Im Sommer 1989 waren Kurt Werner Schulz aus Weimar, seine Frau und sein sechsjähriger Sohn offiziell auf Urlaub in Ungarn. Tatsächlich wollte die Familie aber über die Grüne Grenze bei Lutzmannsburg in den Westen fliehen. Zunächst schien alles problemlos zu klappen, seine Frau und sein Sohn waren bereits in Österreich, als plötzlich ein Schuss fiel.
Grenzsoldat: Schuss löste sich bei Gerangel
20 Jahre später erinnerte sich der damalige Grenzsoldat Zoltan K. in einem ZiB-2-Interview an den Vorfall: „Es kam zu einem Hin und Her. Im Moment, als er die Waffe erneut an sich riss, ging ein Schuss los und dieser traf ihn. Aber wenn ich die Waffe zurückgerissen hätte, dann wäre der Schuss auf mich losgegangen. Mein Leben hing an einem dünnen Faden.“
Der Todesschuss wurde von der österreichisch-ungarischen Grenzkommission untersucht, denn Schulz wurde auf österreichischem Staatsgebiet erschossen worden. Auch seine Frau wurde einvernommen. Der damals 19-jährige Grenzsoldat wurde strafrechtlich nicht verfolgt, musste aber jahrelang psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.
Ungarn öffnete drei Wochen nach Todesschuss Grenze
Der letzte Todesschuss an der Grenze brachte die ungarische Regierung massiv unter Druck. Der damalige ungarische Ministerpräsident Miklos Nemeth sprach 2009 in einem ZiB-Interview darüber: „Als man mir diesen einen und einzigen Todesfall meldete, hat einer meiner engsten Mitarbeiter zu mir gesagt: ‚Hör zu, jeder weitere Todesfall geht auf dein Konto‘. Und dann bin ich zu dem Ergebnis gelangt: Die einzige Lösung ist, wir müssen die Grenze öffnen.“ Drei Wochen nach dem Tod von Kurt Werner Schulz öffnete Ungarn die Grenzen und ließ alle DDR-Bürger legal ausreisen.
(Sendungshinweis: „100 Objekte – 100 Geschichten“, 28.7.2022, ORF 2 Burgenland)