DDR Bürger laufen durch das geöffnete Grenztor
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CHRONIK

1989: Picknick schrieb Weltgeschichte

Am 19. August 1989 wurde an der Grenze zwischen St. Margarethen und Fertörákos (Ungarn) Geschichte geschrieben. Hunderte DDR-Bürgerinnen und -Bürger flüchteten beim Paneuropäischen Picknick über die Grenze.

Der eigentliche Schauplatz des Paneuropäischen Picknicks ist gut zwei Kilometer vom Grenzübergang entfernt. Es war eine politische Veranstaltung, bei der vor allem der Fall der Berliner Mauer gefordert wurde, erzählt László Nagy, Mitorganisator des Paneuropäischen Picknicks.

Lászo Nagy, Mitorganisator des Paneuropäischen Picknicks 1989
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László Nagy, Mitorganisator des Paneuropäischen Picknicks

Ursprünglich Protest gegen Berliner Mauer

Man habe über ein grenzenloses Europa gesprochen und man habe deklariert, dass sich die Veranstaltung gegen die Berliner Mauer richtet. Die Ruinen des ungarischen Eisernen Vorhangs habe man nur als Kulisse verwendet, um gegen die Berliner Mauer zu protestieren, so Nagy. Während die Organisatoren eine Pressekonferenz abhielten, sammelten sich beim Grenztor Richtung St. Margarethen immer mehr DDR-Bürgerinnen und -Bürger.

Ungarischer Grenzsoldat ließ nicht schießen

Árpád Bella kommandierte damals die ungarischen Grenzsoldaten und er musste innerhalb von Minuten eine schicksalshafte Entscheidung treffen. Der Befehl damals lautete: Illegale Grenzübertritte sind zu verhindern, so Bella: „Mich an den Befehl zu halten, hätte geheißen, mich mit meinen fünf Männern der Menge entgegenzustellen. Aber eine Konfrontation von Bewaffneten gegen Unbewaffnete ist noch nie gut ausgegangen“, so Bella.

Árpád Bella, der ehemalige Kommandant der ungarischen Grenzwache
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Árpád Bella hatte das Kommando über die ungarischen Grenzsoldaten inne

„Bekomme heute noch Gänsehaut“

Bella ließ nicht schießen. Er ließ die Menge das Tor aufdrücken. 100 bis 150 Ostdeutsche liefen durch, sie weinten, lachten, fielen einander in die Arme, erinnert sich die frühere langjährige Leiterin des burgenländischen APA-Büros, Hilde Szabo.

„Es waren die bewegendsten Szenen, die ich in meiner fast 40-jährigen Journalistenkarriere erlebt habe. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke“, so Szabo. Den ganzen Nachmittag gingen Flüchtlinge durch das Tor, bis am Abend waren es circa 600 Menschen. Offiziell endete das historische Picknick mit einem Wolkenbruch um 19.00 Uhr.

Das zerstörte Grenztor
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Das zerstörte Tor von St. Margarethen wurde nach der Veranstaltung wieder aufgestellt

Gedenkpark erinnert an den August 1989

Den Beteiligten auf der ungarischen Seite war es nicht klar, dass sie Geschichte schrieben, im Gegenteil. Sie fürchteten harte Konsequenzen. Die Hilfe bei einem illegalen Grenzübertritt wurde damals in Ungarn mit zwei bis fünf Jahren Haft bestraft. Die Konsequenzen blieben aber aus. Heute erinnert ein Gedenkpark an den 19. August 1989.