlreiche Fragen offen – mehr dazu in Landtag: Änderung Sozialhilfegesetz.

Mit dem neuen Gesetz können Angehörige für ihre Pflegetätigkeit bis zu 1.700 Euro netto pro Monat verdienen. Anspruch auf das Anstellungsmodell haben Ehe- und eingetragene Partner, Verwandte in direkter Linie – also Großeltern, Eltern, Kinder und Enkelkinder – sowie Geschwister, Tanten, Onkel, Nichten und Neffen und auch verschwägerte Verwandte. Der oder die Angehörige muss eine Heimhilfeausbildung absolvieren – mehr dazu in Pflege: Gesetzesentwurf in Begutachtung und „Pflege Service Burgenland“ gegründet. Interessierte können sich bei der Pflege-Hotline des Landes (057/600-1000) oder bei den Pflege- und Sozialberatern in den Bezirkshauptmannschaften informieren.

Regierung
ORF
Das neue Sozialhilfegesetz gilt als Prestigeprojekt der Regierung

Opposition hat viele arbeitsrechtliche Fragen

Es sind vor allem arbeitsrechtliche Aspekte, die aus Sicht der Oppositionsparteien nicht hinreichend geklärt sind. Regina Petrik von den Grünen fragte zum Beispiel, wo genau die 20, 30 oder 40 gearbeiteten Stunden festgeschrieben würden. Bei der Angehörigenpflege seien viele Stunden in der Nacht zu erledigen, da gebe es keinen Unterschied zwischen Wochenenddienst und Wochentagen.

ÖVP-Chef und Abgeordneter Thomas Steiner wollte wissen, was nach der 41. Stunde passiere und wie es mit Überstunden und Arbeitszeiten am Wochenende aussehe. Er könne heute schon versprechen, dass es – zu Recht – eine Reihe von Arbeitsrechtprozessen geben werde. Liste-Burgenland-Abgeordneter Manfred Kölly warf die Frage auf, was zum Beispiel eine Frau, die für die Pflege ihrer Mutter vom Büro zu Hause bleibe, mache, wenn ihre Mutter nach eineinhalb Jahren sterbe. „Kann sie wieder ins Büro zurück?“ so Kölly.

Landtagsmandatare
ORF
ÖVP, Grüne und LBL stimmten der Novelle nicht zu

Molnar: Betreuende Angehörige absichern

FPÖ-Klubobmann Geza Molnar verteidigte das rot-blaue Modell. Die Regierung sage, wie es gehen könnte und tue es auch. „Wir tun es im Sinne der vielen pflegenden und betreuenden Angehörigen im Burgenland, die wir sozialversicherungsrechtlich absichern wollen, deren Lebensunterhalt wir wahren wollen, um ihren Angehörigen den Verbleib zu Hause zu ermöglichen“, so Molnar. Ein wesentlicher Aspekt sei auch, dass man den pflegenden Angehörigen auch zusätzlich noch Ausbildungsmöglichkeiten bieten wolle.

Illedits: Niemand muss Angebot annehmen

Mit dem SPÖ-FPÖ-Modell komme man auch den Wünschen der zu Pflegenden nach, sagte SPÖ-Sozialsprecher und Landtagsabgeordneter Christian Drobits. Fast 99 Prozent wollten nicht in ein Pflege- und Altersheim, sondern sie wollten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben dürfen. Daher sei es der einzig richtige Weg, die Möglichkeit für eine Anstellung der pflegenden Angehörigen zu schaffen. Soziallandesrat Christian Illedits (SPÖ) wies die Aussagen der ÖVP, die von einer Verstaatlichung des Pflegewesens sprach, zurück. Das Angebot beruhe auf Freiwilligkeit, niemand müsse es annehmen. Die Basisausbildung von 100 Stunden sei eine Grundausbildung und nicht die Ausbildung zur Heimhilfe. Aber der pflegende Angehörige dürfe mehr tun als ein Fremder, so Illedits.

Diskussion über Akteneinsicht und Verschwiegenheit

Der Tag begann mit einer Debatte über die Geschäftsordnung. Markus Ulram (ÖVP) meldete sich noch vor Beginn der Fragestunde zu Wort, um zu kritisieren, dass ihm als Abgeordnetem das Recht auf Akteneinsicht verwehrt worden sei – und zwar von Landesrat Heinrich Dorner (SPÖ). Es geht dabei um die rechtliche Auseinandersetzung des Landes mit dem Immobilieninvestor Michael Tojner über den Kauf von gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften – mehr dazu in Doskozil im Fall Tojner optimistisch.

Ulram forderte eine Begründung für die Ablehnung der Akteneinsicht. Gemäß der Geschäftsordnung könne ein laufendes Verfahren keine Begründung für die Verweigerung sein, denn gewisse Verschwiegenheiten seien immer zugegen und müssten beachtet werden. Nach den Bestimmungen über die Amtsverschwiegenheit im Artikel 20, Absatz 3 des Bundesverfassungsgesetzes seien alle Verwaltungsorgane zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn die Geheimhaltung der Tatsachen im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts geboten sei, antwortete Dorner.

Danach meldete sich Petrik zu Wort. Auch ihr sei die Akteneinsicht in die Stellungnahmen zur Änderung des Sozialhilfegesetzes von Landesrat Illedits mit dem Hinweis auf Verschwiegenheit verwehrt worden: „Am Dienstag konnte man lesen, dass der Herr Landeshauptmann sagt, dass alle Stellungnahmen online gestellt werden. Der Herr Landesrat hat das offenbar noch nicht mitbekommen und verweigert mir nach wie vor diese Akteneinsicht“, kritisierte Petrik.

Die Verfasser hätten darauf vertraut, dass ihre Positionen nicht öffentlich würden, antwortete Illedits. In diesem Vertrauen hätten sie womöglich Auskünfte gegeben, die ihnen im Fall einer Veröffentlichung Nachteile beraten könnten. „Zukünftig werden alle Begutachtungsverfahren nicht nur von der Gesetzgebung veröffentlicht, sondern alle Stellungnahmen, inwieweit derjenige, der die Stellungnahme abgibt, das auch zulässt“, so Illedits.

Gebärdendolmetscherin Marietta Gravogel im Landtag
ORF
Marietta Gravogel dolmetscht erstmals in Gebärdensprache

Reden erstmals auch in Gebärdensprache

Bei der Landtagssitzung gab es außerdem eine Premiere: Erstmals kam eine Gebärdendolmetscherin zum Einsatz. Marietta Gravogl und ihr Team dolmetschten die Landtagssitzungen in österreichischer Gebärdensprache. Damit solle gehörlosen Menschen die „aktive Teilnahme“ ermöglicht werden, betonte Landtagspräsidentin Verena Dunst am Donnerstag. Vorerst werde von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr gedolmetscht, weil sich gezeigt habe, dass hauptsächlich in dieser Zeit Interessierte die Sitzungen im Internet verfolgen würden, sagte Dunst.

Link: