Niessl: Härtester Protest gegen Asylgroßquartier

Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) will keine staatlich geführten Grundversorgungszentren für Asylwerber im Burgenland. Man gehe hier mit dem Koalitionspartner FPÖ einen vollkommen anderen Weg, da habe der Bund mit härtestem Protest zu rechnen.

Niessls Äußerungen im APA-Interview beziehen sich auf den Plan von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, Großquartiere für Flüchtlinge einzurichten - mehr dazu in Kickl: Asylwerber „konzentriert“ unterbringen.

Niessl will Bevölkerung einbinden

Im Burgenland gelte seit 2015 bei der Unterbringung von Flüchtlingen eine Obergrenze von ein Prozent der Bevölkerung, so Niessl: „Wir setzen darauf, dass Asylwerber in kleinen Einheiten untergebracht werden. Die können dann auch leichter integriert werden.“ Gegen Großquartiere habe man sich schon in der Vergangenheit gemeinsam mit der Bevölkerung erfolgreich zur Wehr gesetzt - Niessl nannte am Montag im ORF-Burgenland-Interview am Rande der SPÖ-Klubklausur in Rust als Beispiele Eberau und die Kaserne Bruckneudorf - mehr dazu in Kaserne Bruckneudorf: Kompromiss gilt. Damit müsse der Bund auch diesmal bei der Umsetzung solcher Pläne rechnen.

Die Bevölkerung müsse eingebunden werden, wenn es um große Asylzentren gehe. Denn es sei nicht vertretbar, dass zum Beispiel in Gemeinden mit 1.000, 2.000 oder 3.000 Einwohnern Hunderte Asylwerber in Zentren untergebracht seien, da passe die Relation nicht zusammen. Man wolle, wie es auch im Koalitionsabkommen mit der FPÖ festgeschrieben sei, in kleinen burgenländischen Gemeinden nur eine geringe Anzahl von Asylwerbern unterbringen und keine großen Zentren.

Kritik an Bundes-FPÖ

Dass sich die FPÖ zuletzt etwa bei ihrem Neujahrstreffen mit Slogans wie „Bruno Kreisky würde HC Strache und die FPÖ wählen“, quasi als bessere SPÖ darzustellen versuchte, vermerkte Niessl mit Verwunderung: „Die Darstellung ist das eine, die Realität ist das andere.“

Wenn als eine der ersten Handlungen der Bundesregierung die finanziellen Mittel für über 50-jährige Langzeitarbeitslose gestrichen werden, bei Notstandshilfe und Mindestsicherung der Zugriff auf das Vermögen von Arbeitslosen angedacht werde und der Arbeitsmarkt für Ausländer geöffnet und damit Lohn- und Sozialdumping gefördert würden, während 400.000 Österreicher ohne Arbeit dastehen, sei dies das völlige Gegenteil der Politik des legendären SPÖ-Bundeskanzlers Kreisky, erklärte Niessl.

„Kreisky würde niemals solchen Aktionen gegen Arbeitnehmer zustimmen, Kreisky hätte auch keinem 12-Stunden-Tag ohne Verhandlungen mit den Sozialpartnern zugestimmt, Kreisky würde niemals einfallen, über eine Schwächung der Arbeiterkammer zu diskutieren, und Kreisky hätte niemals eine Koalition mit einer Partei gemacht, die gleich am Beginn massive Verschlechterungen für Arbeitnehmer beschließt. Hier hat sich nicht die FPÖ durchgesetzt, sondern der neoliberale Ansatz der ÖVP.“

Keine Politik gegen Arbeitnehmer mit Rot-Blau

Seinen Koalitionspartner im Burgenland nahm Niessl von der Kritik aus. Da gebe es einen wesentlichen Unterschied: Eine rot-blaue Koalition würde niemals eine solche Politik gegen Arbeitnehmer machen, und das werde im Burgenland auch nicht getan. Außerdem gebe es ja innerhalb der FPÖ sehr wohl Kritik. Es sei ja nicht so, dass alle Freiheitlichen diesen neoliberalen Weg einhellig mittragen würden.

Niessl für kritischen Oppositionskurs

Der Bundes-SPÖ empfiehlt Niessl einen kritischen Oppositionskurs, glaubwürdige Konzepte und eine harte Auseinandersetzung um die Themen Arbeitsmarktpolitik, Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik, soziale Sicherheit und innere Sicherheit. „Die SPÖ muss sich für Minderheiten einbringen. Aber: Wer Wahlen gewinnen will, muss auch die Meinung der Mehrheit vertreten. Das muss die SPÖ in der Opposition auch tun.“

Präferenz für Ludwig in Wien

Für die bevorstehende Wahl des neuen Wiener SPÖ-Chefs - Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und Parlamentsklubobmann Andreas Schieder rittern bei einem Sonder-Parteitag am 27. Jänner um die Nachfolge von Michael Häupl - ließ Niessl Präferenzen für Ludwig anklingen. Michael Ludwig sei jemand, der in der Bevölkerung sehr gut ankomme, der in der Wiener Stadtpolitik sehr bekannt sei, der Menschen über Parteigrenzen hinaus ansprechen könne und der ein sehr breites Spektrum in der Politik abdecke.

Gerade in Zeiten, wo das Stammwählerpotenzial rückläufig sei, sei es notwendig, dass jemand an der Spitze der Partei stehe, der eine möglichst breite Akzeptanz in der Bevölkerung habe, so Niessl: „Ich kenne Ludwig persönlich sehr gut, er ist ausgezeichnet geeignet.“ Aber egal, wer die Führung der Wiener SPÖ übernehme, sowohl Ludwig als auch Schieder seien sich einig, dass nach der Wahl die Gräben zugeschüttet werden müssten, dass man als Sozialdemokratie von Wien geschlossen auftrete, so Niessl - mehr dazu in Häupl-Nachfolge: Nur zwei Kandidaten.

ÖVP wirft Niessl „politische Unehrlichkeit“ vor

Die ÖVP reagierte mit scharfer Kritik: „Niessls politische Unehrlichkeit ist unerträglich“, erklärte ÖVP-Landesparteiobmann Thomas Steiner. Die Behauptung, es gebe seit 2015 eine Obergrenze für Flüchtlinge in burgenländischen Gemeinden, sei „schlichtweg unwahr“. In Eisenstadt werde die behauptete Obergrenze um 100 Prozent überschritten. Dies liege daran, dass die Landesregierung einen ständigen Zuzug von Flüchtlingen aus anderen Gemeinden in die Landeshauptstadt zulasse, meinte Steiner, der Bürgermeister von Eisenstadt ist.

Auch Niessls Aussage, dass Rot-Blau nie Politik gegen die Arbeitnehmer machen würde, sei „kurios“. Denn die burgenländische Landesregierung speise Verwaltungspraktikanten mit einem Hungerlohn ab und umgehe damit ein objektives Aufnahmeverfahren für öffentliche Bedienstete. „Kreisky würde sich im Grab umdrehen“, so Steiner.

Auch FPÖ hält an Kleinstquartieren fest

Bestätigt werden Niessls Aussagen mittlerweile auch von Koalitionspartner und Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ). Das Burgenland sei aus seiner Sicht „das Sicherheitsland Nummer Eins, auch im Bereich der Grundversorgung und bei Asylsuchenden“, so Tschürtz. Mit einer Obergrenze von einem Prozent sei man „Österreich-Meister“. Er sei überzeugt, dass Kleinquartiere, wie sie auch im rot-blauen Regierungsübereinkommen vorgesehen wären, zielführend und sinnvoll seien.

Ein Widerspruch zu den Plänen des FPÖ-Innenmisters sei das nicht. „Der Innenminister möchte, dass kein Asylsuchender in die Illegalität verschwindet - da gibt es Tausende im Jahr. Im Burgenland ist das allerdings anders. Man könnte hier evaluieren, wie viele Asylsuchende verschwunden sind oder in der Illegalität verschwunden sind. Ich glaube aber, dass das sehr sehr gering ist, und daher halten wir an dieser Vorgangsweise fest“, so Tschürtz.