Das Burgenland vor dem „Anschluss“

Am 12. März 1938 marschieren deutsche Truppen in Österreich ein, einen Tag zuvor wurde der sogenannte „Anschluss“ vollzogen. In einem ORF Themenschwerpunkt geht es am Wochenende unter anderem um die Geschichte des Burgenlandes vor jenen schicksalhaften Tagen im Jahr 1938.

Im Jahr 1919 wird das Gebiet Deutschwestungarn im Zuge der Friedensverhandlungen von St. Germain Österreich zugesprochen. Das künftige Bundesland Burgenland ist damals ein Land der Kleinbauern, der Dörfer, der Landarbeiter und Großgrundbesitzer. „Da waren die Leute damals schon für Österreich, aber sie haben sich nicht gleich etwas zu sagen getraut, weil sie Angst hatten“, berichtete die Zeitzeugin Anna Novak im Jahr 1991.

ORF Themenschwerpunkt 1938

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Ungarische Freischärler verhindern 1921 die Übergabe des Burgenlandes an Österreich

Freischärler verhindern Übergabe an Österreich

Im August 1921 verhinderten ungarische Freischärler die Übergabe. Die Anzahl der Freischärler sei gering gewesen, sagte Zeitzeuge Alexander Luif aus Pinkafeld in einem Interview im Jahr 1991. Es seien nur wenige gewesen. „Sie konnten sich dennoch halten, weil sie sehr brutal vorgegangen sind“, so Luif. Dabei gab es auch Tote, wie etwa in der Nähe der Ortschaften Agendorf/Agfalva und Kirchschlag. Die ungarische Regierung verzichtete dann auf das Gebiet.

Ödenburg geht nach Volksabstimmung an Ungarn

In einer angeblich massiv beeinflussten Volksabstimmung verlor das Burgenland die Stadt Ödenburg/Sopron an Ungarn. Der Raub Ödenburgs sei immer noch in den Köpfen der Burgenländerinnen und Burgenländer vorhanden, so der Historiker Michael Hess. Es habe zwar Ungereimtheiten gegeben, aber tatsächlich hätte sich das Ergebnis auch ohne der Ungereimtheiten nur um zwei bis drei Prozentpunkte verändert, so Hess.

ORF Themenschwerpunkt 1938

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Die Schüsse von Schattendorf führten zu Straßenkämpfen und zum Brand des Justizpalastes im Jahr 1927

Die Schüsse von Schattendorf

Im Jahr 1927 gab es erneut Schüsse im Burgenland. In Schattendorf gerieten Schutzbündler und Frontkämpfer aneinander. Ein Kind und ein Mann starben. Die Täter wurden freigesprochen. Einer der Schützen war Hieronymus Tscharmann. Er war damals Frontkämpfer. In einem historischen Interview sagte er, dass er damals 22 Jahre alt gewesen sei und sich um solche Sachen nicht gekümmert hätte. „Ich habe ganz einfach geschossen und geschossen, wohin oder was ich getroffen habe, weiß ich auch nicht“, so Tscharmann. Die Folge waren Straßenkämpfe und ein brennender Justizpalast in Wien.

ORF Themenschwerpunkt 1938

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In Zeiten der Wirtschaftskrise beginnt im Burgenland eine große Auswanderungswelle

Wirtschaftskrise führt zu Auswanderungswelle

Zur Zeit der Wirtschaftskrise verließen viele Burgenländerinnen und Burgenländer das Land in Richtung Übersee, nach Amerika. Jene die blieben, führten einen täglichen Kampf um das Überleben. So sei es eben gewesen, sagte Zeitzeugin Anna Palkovits aus Hornstein. Damals war sie 15 Jahre alt. „Einmal ist der Bauer gekommen und hat gesagt er braucht Hilfe bei der Ernte von den Rüben oder Erdäpfeln, wenn die Erntezeit war. Bezahlt wurde aber nicht mit Geld. Du hast dir dann Milch nehmen können oder der Bauer hat dir dann Eier gegeben“, so Palkovits.

ORF Themenschwerpunkt 1938

Burgenländisches Landesarchiv

Nährboden für die Nationalsozialisten

Die angespannte Wirtschaftslage, fehlende Arbeit und Perspektiven bildeten gerade im Burgenland den Nährboden für die Nationalsozialisten. Da sei es dann recht drunter und drüber gegangen, sagte Zeitzeuge Michael Sommer aus Donnerskirchen. Er war damals 15 Jahre alt. Bis dahin sei es mehr oder weniger ein geduldiges Ertragen gewesen, aber als die Nationalsozialisten gekommen seien, da habe sich dann nachher schon etwas abgespielt, sagte Sommer.

ORF Themenschwerpunkt 1938

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Engelbert Dollfuß bei einer Rede in Neusiedl am See

Der damalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß hielt eine Rede in Neusiedl am See und präsentierte die heile Welt der Vaterländischen Front. Zu diesem Zeitpunkt waren die Parteien bereits verboten. Ihre Vertreter wurden in sogenannte „Anhaltelager“ gebracht, das zweitgrößte stand in der nordburgenländischen Gemeinde Kaisersteinbruch.

ORF Themenschwerpunkt zum Anschlussjahr 1938

Burgenländisches Landesarchiv

Dort waren rund 600 Menschen drei Monate lang interniert. Zu dieser Zeit war Hans Sylvester Landeshauptmann. Er war im Ständestaat zum Landeshauptmann des Burgenlandes ernannt worden. Sylvester wurde eines der ersten prominenten Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und Deportation. Am 11. März wurde er verhaftet und nach Dachau gebracht, wo er im Jänner 1939 starb.

ORF Themenschwerpunkt zum Anschlussjahr 1938

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Landeshauptmann Hans Sylvester war eines der ersten prominenten Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung

In diesen Tagen endeten auch 600 Jahre jüdische Geschichte im Burgenland. Viele der 4.000 Juden die damals im Burgenland lebten konnten noch rechtzeitig flüchten. Jene die geblieben sind, wurden vertrieben oder in ein Konzentrationslager deportiert.

ORF Themenschwerpunkt zum Anschlussjahr 1938

Burgenländisches Landesarchiv

Im Oktober 1938 endete dann die Geschichte des Burgenlandes vorläufig. Nach dem „Anschluss“ wird das Bundesland auf Niederdonau und die Steiermark aufgeteilt.

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