Robert Menasse und Rindsroulade

Der vielfach ausgezeichnete Autor Robert Menasse hat zuletzt mit seinem EU-Roman „Die Hauptstadt“ begeistert, aber auch seine politischen Essays sorgen immer wieder für Furore. Überzeugend ist auch sein Rezept: Rindsroulade Oma Menasse.

Wie sehr der Schriftsteller von der Rindsroulade nach Art seiner Großmutter überzeugt ist, beweist auch sein mit viel Leidenschaft formuliertes Rezept:

Zubereitung:

Rindschnitzelfleisch „doppelt“ schneiden, das heißt, das Fleisch wird sehr dünn an-, aber nicht ganz durchgeschnitten, dann eine zweite Scheibe, diese aber durch, wodurch sich aufgeklappt eben „ein Doppeltes“ ergibt. Dieses Schnitzel wird nicht, wie in zahllosen Kochbüchern selbst von Haubenköchen empfohlen, „geklopft“, sondern vorsichtig plattiert (plattgedrückt). Das kulturlose „Klopfen“ zerstört die Fasern des Fleisches, wodurch dann beim Dünsten der Saft ausrinnt und das Fleisch zäh wird.

Das plattierte Schnitzel auf der oberen, der späteren Innenseite, pfeffern und mit Senf bestreichen, so wie man eine Scheibe Brot mit Butter bestreicht. (Nicht salzen! Das Salz führt erst recht zum „Wassern“, also zum Saftaustritt des Fleisches. Salzen erst die angebratene Roulade bzw. die Soße)

Eine dünne Scheibe Speck auflegen (Bauchspeck - das Fett schmilzt dann beim Dünsten, gibt im Inneren der Roulade Saft). Darauf eine Karotte, eine gelbe Rübe und eine Peterwurzn (Pasternake), in zirka drei Millimeter dicke Stifte geschnitten, auflegen. In allen modernen Kochbüchern wird die Pasternake vergessen, und nicht einmal der Teufel weiß warum. Noch in den Kochbüchern des 19. Jahrhunderts wird die Pasternake als „Würz- und Sturz-Wurzn“ gepriesen, weil sie den Geschmack verstärkt und dann die Verdauung fördert (den „Sturz“, die rasche Entleerung).

Dazu ein Stifterl Essigkurke (keine Salzgurke!), und – aufgepasst: eine in Rouladenlänge gebrochene Spaghetti - kein Witz! Das ist der Trick: EINE Spaghettinudel. Was passiert mit einer Nudel im Kochprozess? Sie nimmt an Volumen zu. Im weiteren Verlauf, nach der Al-dente-Phase, wird sie „schlazig“, wie man in Wien sagt, also schleimig. Das heißt, zunächst macht sie die Roulade eine Spur „luftiger“, dehnt sie, nimmt ihr die enge Härte, die sie durchs Zusammenrollen bekommt. Und dann fördert sie ihre innere „Sämigkeit“, also ihre mollige Saftigkeit.

Sendungshinweis

„Mahlzeit Burgenland“, 19.10.2018

Immer wieder werden in Kochbüchern noch Sardellen und/oder Kapern für die Fülle empfohlen. Unsinn! Sofort vergessen, und für dieses Kochbuch in der Buchhandlung den Kaufpreis zurückfordern! Jetzt die Rindsschnitzel zusammenrollen, die Rouladen mit Zahnstochern oder Rouladen-Nadeln fixieren. Keinen Spagat! Im Spagat ist Leim – wer will das in seinem Essen? Wir sind vor und nach dem Essen geleimt genug.

Rouladen rundum anbraten, eine fein gehackte Zwiebel beigeben und glasig werden lassen, dann mit etwas Rotwein löschen. Kein Mehl! Wieder so eine Kochbuchsünde! Ein Erbe der kulinarischen Verkommenheit der fünfziger Jahre. Die Rouladen zugedeckt sanft dünsten. Ab und zu mit etwas Rindsfond aufgießen. Wenn man keinen Fond hat, kann man eine Brühe aus einem Suppenwürfel, aufgelöst in einem halben Liter Wasser, verwenden.

Zweieinhalb Stunden bei sehr niedriger Temperatur dünsten – dann rasten lassen. (Hier schon wird deutlich, dass man Rindsrouladen bereits am Vortag zu kochen beginnen sollte). Nach dem Rasten (Minimum eine Stunde), die Rouladen wieder aufkochen, Hitze zurücknehmen, noch einmal mit Fond oder Suppenwürfelbrühe aufgießen, einen Drücker Senf und etwas feingehackte Petersilie dazu geben, eine rohe Kartoffel hinein reiben (die Stärke der Kartoffel bindet die Soße) und auf dem Herd reduzierend (also ohne Deckel) zirka zwanzig Minuten fertig garen. Wenn man die Roulade dann anschneidet, wird man feststellen, dass die Nudel spurlos verschwunden ist. Aber die Roulade ist unvergleichlich saftig und mürb. Wer kennt heute noch solche Tricks? Jetzt Sie!

Beilage:

Spiralnudeln und Gurkensalat.