Flüchtlingsdrama: Noch niemand identifiziert

Laut Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil gibt es noch keine Hinweise auf die Identität einzelner Opfer des A4-Flüchtlingsdramas, bei dem 71 Menschen in einem Schlepper-Lkw starben. Unterdessen ist in Ungarn ein fünfter Verdächtiger festgenommen worden.

Auch bei dem fünften Verdächtigen handelt es sich laut ungarischer Polizei um einen Bulgaren. Bei der Identifizierung der Opfer setzt die Polizei ihre Hoffnung auf Kontakt zu Angehörigen unter anderem auf die sichergestellten Handys - es sollen etwa zehn Stück sein, genaue Zahlen konnten nicht genannt werden - und aufgrund der eingerichteten Hotline. Unter der Telefonnummer 059 133 10 3333 können sich Personen melden, die jemanden unter den 71 toten Flüchtlingen vermuten - mehr dazu in Ermittlungsteam nach Ungarn geschickt und 71 Flüchtlinge im Schlepper-Lkw gestorben.

Hotline für Angehörige der Schlepper-Opfer

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Bei der Polizei-Hotline melden sich laufend besorgte Menschen

Noch keine Angehörigen ermittelt

„Wir haben am Freitag bemerkt, dass wir mit Englisch-Dolmetschern nicht 100 Prozent unterwegs sind und haben am Samstag die Hotline mit zwei Arabisch-Dolmetschern verstärkt“, Doskozil. Weit über 100 Anrufe und Anfragen wurden bis Sonntagmittag bereits registriert. Hinweise zur Identität einzelner Flüchtlinge gab es zunächst allerdings nicht. Auch Angehörige habe man dadurch zunächst nicht ermitteln können.

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Polizeisprecher Gerald Pangl im Interview mit ORF-Burgenland-Redakteur Kurt Krenn über den Stand der Ermittlungen

Es gebe sehr viele Anrufe aus dem arabischen Raum, erzählte der Pressesprecher der Landespolizeidirektion Gerald Pangl am Sonntag. Es riefen aber auch sehr viele Flüchtlinge, die schon in Österreich seien, an und es kämen auch viele Anfragen von öffentlichen, staatlichen Institutionen, Botschaften und Behörden.

Doskozil: Identifizierung wird nicht einfach

Sollten sich Verwandte melden, müsse überlegt werden, ob eine Identifizierung aufgrund eines Augenscheins stattfinden soll. „Das wird vielleicht bei dem einen oder anderen durchaus möglich sein, bei dem einen oder anderen aber nicht. Das muss man dann entscheiden“, erklärte Doskozil.

Gibt es Angehörige, ist ein wesentlicher Faktor, dass von ihnen DNA-Material, also beispielsweise eine Zahn- oder Haarbürste, an die Polizei übermittelt wird. „Das wird aber wahrscheinlich auch schwierig sein“, räumte Doskozil ein. Ob es möglich sei, über einen Verwandten und dessen DNA zumindest die Identität der toten Flüchtlinge zu klären, wisse er nicht. „Einfach ist es nicht.“

Bestattung der Leichen noch ungeklärt

In Wien werden derzeit die 71 Leichen obduziert. Am Freitag wurden sechs, am Samstag zehn weitere Leichen untersucht. Wohin die Leichen nach der Obduktion, die wohl Mitte, Ende der Woche abgeschlossen sein dürfte, gebracht werden, war zunächst unklar und dürfte eine Frage der Kapazität sein, so Doskozil.

„Wir werden gemeinsam mit der Gerichtsmedizin Wien und der Bestattung Wien entscheiden müssen, ob sie in Wien bleiben können. Wenn dort die Kapazitäten nicht ausreichen, überstellen wir sie wieder zurück nach Nickelsdorf in die Veterinärdienststelle, weil dort eben eine Kühlsituation vorhanden ist“, erläuterte der Polizeichef. Die Bestattung werde auch davon abhängen, inwieweit man verifizieren könne, welcher Konfession diese Menschen angehören.

Meldet sich niemand bzw. gibt es keine Angehörigen, sei „in letzter Konsequenz die Gemeinde, in der sie aufgefunden worden sind, zuständig“ - also Parndorf, erklärte Doskozil. Generell müsse man allerdings erst warten, bis die Leichen von der Staatsanwaltschaft freigegeben werden.

Schlepper-Lkw

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Lkw wird „Millimeter für Millimeter“ untersucht

In Nickelsdorf wird unterdessen der Schlepper-Lkw Millimeter für Millimeter untersucht, wie Polizeisprecher Helmut Marban erklärte. Es scheine unglaublich, dass 71 Menschen in dem Lkw Platz gehabt hätten. „Als sie am Anfang hineingingen, standen sie natürlich, aber als wir sie herausholen mussten, waren sie völlig ineinander verfangen“, sagte Marban - mehr dazu in Lkw wird „millimeterweise“ untersucht.

Der Laderaum habe eine Länge von sechs Metern und eine Breite von 2,15 Metern gehabt, da könne man sich ausrechnen, wieviel Platz für 71 Personen bleibe, so Pangl.

Keine Hinweise auf Fluchtversuche

Bisher haben die Untersuchungen des Lasters keine Hinweise auf Fluchtversuche gebracht. Der Transporter war von außen auch mit einem Draht versehen. Im Fokus der Untersuchungen stehe insbesondere die Kühlanlage und die Frage, ob diese vielleicht so präpariert worden sei, dass eine Luftzufuhr stattfinden habe können, sagte Doskozil. Damit soll untersucht werden, wie dicht der Lkw war. Diese Auswertung sei ein Faktor, um ein Weg-Zeit-Diagramm erstellen zu können, um eventuell auch den Todeszeitpunkt zu klären, sagte der Landespolizeidirektor.

„Todes-Foto“ in „Krone“: Nachspiel für Beamten

Die Übergabe des Todes-Fotos des Flüchtlingsdramas auf der A4 im Burgenland an die „Kronen Zeitung“ wird ein Nachspiel für den Beamten haben. Die Polizei stehe bereits in engem Kontakt mit der Staatsanwaltschaft, schon am Montag müsse die Kriminalabteilung einen ersten Anfallsbericht an die Staatsanwaltschaft übermitteln, sagte Doskozil auf Anfrage der APA.

Anschließend werde man an das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) herantreten, um diese Amtshandlung dorthin abzutreten. Denn für Doskozil stehe fest, „dass das Foto von einem Polizisten an Ort und Stelle gemacht worden ist. Dieser ist allen Anschein nach aber nicht derjenige, der das Foto auch weitergegeben hat.“ Laut Doskozil gebe es irgendwo Wege, „die durch die Polizei gehen. Diese muss man aufdecken und offenlegen“, sagte der Landespolizeidirektor.

Beschwerden beim Presserat

Das Foto, auf dem die toten Flüchtlinge im Lkw zu sehen sind, hat für Aufregung und zahlreiche Beschwerden beim Presserat gesorgt. Verena Strnad, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Eisenstadt hatte bereits am Samstag den Kontakt der Polizei bestätigt und erklärt, dass ein „erster denkbarer“ Tatbestand die Verletzung des Amtsgeheimnisses sei und man dem Bericht der Polizei entgegen sehe.

Auch die deutsche „Bild“-Zeitung druckte das Foto mit dem Titel „Foto der Schande“. Ein Faksimile davon wurde am Sonntag in der „Kronen Zeitung“ veröffentlicht. Es ist damit der dritte Tag in Folge, an dem Leser der Zeitung mit dem Bild der toten Menschen konfrontiert wurden - mehr dazu in „Krone“-Foto: Staatsanwaltschaft ermittelt und „Krone“-Foto toter Flüchtlinge: Fall für Presserat.

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