Es ist ein kleiner, unscheinbarer Taschenkalender – ein Werbegeschenk des Pharmakonzerns Bayer – mit kleiner krakeliger Schrift auf den letzte Seiten. Man würde fast daran vorbeigehen, würde daneben nicht das schwarz-weiß Foto einer jungen Frau liegen, die in die Kamera lächelt. Der Kalender gehörte Hertha Kräftner, der 1928 in Mattersburg geborenen Schriftstellerin, der nur eine kurze Schaffensperiode beschieden war.
Es ist eine fast morbide Geschichte hinter diesem Kalender. Im vorderen Teil des Kalenders habe der Pharmakonzern für seine Produkte geworben, zu denen auch das Schlafmittel „Veronal“ gehörte – mit dem sich Kräftner im November 1951 das Leben nahm, so Günter Unger von der „Herta Kräftner-Stiftung“.
Werk gelangt zu spätem Ruhm
Viele Jahre blieb das Werk Kräftners unbekannt. Vor 50 Jahren wurde sie quasi wiederentdeckt, eine „Hertha Kräftner-Stiftung“ ins Leben gerufen. Günter Unger gestaltete anlässlich ihres 75. Geburtstages auch einen Film über Kräftner. Der Film hatte den Titel „Ich ging vorbei am Tränenstrauch“ – das ist eine Zeile aus einem Gedicht von Kräftner.
Sendungshinweis
„100 Objekte – 100 Geschichten“, 14.2.2022, ORF 2 Burgenland
In den 1980er Jahren wurde Kräftners Werk neu aufgelegt, feierte in Deutschland Erfolge und gelangte auch in Österreich zu spätem Ruhm. Heute gilt sie als eine der bedeutendsten Autorinnen und Lyrikerinnen nach dem Zweiten Weltkrieg und sei aus der österreichischen Literatur der letzten 50 Jahre nicht mehr wegzudenken, so Unger.