Viktor Orban und Angela Merkel in der Kirche
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Politik

Grenzöffnung 1989: Festakt mit Merkel und Orban

Mit einem ökumenischen Gottesdienst ist am Montag in Sopron der ersten Massenflucht von DDR-Bürgern vor 30 Jahren gedacht worden. Ehrengäste waren die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ungarische Regierungschef Viktor Orban.

Vor genau 30 Jahren wurde an der Grenze bei St. Margarethen (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) Weltgeschichte geschrieben. Bei dem paneuropäischen Picknick wurde damals der Eiserne Vorhang endgültig eingerissen, wie sich später herausstellte. Hunderte DDR-Bürger nutzten die Gelegenheit und flohen von Sopron über die Grenze ins Burgenland.

Erinnerung an ein Stück Weltgeschichte

Die Lebensgeschichten von Angela Merkel und Viktor Orban sind eng mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 verknüpft. Das paneuropäische Picknick an der Grenze läutete das Ende der Sowjetunion ebenso ein wie den Beginn der politischen Karrieren der beiden heutigen Regierungschefs. Bei der Gedenkmesse Montagvormittag in Sopron unterstrich Ministerpräsident Orban die Bedeutung des damaligen Ereignisses.

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Einzug in die Kirche
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Merkel und Orban in der Kirche
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Festgäste in der Kirche in Sopron
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Viktor Orban und Angela Merkel in der Kirche
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Kirche in Sopron
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Viktor Orban bei seiner Rede
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Viktor Orban bei seiner Rede
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Angela Merkel bei ihrer Rede
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Angela Merkel bei ihrer Rede
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Auszug aus der Kirche
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Fahrzeuge beim Festakt in Sopron
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„Mit dem Durchbruch fiel die Mauer, die Europa getrennt und zum Teil der sowjetischen Welt gemacht hatte. Vor 30 Jahren ist hier die europäische Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg zu Ende gegangen“, so Orban.

Merkel: „Europas Teilung fand endlich ein Ende“

Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnerte an die Besonnenheit der ungarischen Behörden vor 30 Jahren. „Die ungarischen Grenzschützer schossen nicht. Sie ließen die DDR-Bürger ziehen. Sie bewiesen Mut, in dem sie Menschlichkeit über Dienstvorschrift stellten. Wenige Wochen später, am 11. September 1989, öffnete Ungarn endgültig seine Grenze. Am 9. November fiel in Berlin die Mauer. Die Teilung Europas fand endlich ein Ende“, so Merkel.

Europäische Einheit beschworen

Während beide Politiker die europäische Einheit beschworen, zeigten sich auch Auffassungsunterschiede. So wies Merkel in Erinnerung an die damaligen Geschehnisse darauf hin, dass Europa besondere Verantwortung für Flüchtende habe. „Das Friedensprojekt Europa ist kein Selbstläufer. Es verlangt auch manchmal über den eigenen Schatten zu springen, um unserer gemeinsamen Verantwortung für Europa und auch für die Welt gerecht zu werden. Daran erinnern uns nicht zuletzt schutzbefürftige Menschen aus Kriegs- und Krisenregionen, die bei uns Zuflucht suchen. Sie erinnern uns daran, wie wichtig es ist, die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bekämpfen“, so Merkel.

ORF-Burgenland-Chefredakteur Walter Schneeberger schildert seine Eindrücke vom Gottesdienst in Sopron.

Orban blickte 100 Jahre zurück

Orban blickte beinahe 100 Jahre zurück und fand besonderes Lob für die Stadt Sopron, weil sie sich nach dem 1. Weltkrieg in einer Volksabstimmung gegen den Verbleib bei Österreich entschieden habe. „Wir werden nie vergessen – und das wird in der Schule jedem Kind in Ungarn beigebracht, dass Sopron die Stadt war – und die Bürger von Sopron Ungarn, Deutsche und Kroaten waren – die sich bei der Zerstückelung Ungarns mit der Kraft einer Volksabstimmung an Ungarn gebunden haben“, so Orban.

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Merkel und Orban bei Pressekonferenz
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Merkel und Orban bei Pressekonferenz in Sopron
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Großer Andrang bei der Pressekonferenz in Sopron
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Viktor Orban bei Pressekonferenz in Sopron
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Großer Andrang bei der Pressekonferenz in Sopron
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Angela Merkel bei Pressekonferenz in Sopron
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Merkel: „Ereignisse geben mir Kraft“

Bei einer Pressekonferenz nach dem Gottesdienst, meinte Merkel vor zahlreichen Journalisten, dass der Fall des Eisernen Vorhangs ihr heute noch Energie gebe. „Natürlich haben die Ereignisse von 1989 mein Leben wesentlich geprägt. Ich wäre nicht Politikerin, ich könnte nicht Bundeskanzlerin eines wiedervereinigten Deutschlands sein. Meinen Elan und mein Willen, heutige Dinge, die ich ändern möchte, zu ändern, ist davon nach wie vor gespeist“, so die Bundeskanzlerin.

Orban: „Wussten immer, dass dieser Tag kommt“

Das „Sopron-Picknick“, wie es Viktor Orban nannte, war ein großer Moment für ihn und seine ungarischen Landsleute, sagte der Ministerpräsident: „Aus Sicht der Ungarn war es so, dass wir immer gedacht haben, dass dieser Tag kommen würde. Wir wurden nach dem Zweiten Weltkrieg der Gnade der sowjetischen Welt unterworfen. Wir haben nie geglaubt, dass es auf Dauer zwei Europas geben kann, denn es gibt nur ein Europa, und dieses Europa würde eines Tages vereint sein.“

Doch die europäische Einheit hat ihre Grenzen, wie das Treffen am Montag zeigte: Auf die Frage einer deutschen Journalistin an Viktor Orban, wie er den DDR-Flüchtlingen von damals heute erklären würde, dass er heute neue Grenzzäune errichtet, antwortet der ungarische Regierungschef: „Vor 30 Jahren haben wir die Mauern eingerissen, damit die geflohenen Deutschen in Sicherheit und Frieden leben können. Jetzt, 30 Jahre später, schützen wir die südlichen Grenzen von Europa, ebenfalls damit die Deutschen frei und in Sicherheit leben können.“

Angela Merkel sprach sich in ihrer Rede für eine ernsthafte Sicherung der EU-Außengrenzen ebenso aus wie für den Schutz der Flüchtlinge und die Bekämpfung der Flucht-Ursachen. Sie hoffe auf die neue EU-Kommission unter Präsidentin Ursula Von der Leyen, eine gesamteuropäische Lösung zu finden – gemeinsam mit Ländern wie Ungarn.

Doskozil und Steiner kamen nicht bis zur Kirche

Das offizielle Österreich war bei der Veranstaltung in Sopron nur spärlich vertreten. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) und auch der Eisenstädter Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP) wollten an dem Festakt in Sopron teilnehmen, doch beide mussten vor dem Verkehrsaufkommen, ausgelöst durch die immensen Sicherheitsvorkehrungen, kapitulieren.

Landeshauptmann Doskozil meinte dann Montagnachmittag am Rande einer Pressekonferenz zur Bedeutung der Grenzöffnung von 1989: „Die wichtigste historische Bedeutung ist natürlich das Zusammenwachsen Europas“. Das Burgenland habe dadurch „eine neue Rolle eingenommen, mitten im Herzen Europas“. Aber neben allen positiven Aspekten „muss man auch sehen und akzeptieren und natürlich bearbeiten, dass es Schattenseiten gibt“, so Doskozil.