Wolfgang Millendorfer liest in einem Hallenbad-Becken aus seinem neuen Roman vor
ORF/Michaela Frühstück
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Kultur

Viel Neues in burgenländischer Literatur

Neuerscheinungen burgenländischer Autorinnen und Autoren bieten – rechtzeitig zum Weihnachtsfest – ein literarisch vielfältiges Angebot: Es reicht von einem Ausflug in ein ungewöhnliches Hallenbad, über einen Trip durch die Hölle mit Elfriede Jelinek bis zu Einblicken in ein Künstleratelier.

Junge Autorinnen wie Anna Bauer, Julia Lückl und Clara Heinrich machen mit Literaturpreisen und Auftritten national auf sich aufmerksam. Aufmerksamkeit tut den Schreibenden in Zeiten der Pandemie gut, denn der stationäre Buchhandel hat ein Minus von 15 Prozent. Rund 9.000 Bücher erscheinen jährlich in österreichischen Verlagen – und die meisten davon werden im stationären Buchhandel verkauft.

Vanessa Wieser  und Katharina Tiwald
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Vanessa Wieser und Katharina Tiwald

Im Wiener Milena Verlag finden sich aktuell zwei Neuerscheinungen burgenländischer Autorinnen und Autoren. Katharina Tiwald und Wolfgang Millendorfer haben ihre jüngsten Romane bei Milena verlegt. Verlagsleiterin Vanessa Wieser schätzt es, wenn Texte einen Plot haben: „Mir geht es darum, dass Leute nachdenken, aber auch selbstironisch sind. Dass man nicht immer die Fehler ganz kompliziert sucht, sondern dass jeder Anteile an allem hat. Das ist das Ideelle, das bei den Romanen dabei sein muss. Ansonsten liebe ich Handlung, ich liebe Romane, wo die Figuren etwas erleben.“

Jelinek als Reisebegleiterin durch die Hölle

Im Roman „Mit Elfriede durch die Hölle“ führt Elfriede Jelinek ihre Schriftstellerkollegin Katharina Tiwald durch die Stadien des Infernos, ähnlich Vergil, Dantes Reisebegleiter in der „Divina Commedia“. Tiwald situiert die Hölle am Flughafen Wien-Schwechat im Heute. Auf ihrem Höllentrip treffen Jelinek und Tiwald auf Berühmtheiten wie Jeffrey Epstein, Alexei Nawalny, J.K. Rowling, Erhard Busek oder Heidi Klum.

Schwarzhumorig und streitlustig schreibt die Autorin vom Aberwitz unserer Welt und meint: „Die Divina Commedia eignet sich deshalb so gut für unser Heute, weil ja auch Dante über seine Zeitgenossen schreibt, die um nichts besser, schöner, angenehmer, oder auch bessere Politiker waren, das schreit fast nach einer Aktualisierung.“

Die Bücher „Kopf über Wasser“ und „Mit Elfriede durch die Hölle“
ORF/Michaela Frühstück

Hallenbad mit schrulliger Belegschaft

Wolfgang Millendorfer entwirft in seinen Geschichten gerne sonderbare Schauplätze für liebenswerte Sonderlinge, in seinem jüngsten Roman lässt er sie „Kopf über Wasser“ in einem Hallenbad auftauchen. In einem Becken voller Unikate versucht das Geschäftsführerehepaar mit eigenartigen Angestellten das Unternehmen vor dem Versinken zu retten.

Chlorgeruch, seltsame Badegäste und Liebesgeschichten verarbeitet Millendorfer zu literarischen Badezusätzen: „Ich liebe es, meine Figuren irgendwo auszulassen und ihnen die sprichwörtliche Narrenfreiheit zu geben. Da hat sich das Hallenbad angeboten, denn im Hallenbad kann alles passieren, da kann nichts passieren, da hat jeder seine Badehose, seinen Badeanzug an, man weiß nicht, was als Nächstes um die Ecke kommt in diesen langen Badehallengängen.“

Das Buch „Fingerübungen“
ORF/Elisabeth Hess

„Fingerübungen“ mit Burgenland-Bezug

Andrea Kerstingers Anthologie „Fingerübungen“ ist ein Sammelsurium an Kurzgeschichten und Gedichten. Dabei schwingt immer ein Hauch Burgenland mit und rechtfertigt somit den Untertitel „pannonisch.prosaisch.poetisch“. Spielerisch bedient sich Kerstinger der deutschen Sprache und versteht es, im Dialekt und ihrer burgenland-kroatischen Muttersprache zu dichten.

Sendungshinweis

„Radio Burgenland Extra“, 9.12.2021, 20.04 Uhr

Ihre literarischen Fingerübungen beinhalten ein pannonisches Vorspiel mit zweisprachigen Zwischentönen, einen prosaischen Zusammenklang mit romantischen und schiefen Tönen und ein poetisches Finale mit ironischer Note. Kerstinger hat ihre Texte zuvor in „Junge Literatur Burgenland, Volume 2“ (edition lex liszt 12) und diversen Literaturzeitschriften veröffentlicht. Sie erreichte den zweiten Platz bei der Ausschreibung „Ziegelsteiner Auslese“, den dritten Platz beim „Goldenen Kleeblatt gegen Gewalt“ und war 2019 Finalistin des „Textfunken“-Wettbewerbs von ORF Burgenland.

Das Buch „Die Frau im Atelier“
ORF/Elisabeth Hess

Einblicke in Maler-Atelier

„Die Frau im Atelier“ von Elke Steiner erzählt von außergewöhnlichen Annäherungen auf verschiedenen Ebenen: Einerseits geht es um die Annäherung in der Malerei, sowie um die schmerzvolle Vergangenheit des Malers Marius und das Herantasten an die geheimnisvolle Colette, die unerwartet in seinem Leben auftaucht. Durch die verschiedenen Handlungsstränge baut Elke Steiner eine Spannung auf, die bis zum Schluss nichts an Kraft verliert. Steiner erhielt den Literaturpreis beim „Goldenen Kleeblatt gegen Gewalt“. Außerdem erschien der Text „Das Corona-Match“ im Ö1-Kultursonntag. Elke Steiners Roman „Die Frau im Atelier“ ist – wie schon ihr erster Roman – in der Edition Keiper erschienen.

Das Buch „Aufzeichnungen einer Blumendiebin“
ORF/

Neuauflagen von Karin Ivancsics und Jutta Treiber

Auch Neuauflagen burgenländischer Romane sind für Lesefreunde wieder verfügbar. Karin Ivancsics und Jutta Treiber verlegen Bücher neu, die beiden besonders am Herzen liegen. „Aufzeichnungen einer Blumendiebin“ von Karin Ivancsics ist 1996 zum ersten Mal erschienen – und vereint blühend-sprühende Einträge: „Ich bin ein Kind vom Land, am Wochenende stehle ich Sonnenblumen von Feldern und montags schenke ich sie den hungrigen Menschen in der Stadt, Männern mit hungrigen Augen und Frauen mit langen Bärten, es ist meine Passion, das Blumenstehlen, es ist mein kleinstes Laster und meine größte Freude, ich weiß, dass ich es nie aufgeben werde, ich bin süchtig danach; das wäre eine schöne Berufsbezeichnung: Blumendiebin.“

Das Buch „Solange die Zikaden schlafen“
ORF/Michaela Früstück

Jutta Treibers Roman „Solange die Zikaden schlafen“ ist seit zwanzig Jahren zum ersten Mal wieder greifbar, in einer neuen Ausgabe der edition lex liszt 12. Für die Autorin selbst zählt dieser Roman zu den wichtigsten in ihrem umfangreichen literarischen Werk. Das Buch erzählt von einem schmerzlichen Verlust und der Möglichkeit trotz verzweifelten Mutes wieder Hoffnung zu schöpfen. „Die Ungeheuer tauchen aus dem Wasser. Die Wrackteile des geborstenen Schiffes werden an Land geschwemmt. Ich blicke den Ungeheuern ins Auge. Ich sammle die Wrackteile auf.“